Manchmal entdecke ich zufällig einen Künstler, bei dem ich weiß: Über den will ich sofort schreiben und alle anderen Ideen für Beiträge aufschieben. Simon Cantemir Hausì ist so einer. Seine melancholischen und feinfühligen Bilder, die er 2008 und 2009 gemalt hat, haben mich sofort für ihn eingenommen. Wenngleich noch immer figurativ, ist sein Werk inzwischen expressiver, gestischer und farbiger, aber nicht weniger interessant geworden.
Seit etwa 15 Jahren steht die rumänische Malerei im Fokus der europäischen Malerei. Ich habe bereits zweimal über Adrian Ghenie geschrieben, einen Künstler, der mich als erster rumänischer Maler begeistert hat. Simon Cantemir Hausì gehört einer jüngeren Generation an, die mit der Abteilung für Malerei an der Universität für Kunst und Design in Cluj-Napoca verbunden ist und deren virtuose Künstler unter der Bezeichnung "Cluj School of Painting" firmieren.
Auch nach der kommunistischen Herrschaft wurden die Studierenden in Cluj nach den strengen figurativen Anforderungen des sozialistischen Realismus unterrichtet. Die "Clujer Schule" entwickelte einen eigenen, unverwechselbaren Stil, zu dem der relativ freie Umgang mit der Farbe, die Betonung surrealer Elemente und ein düstereres Erscheinungsbild (im wörtlichen und metaphorischen Sinn als Repräsentant einer verschwommenen Unbestimmtheit) gehörten.
Die Generation rumänischer KünstlerInnen, die zwischen Kommunismus, Zerfall und Kapitalismus aufgewachsen ist, dokumentiert diese Spannungen unausweichlich in ihrer kulturellen Produktion.
Simon Cantemir Hausì wuchs mit einem regimekritischen Schriftsteller als Vater auf, der während der Ceaușescu-Ära ständig überwacht, verhört und eingeschüchtert wurde. In Hausìs Werk fließen diese Schatten der Vergangenheit, diese Unsicherheit und Bedrohung atmosphärisch ein.
"Friendship", 2008: "Freundschaft" heißt dieses Bild, und auf den ersten Blick wird klar, dass hier die Freundschaft zwischen allen dreien gemeint ist und nicht nur die zwischen den Buben. Der Hund wird beschützend umfangen, die Körper schmiegen sich aneinander und bilden eine Dreiecksform. Auch der Hund steht mit geradem Rücken, scheint sich klein zu machen und in die Form einzufügen.
Alle drehen uns den Rücken zu. Verbergen die Kinder etwas, weil Kinder gerne Geheimnisse haben? Was wollen sie nicht preisgeben? Eine ängstliche und erstarrte Atmosphäre liegt über dem Bild, eine Atmosphäre der Ungewissheit und Unruhe. Die unheilvolle Erwartung wird durch die Rückenansicht verstärkt, die Protagonisten scheinen beobachtet oder überwacht zu werden. Und was ist bedeutet das das Licht neben dem Gesicht des linken Burschen?
"Political Hallucination", 2008-2009: Als würden die gesichtslosen Kinder aus Hausìs Vergangenheit zu uns herausschauen, mutet dieses Bild an. Die Gesichter geben nichts preis und gehen gleichzeitig über den Einzelnen hinaus; ich musste an die Bilder Gideon Rubins denken, der seinen Dargestellten ebenfalls die Individualität verwehrt. Nur der Hund blickt fragend und gleichzeitig wissend aus dem Bild. Tiere und Kinder bilden wie selbstverständlich, quasi "naturgemäß", eine vertrauensvolle und verschworene Gemeinschaft.
Auch hier ein vertrautes Team. Der Hund ist ein loyaler Begleiter seines Menschen, er ist unkorrumpierbar! Was er wohl sieht?
"Study for a Memory with a Russian Borzoi", 2008 und "Memory from My Childhood", 2009: Wie ein nachgedunkeltes Gemälde aus dem 19. Jahrhundert sieht das Bild mit dem Borsoi aus. Erst auf den zweiten Blick erkennt man rechts eine gestreckte Hand, die in einer geheimnisvollen Geste Richtung Hund greift. Auf der anderen Seite steht in der Dunkelheit fast verborgen ein gebeugter Mann. Während die Studie zum russischen Borsoi recht gleichmäßig ausgeleuchtet ist, ist dieses Gemälde dunkel, widersetzt sich der Sichtbarmachung und Enthüllung.
Wieso denke ich bei diesem Bild eher an einen Massai in der Serengeti als an einen Jäger in Siebenbürgen? Das Bild ist weniger durch pastosen Farbauftrag als durch wilden Pinselduktus und Kratzer gekennzeichnet.
"Sunday Hunting", 2009: Eine Winterlandschaft in monochromen Braun- und Grautönen. Eine Gruppe Jäger. Zwei wenden sich von der Gruppe ab: der Jäger links, der Hund rechts.
Nicht immer ist es monochrom oder dunkel. Aber auch die Helligkeit ist geheimnisumwittert, lässt das Bild surreal erscheinen. Lichtdurchflutete Areale erheben sich in pastosen Schichten aus Gelb, Grün und Blau. Die Gestalten wirken wie umfangen vom Licht einer anderen Welt, die Landschaft wie ein fremder toxischer Planet. Doch darüber scheint ein grauer Schleier zu liegen, der alle in Bewegungslosigkeit verharren lässt. Welcher Bedrohung blickt die Gruppe entgegen. Handelt es sich um Kinder oder ist die Figur in der zweiten Reihe unnatürlich groß? Und warum leuchtet eine Kappe weiß?
Wenn Ihnen Simon Cantemir Hausì ebenso gut gefällt wie mir, empfehle ich Ihnen die Homepage der Galerie Barbara Thumm. Dort stellt der rumänische Künstler seit 2011 aus.
Ein paar Bilder ohne Titel habe ich von Hausìs Blog.
Simon Cantemir Hausì (*1976 in Baia Mare/Rumänien) lebt und arbeitet in Cluj.
alle Bilder © Simon Cantemir Hausì