Rius, Alicia

16. Mai 2022 - 9:18

Vielleicht habe ich schon einmal erwähnt, dass ich Kunstlehrerin bin (in Österreich heißt das Fach Bildnerische Erziehung). Während des Corona-bedingten Distance Learnings habe ich mit meinen 15jährigen Schülern und Schülerinnen die "Family Portraits" der italienischen Fotografin Camilla Catrambone besprochen und sie aufgefordert, von sich Selbstporträts aus Dingen zu erstellen.

Catrambone hat in ihrer Serie die Verwandten durch (Haushalts-) Gegenstände dargestellt, die für die Personen wichtig sind. Dabei ordnete sie die Gegenstände zu einer sorgfältigen Komposition. Jeder Betrachtende kann sich selbst ein Bild davon machen, wie der Besitzer/die Besitzerin dieser Gebrauchsgegenstände real aussehen würde. Der Glaube an die Fähigkeit der Dinge Informationen über den Besitzer zu bringen ist kulturell gefestigt. Trotzdem bleibt die Frage, ob in den Arbeiten Rollenbilder oder Individualität transportiert wird.

 

Family Portraits, 2013 © Camilla Catrambone
Family Portraits, 2013 © Camilla Catrambone

 

Ich glaube nicht, dass Menschen ohne Hund meinen Blog lesen. Deshalb renne ich sicher offene Türen ein, wenn ich Ihnen erzähle, dass auch Hunde eigenen Persönlichkeiten und Charaktere haben. In "A Dog‘s Life" hat Alicia Rius Catrambones Methode (vermeintlich) auf Hunde angewendet und dabei unterschiedliche Hundetypen und -rassen dargestellt. Im Unterschied zu Catrambones Serie zeigt Alicia Rius allerdings beides: die Hunde und ihre Welt, d.h. die Gegenstände, die ihre Persönlichkeit definieren.

Jeder Hund hat oder tut bestimmte Dinge in seinem Leben, die definieren, wer er ist oder was er gerade durchmacht. Alicia Rius traf sich zu Gesprächen mit den HundehalterInnen, schaute sich die Besitztümer jedes Hundes an, um zu verstehen, inwieweit sie zu dem passten, was der Besitzer über den Lebensstil und die Persönlichkeit seines Hundes zu sagen hatten.

 

Just like humans, dogs form attachments to their personal possessions and can give the viewer deeper insight into their identity. The items that shape their daily routine, that they carry, keep, and even eat- give us a glimpse into their hearts and minds. They show us what makes them most proud or happy and even puts their vulnerability on display. (Alicia Rius zit. n. hier)

Genau wie Menschen hängen auch Hunde an ihren persönlichen Gegenständen und können dem Betrachter einen tieferen Einblick in ihre Identität geben. Die Gegenstände, die ihren Alltag prägen, die sie bei sich tragen, aufbewahren und sogar essen, geben uns einen Einblick in ihr Herz und ihren Verstand. Sie zeigen uns, was sie am meisten stolz oder glücklich macht und stellen sogar ihre Verletzlichkeit zur Schau. (übersetzt mit Deepl.com)

 

Die Gegenstände, die zu jedem Hund gehören, zeigen uns also, was der Hund wirklich ist und wie sich sein reales Leben darstellt. Die künstlerische Aufreihung der persönlichen Dinge des Hundealltags zeugt von viel Liebe und Humor der Fotografin. Die fotografischen Ansammlungen sind überaus liebenswert, entzückend, einfühlsam, berührend.

Sie merken, ich bin von ihrer Serie begeistert und kann mich an den Dingen, die sie für ihre Protagonisten ausgesucht hat, gar nicht sattsehen. Meine besondere Liebe gilt den alten Hunden. Deshalb ist auch "Der Senior" mein Lieblingsfoto, dicht gefolgt von "Der Streuner".

 

The Senior, 2018 © Alicia Rius

 

Der Senior: Haben Sie die kleinen Röntgenbilder mit den zarten, zerbrechlichen Hundepfotenskeletten von Magda, einem 13 Jahre alten Spaniel-Dackel-Mix gesehen? Magda wurde als kranker Hund im Tierheim abgegeben und lebt inzwischen bei einer Pflegemutter. Seither hat sie einen Weg voller Tierarztbesuche, Medikamente, Hautbehandlungen und täglicher Injektionen hinter sich, um wieder auf die Beine zu kommen. Doch trotz ihrer schmerzhaften Geschichte wird sie von Liebe und Hoffnung angetrieben.

 

The Neurotic, 2018 © Alicia Rius

 

Der Neurotische: Bär ist eine 4,5 Jahre alte Englische Bulldogge. Die Rasse ist für ihre Sturheit bekannt. Wenn er nicht bekommt, was er will, kaut er stattdessen auf allem herum, dessen er habhaft werden kann.

 

The Stray, 2018 © Alicia Rius

 

Der Streuner: Der Streuner heißt Marmaduke und ist ein 7,5 Jahre alter geretteter Pitbull-Mix, der aufgrund seiner Rasse ausgesetzt wurde und als Restefresser überleben musste. Das harte, ermüdende und hoffnungslose Leben auf der Straße hat Alicia Rius mit all dem verdorbenen Essen illustriert, das er vor seiner Rettung zu sich nahm. Doch Obacht: Die Karotte hat er nicht angerührt.

 

The Fetcher, 2018 © Alicia Rius

 

The Fetcher (Er holt/bringt die geworfenen Bälle. Dafür finde ich kein passendes deutsches Nomen): Knuckles, der 7 Jahre alte Australian Shepherd, ist energiegeladen, intelligent und davon besessen, Frisbees und Bälle zu apportieren. Trainiert wird mit Leckerlis (Beutel). Die Medaillen zeigen, wie gut er bei Wettbewerben ist.

 

The best in show, 2018 © Alicia Rius

 

Der Ausstellungsbeste: Zig, der afghanische Windhund, verbringt die meiste Zeit seines dreijährigen Lebens damit, auf Hundeausstellungen um den Titel "All-Breed Show" zu kämpfen und zu gewinnen! Bei dieser Veranstaltung werden die Hunde danach beurteilt, inwieweit sie mit dem Perfektionsstandard ihrer Rasse konform gehen. Bemerken Sie den eleganten grauen Hintergrund, auf dem seine Utensilien aufgereiht sind?

 

The Princess, 2018 © Alicia Rius

 

Die Prinzessin: Der junge weiße Malteser-Shih Tzu-Mix Lola Rose ist verwöhnt und wird wie eine Prinzessin behandelt. Selbstverständlich hat er einen eigenen Instagram-Account! Seine Tasche stammt von Pawda!

Wenn ich mir die Besitztümer der Hunde ansehe, merke ich erst, was für ein einfacher, bescheidener Hund meine Hedy ist. Ihr gehören zwei Stofftiere, ein "Furminator" - eine Bürste zur Fellpflege (Huskie!) - und ansonsten nur Verbrauchsgüter: ein Kübel mit Leckerlis, getrockneter Pansen, Ochsenziemer, getrocknete Schweinsohren, Rinderkopfhaut und Stinkestangerl.

Bitte schauen Sie sich die ausführliche Making-of-Dokumentation auf Alicia Rius' Blog an. Niemals hätte ich erwartet, wie aufwändig es war, dieses Projekt durchzuführen.

Interessant ist auch, dass der Impuls zur Arbeit nicht von Camilla Catrambone kommt, wie ich vermutet hätte, sondern von Gabriele Galimberti und deren Serie "Toy Stories". Über zwei Jahre lang hat sie mehr als 50 Länder besucht und farbenfrohe Bilder von Kindern mit ihren Spielsachen gemacht und die spontane und natürliche Freude und den Stolz festgehalten, die Kinder empfinden, wenn sie ihre Besitztümer herzeigen.

 

Toy Stories © Gabriele Galimberti

 

alle Fotos © Alicia Rius

 

Fotografie