Juni 2016

29. Juni 2016 - 15:35

Ich bleibe beim Thema Kind und Tier, enge das Thema Tier inhaltlich auf Hund ein und vergrößere diesen gleichzeitig - schon bin ich beim Werk des Koreaners Jeong Woojae (*1983), das vor ein paar Monaten die Blogs quasi flutete.

Jeong Woojaes Gemälde zeigen ein Mädchens mit seinem Chihuahua als verspielten Ausdruck der Bindung zwischen Mensch und Tier. Was auf den ersten Blick auffällt, ist die monumentale Größe des Hundes. Diese über den Realismus hinaus gehende Größe ist das einzig surreale Element der Komposition. Die fotorealistisch gemalten Innen- und Außenräume gehen auf private Fotos Jeongs zurück, die er in Seoul aufgenommen hat. Diese Räume sind nur vom Mädchen und ihrem Hund beseelt und sonst verwaist - ihrer Beziehung gilt das Hauptaugenmerk.

 

© Jeong Woojae

© Jeong Woojae

© Jeong Woojae

© Jeong Woojae

© Jeong Woojae

© Jeong Woojae

© Jeong Woojae

© Jeong Woojae

© Jeong Woojae

 

Doch wieso ist der Hund so groß? Ich fasse im Folgenden vereinfacht und gekürzt Jeongs Überlegungen zusammen:

Es geht ihm um eine Darstellung der Tier-Mensch-Beziehung, die sich auch in der Größe der Beteiligten bildlich niederschlägt. Trotz seiner Größe ist der Hund nicht bedrohlich, er wird viel mehr als Beschützer gefeiert. Denn nur oberflächlich betrachtet ist diese Beziehung eine mit menschlicher Überlegenheit. Der Hund erfüllt das grundlegende menschliche Bedürfnis nach Freundschaft und Zuneigung, auch er beschützt den Menschen. So gesehen ist das Hund-Kind-Verhältnis ein komplementäres, sich ergänzendes.

Jeong meint, dass wir in unserer schnelllebigen Gesellschaft unser Verhältnis zu Tieren neu überdenken und beleben und die Freundschaft und Zuneigung, die sie uns anbieten, annehmen müssen.

Weiters spiegelt das Mädchen das Selbst des Künstlers wieder, seine Angst vor der Verantwortung des Erwachsenwerdens, das Changieren zwischen Abhängigkeit und Unabhängigkeit, zwischen Kindheit und Erwachsensein. Seine Gemälde sind also Coming-Of-Age-Malerei.

 

© Jeong Woojae

© Jeong Woojae

© Jeong Woojae

© Jeong Woojae

© Jeong Woojae

 

Ich bin nicht dafür, Jeongs Bilder sprachlich zu verbrämen und mit Bedeutung anzureichern. Der Maler zeigt, neben einer Hommage an die Hunde, dass er ein technisch perfekter Künstler ist, mit Licht und Schatten spielen kann, die Darstellung von Oberflächenbeschaffenheiten sowie Zentral- und Farbperspektive hervorragend beherrscht. Seine warmen, lichtdurchfluteten Kompositionen sind der malerische Ausdruck der Wärme, die zwischen dem Mädchen und seinem Hund besteht. Und vermutlich genügt es dem Betrachter, der Betrachterin, die Zärtlichkeit, die darin zum Ausdruck kommt, zu genießen.

 

© Jeong Woojae

 

Alle Bilder © Jeong Woojae

 

Malerei
27. Juni 2016 - 13:01

Howl, 2013 © Kevin Peterson

 

Ich freue mich immer ganz besonders, wenn ich von LeserInnen eine Idee für einen Beitrag erhalte. Andrea Antoni hat einen hyperrealistischen Maler für mich gefunden, den ich Ihnen gerne vorstelle. Ich nehme ihn auch zum Anlass, ein paar weitere, ähnliche KünstlerInnen anzuschließen, die schon lange in meiner persönlichen Warteschlange hängen, da ich mir bisher nicht sicher war, ob ich sie Ihnen im Blog zeigen soll.

 

Quest, 2015 © Kevin Peterson

 

Kevin Peterson hat sich auf Darstellungen von Kindern und Tieren spezialisiert, die in urbanen, heruntergekommenen Szenerien - zwischen Graffiti besprühten Hauswänden, geschlossenen Rollläden, Mauern, Abfallmulden - herumstreifen. Die Bilder leben von diesem Kontrast des kindlich und tierlich Unschuldigen mit einer schmutzigen, kaputten Welt. Kinder und Tiere (Füchse, Eis-, Wasch-, Braunbären, Wölfe, die üblichen tierischen Verdächtigen also) gehen und schauen fast immer in die gleiche Richtung, sie scheinen Dinge zu sehen und zu entdecken, die uns verborgen bleiben.

Der Künstler zeigt uns das Erwachsenwerden in einer Welt, die nicht märchenhaft heil ist, in der Traumata, Ängste und Einsamkeit herrschen. Mit Zuversicht und Stärke jedoch soll all dies überwunden werden.

 

Bidding, 2014 © Kevin Peterson

© Kevin Peterson

 

Ich habe nichts gegen foto- oder hyperrealistische Malerei. Ja ich liebe z.B. die Stadtansichten von Richard Estes aus den 70er Jahren: seine New Yorker Straßenzüge in außergewöhnlichen Perspektiven (meist menschen-, immer hundeleer), seine Auslagen mit Spiegelungen usw., die eine fotografische Vorlage meisterlich übersteigern. Obwohl auch Kevin Petersons Bilder von malerischer, handwerklicher Meisterschaft zeugen, erscheinen sie mir vergleichsweise flach. Vermutlich liegt das auch an seiner Darstellung einer unrealistischen Tier-Mensch-Beziehung - einer Vorstellung vom Naheverhältnis oder Verständnis zwischen Tier und Kind -, die für mich geschmäcklerisch und anempfunden ist und an Kitsch grenzt.

Kevin Peterson (*1979 in Elko/Nevada) hat Kunst und Psychologie am Austin College in Sherman/Texas studiert. Er lebt und arbeitet in Houston/Texas. Mehr Arbeiten können Sie auf seiner Homepage oder auf der Homepage der Thinkspace Gallery sehen.

Eine Fußnote für die Musik-Interessierten: Ein Ausschnitt des Bildes "Coalition II" ist auf dem letzten Plattencover der Red Hot Chili Peppers "The Getaway" zu sehen, das am 17. Juni 2016 erschien.

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Coalition II © Kevin Peterson
 

alle Bilder © Kevin Peterson

 

Malerei
23. Juni 2016 - 8:48

Acension, 2016 © Alois Mosbacher

 

In der Galerie Gerersdorfer in Wien ist noch bis zum 9. Juli 2016 die Arbeit "ascension" (2016) von Alois Mosbacher zu sehen. Sie ist Teil der Ausstellung "Paper Work III", die elf österreichische Künstler und Künstlerinnen und ihren individuellen Zugang zum Thema "Arbeiten auf/mit Papier" zeigt. Zu sehen sind Holzschnitte, Mischtechniken, Gouachen, Digitaldruck, Tuschezeichnungen, Papierschnitte, Schachtelbilder sowie Figuren aus Papiermaché.

Galerie Gerersdorfer: Währinger Straße 12, 1090 Wien;

Öffnungszeiten: Donnerstag – Samstag von 11 – 20 Uhr

 

Ausstellung, Zeichnung
20. Juni 2016 - 10:00

Vor ein ein paar Tagen ging die Nachricht vom Aussterben einer Rattenart durch die Medien. Die australische Bramble-Cay-Mosaikschwanzratte - das einzige am australischen Great Barrier Reef endemische Säugetier - wurde ein Opfer des vom Menschen verursachten Klimawandels. Als Hauptgrund für das Aussterben nennen die Forscher, dass die Insel aufgrund des gestiegenen Meeresspiegels und zunehmend heftiger werdender Stürme mehrfach überspült wurde. Der Lebensraum und die Nahrungsgrundlage der hauptsächlich pflanzenfressenden Ratten schwand ihnen damit unter den Füßen weg. (vgl. z.B. Der Standard)

Dieser traurige Anlass erinnerte mich an das Bild einer Ratte der US-amerikanischen Künstlerin MF Dondelinger, die das Artensterben in ihren Werken thematisiert.

Die Ord's Kangaroo Rat war 2012 im Wiener Belvedere bei der Ausstellung "Gold" zu sehen. Zur gleichen Serie der "Endangered Species" gehören auch Wölfe.

 

Buchcover Gold und Ords Kangaroo Rat © MF Doendlinger

Mexican Gray Wolf © MF Dondelinger

Red Wolf © MF Dondelinger

 

Seit 2003 beschäftigt sich MF Dondelinger mit der Theorie der traditionellen Ikonenmalerei. In ihrer künstlerischen Praxis verbindet sie die alten Techniken und Konzepte mit zeitgenössischen Themen z.B. des Umwelt- und Artenschutzes. Sie nutzt auch Materialien der alten Meister: Blattgold, Hasenleim, Marmorstaub und Eitempera.

In ihrer "Endangered Species Series" malt sie detailreiche Bilder gefährdeten Tierarten des amerikanischen Süd- und Nordwestens. Dabei trägt sie die Temperafarben und das Blattgold auf Papptellern als Bildträger auf. Dieser ungewöhnliche und billige Malgrund, der im Gegensatz zu den feinen Malmaterialien steht, weist auf unsere Wegwerfgesellschaft, auf die fragile Überlebenschance mancher Arten und auf unsere gedanken- und achtlose Haltung gegenüber diesen vom Aussterben bedrohten Arten hin.

Klimawandel, Lebensraumverlust, Verlust von Wasserressourcen und Einschleppung nicht-heimischer Arten bedrohen den Fortbestand einer Vielzahl von Pflanzen- und Tierarten in den westamerikanischen Wüsten. Durch die wertschätzenden und liebevollen Darstellungen lenkt MF Dondelinger die Aufmerksamkeit auf diese wenig beachteten Tiere, die manchmal noch in amerikanischen Hinterhöfen anzutreffen sind.

Zu den Bildern gibt es auch ein Buch. "Modern Icons. The Sacrifice of Endangered Species of the American Southwest". Kurze Texte begleiten jedes Gemälde, beschreiben die Pflanze oder das Tier, seinen Lebensraum und die Ursache für seine Gefährdung.

 

Buchcover Modern Icons © MF Dondelinger

 

In der Serie "Almighty Dollar" malt sie Tiere - von der Honigbiene zum Bengalischen Tiger - deren Lebensbedingungen von Ausbeutung bestimmt sind oder waren auf Geldscheine.

 

Grey Wolf © MF Dondelinger

 

Dieses schöne, inhaltlich vielschichtige Bild "Metamorphosis" malte die Künstlerin für die Biennale in Florenz. Auf ihrer Homepage finden Sie mehrere Detailansichten.

 

Metamorphosis © MF Dondelinger

Metamorphosis (Detail) © MF Dondelinger

 

Nicht zuletzt weil die Tier- und Ikonenmalerin MF Dondelinger auch viele Hunde malt, passt sie gut in meinen Blog. Manche der Hunde, die "Sainted Dogs", haben Heiligenscheine, wie der verstorbene Sammi, der bei ihrer Familie lebte. Andere vierbeinige Freunde sind noch wohlauf.

 

Sammi © MF Dondelinger

Buddy © MF Dondelinger

Focused © MF Dondelinger

My friend © MF Dondelinger

Two Friends © MF Dondelinger

 

FM Dondelinger wurde in Auburn/Kalifornien geboren, sie lebt und arbeitet in Arizona und New Mexico. Sie schreibt auch einen Blog über ihre Arbeit.

alle Bilder © MF Dondelinger

 

Ausstellung, Buch, Malerei