Juli 2013

28. Juli 2013 - 19:18

Etwa 100 000 Wildtiere werden alleine in Österreich jährlich Opfer des Straßenverkehrs. Mit Schwankungen sterben jedes Jahr etwa 35 000 Rehe, 30 000 Hasen, 10 000 Fasane, Tausende Füchse, Marder, Dachse, Hunderte Rebhühner, Iltisse, Wiesel. Nicht mitgezählt Katzen und Hunde, Tauben und Igel. Allein 220 000 Rehe starben 2012 auf Deutschlands Straßen.

Am Wiener Stadtrand, wo ich vor allem mit dem Auto unterwegs bin, treffe ich fast täglich auf getötete Tiere und bin froh, wenn ich ausweichen kann, um den toten Körper nicht nochmals überfahren zu müssen. Traurigkeit bleibt immer zurück und ein Gefühl des Versagens, weil ich den Körper nicht berge und zumindest notdürftig bestatte.

Auch in Kansas, wo die Fotografin Emma Kisiel lebt, ist es nicht anders, sterben unzählige im Straßenverkehr. Doch sie nimmt sich einigen Opfern exeplarisch an und versucht ihnen durch eine kleine Zeremonie Beachtung und Achtung zu schenken und ihnen ihre Würde zurückzugeben. Mit Blumen und Steinen, die sie rund um die Kadaver kreisförmig anordnet und dabei auf die Gestalt, Textur und Farbe des Tieres Bezug nimmt, erschafft sie kleine Gedenkstätten und Mahnmale. Sie geht dabei ruhig und friedvoll vor, bewegt oder verändert der Tiere nicht. Im Mittelpunkt steht für sie die Heiligkeit aller Dinge. Natürliches Licht und die Wärme der Sonnenstrahlen spielen bei Zeremonie und Fotoaufnahme eine wichtige Rolle. Nachdem sie überfahren, besucht und betrauert wurden, werden die toten Körper wieder der Natur überlassen.

 

At Rest © Emma Kisiel

At Rest © Emma Kisiel

At Rest © Emma Kisiel

 

In ihrer Fotoserie "At Rest" stellt Emma Kisiel nicht nur die tierischen Opfer des Straßenverkehrs dar, sie konfrontiert uns gleichzeitig mit unserer Angst vor dem Tod und dessen Anblick. Sie zeigt die Auswirkungen des Menschen auf das Leben der Tiere, die, der vorherrschenden amerikanischen Religion, dem Christentum, entsprechend, wenig beachtet werden, denen man wenig Wert beimisst und denen man keinen Platz "im Himmel" einräumt. Unten beschreibt Emma Kisiel ihre Arbeit mit eigenen Worten:

      At Rest is a photographic series depicting roadkill on American highways and addressing our human fear of confronting death and viewing the dead.  My images draw attention to the fact that, while man has a vast impact on animal and natural life, Americans are largely driven by the dominant religion of Christianity, which insists that animals do not have a place in Heaven and are, therefore, of little value in our society.  To cause the viewer to feel struck by this truth, I photograph memorials I have built surrounding roadkill at the location at which its life was taken.  At Rest expresses the sacredness to the bodies of animals accidentally hit by vehicles while crossing the road.

By surrounding the subject with living and fake flowers and stone markers, I elevate the often ignored and overlooked dead animal to the level of a human being and impart the beautiful grace of their fallen bodies.  My photographs convey the sublime, the grotesque, and the lure of the macabre; we can hardly bear the visual of death, yet we cannot tear our eyes away.  While working, I assume a practice similar to attending a funeral or visiting a grave.  Quietly and peacefully, I assemble a memorial around the animal, considering shape, form, texture, and color.  All planes in the images in At Rest are in focus, referring to the sacredness of all things.  The lighting is natural; the warming light of the sun is an important factor in my roadkill grave setups.  My animal subjects are not moved or altered.  They are happened upon, visited with, remembered, and left to return to nature.

Emma Kisiel erweist den Tieren nicht nur "die letzte Ehre" und ermöglicht ihnen vielleicht eine spirituelle Reise, sie bringt auch die Würde der Opfer künstlerisch zum Ausdruck. Vielleicht löst ihr Tun bei manchen Irritation aus, verstören die Fotografien, ich empfinde große Dankbarkeit.

Auch in anderen Fotoserien beschäftigt sich Emma Kisiel mit den negativen Auswirkungen menschlichen Verhaltens auf die Tiere und zeigt gleichzeitig ihre enge emotionale Nähe zu ihnen auf. Sie zeigt sowohl das grauenhafte Leben der Tiere in Tierheimen, Zoos und Tierhandlungen als auch die Glorifizierung der Toten durch Präparation.

"More Dogs than Bones" von 2010 thematisiert die Hunde-Überpopulation im Najavo-Reservat. Viele Fotografien sind schwer zu ertragen. In diesem Reservat in Arizona und New-Mexico, das 26 000 Quadratmeilen groß ist, leben 180 000 Menschen und etwa 160 000 streunende Hunde und Katzen. Auf nahezu jeden Menschen kommt ein heimatloses, unkastriertes Tier. Tierheime und Kastrationspläne fehlen. Viele Hunde sind krank, unterernährt, vernachlässigt. Niemand kümmert sich um sie, die meisten haben noch nie menschliche Zuneigung oder Fürsorge kennen gelernt. Es gibt sozusagen mehr Hunde als Knochen, um sie zu ernähren. Emma Kisiel hat die Fotografien und einen einführenden Text zu einem fotografischen Essay zusammengefasst, in das Sie auf ihrer Homepage Einblick nehmen können.

 

More Dogs than Bones © Emma Kisiel

More Dogs than Bones © Emma Kisiel

More Dogs than Bones © Emma Kisiel

More Dogs than Bones © Emma Kisiel

 

Neben Ihrer eigenen künstlerischen Arbeit schreibt Emma Kisiel den Blog Muybridge's Horse, in dem Sie KünstlerInnen vorstellt, die sich für die Mensch-Tier-Beziehung und deren Interaktionen interessieren. Der Blog bietet den besten Überblick über künstlerische Auseinandersetzungen zu diesem Thema, den ich kenne und sei allen empfohlen, deren Interesse nicht nur dem Hund gilt, sondern alle Tiere einschließt.

Emma Kisiel hat ihren Bachelor of Fine Arts mit Schwerpunkt Fotografie an der University of Colorado Denver gemacht und wurde mehrfach ausgezeichnet.

Homepage von Emma Kisiel

alle Bilder © Emma Kisiel

 

Fotografie
21. Juli 2013 - 9:01

Ich habe die Hunde gemietet. Ihre Trainerin warf Hühnchenstücke in Richtung des Bildschirms, damit sie hochguckten. In dem Moment musste ich auf den Auslöser drücken. Das Fleisch wurde später am Computer wieder entfernt. Und die Szene auf dem Screen auch. In Wirklichkeit haben die Hunde "Bambi" geguckt. (diCorcia zit.n. art)

 

Philip-Lorca diCorcia, The Hamptons, 2008
Philip-Lorca diCorcia, The Hamptons, 2008, (Inkjet print 101,6 x 152,4 cm),
Courtesy the artist und David Zwirner, New York/London

 

Alle, die mit Hunden leben, wissen natürlich, dass sie sich nicht für Pornos interessieren, übrigens auch nicht für Bambi. Mein Hund schaut nur zum Bildschirm, wenn gleichzeitig aus dem Lautsprecher Gebell oder Vogelgezwitscher dringt. Sollten die Hunde also wirklich "Bambi" gesehen haben, war das wahrscheinlich eher ein Zugeständnis an die Hundetrainerin. Bemerkenswert ist für mich als Betrachterin (und vollkommener Laie in Theorie und Praxis der Fotografie) nicht der Inhalt, sondern der Aufwand der Inszenierung und Nachbearbeitung, der zu diesem nahezu hyperrealen Ergebnis führt. Und traurig stimmt mich das Foto auch als Darstellung eines "entfremdeten" Hundelebens in sterilem Interieur.

Philip-Lorca diCorcia bildet die Wirklichkeit nicht ab, zeigt uns keinen gelungenen Schnappschuss, sondern inszeniert und arrangiert detailreiche Kompositionen mit aufwändigen Lichtapparaturen. Die realitätsnahe Wiedergabe und der scheinbar dokumentarische Blick werden in seinen Arbeiten von einer ausgeklügelten Bild- und Lichtrregie unterwandert. Die Frage nach der Möglichkeit der Abbildung von Realität ist eines der Hauptthemen diCorcias und verbindet die seit 1975 überwiegend in Serien entstandenen Fotografien miteinander.

"The Hamptons" stammt aus seiner letzten Serie "East of Eden", die er 2008 begann. Erstmals werden Arbeiten dieses momentan in Entstehung begriffenen Projekts in der Schirn Kunsthalle Frankfurt im Rahmen einer Überblicksausstellung des OEuvres des US-amerikanischen Fotografen Philip-Lorca diCorcia (*1951) präsentiert. Die Ausstellung ist noch bis zum 13. September 2013 zu sehen.

Wenn Sie sich ausführlicher über Philip-Lorca diCorcia informieren wollen, finden sie mehrere Beiträge im Schirn-Magazin sowie Besprechnungen von z.B. Damian Zimmermann im Standard oder Karin Schulze im Spiegel.

 

Ausstellung, Fotografie
16. Juli 2013 - 8:50

Manche Blogbeiträge gelingen besser als andere, manche mag ich auch nach langer Zeit noch sehr gerne. So ein Beitrag ist der über Martin Usbornes "The Silence of Dogs in Cars". Er gehörte am Beginn des Blogs zu meinen ersten "Entdeckungen". Kürzlich hat mir eine Leserin, S. aus Bremen (ich glaube sie hat etwas mit Eichkätzchen zu tun), vorgeschlagen, seine Serie "Nice to Meet You" zu zeigen. Nun, das tue ich gerne.

 

Nice to meet you - You look great © Martin Usborne

Nice to meet you - I agree © Martin Usborne

Nice to meet you - I also work at the bank © Martin Usborne

Nice to meet you - It's OK © Martin Usborne

Nice to meet you - Well done © Martin Usborne

Nice to meet you - I'm fine © Martin Usborne

Nice to meet you - Nice to meet you © Martin Usborne

Nice to meet you - I love you © Martin Usborne

Nice to meet you - It was a long time ago © Martin Usborne

 

In dieser Serie hat Martin Usborne jeden Hund durch ein besonderes Material verborgen fotografiert: eine nasse Glasscheibe, Rauch, ein Tuch, getrocknete Blumen. Er hat Hunde gewählt, die vernachlässigt oder aggressiv sind. Ergänzt hat er die Hundefotos um Phrasen, die das verbergen. Obwohl Hunde zu den Lebewesen gehören, die auch ohne Worte ihre Befindlichkeiten kommunizieren können, verstehen viele Menschen deren Äußerungen nicht oder machen sich nicht die Mühe sie zu verstehen. Auch davon handeln seine Fotos: von der Sprachlosigkeit der Tiere, von ihren verborgenen Schmerzen und stillen Bedürfnissen, die für viele Menschen nicht offensichtlich sind.

Mir gefällt die Serie "The Silence of Dogs in Cars" besonders gut, weil die Abgeschiedenheit und Verlassenheit der Hunde durch ihr Weggesperrtsein im Auto mit seinen geschlossenen Fensterscheiben durch die Fotografien kongruent zum Ausdruck gebracht wird. "Nice to Meet You" hat für mich allerdings eine formale Künstlichkeit, die den Blick verstellt - nicht nur auf die Hunde, sondern auch auf die Aussage. Dazu kommt, dass in vielen Blogs nur die Fotografien, ohne ergänzenden Text präsentiert werden, was das Erkennen des dahinterliegenden Konzepts erschwert. Doch dafür kann Martin Usborne natürlich nichts.

 

In einem Interview auf Four & Sons beschreibt Usborne das Verhältnis des Menschen zum Tier als eine der größten Tragödien unserer Zeit, weil wir sie dominieren, kontrollieren, missbrauchen:

 

Our relationship is amazingly screwed up, and it’s one of the greatest tragedies of our time. The way we dominate, control, silence and abuse animals is utterly horrendous. It’s why I’m spending a year to help animals—a sort of apology for all the years of inaction on my half towards helping other creatures.

Als "failed animal lover" hat Usborne ein Projekt begonnen, das über das bloße Fotografieren hinausgeht. A Year to Help: Ein Jahr lang will er so viele Tiere retten wie möglich: Haustiere, "Nutztiere", Fische, Vögel. Auf seinem Blog finden Sie auch sein Manifest. Unter Punkt 6 schreibt er: Ich muss aufhören Schinken zu essen. Das klingt im ersten Moment witzig, zeigt aber den Widerspruch auf, mit dem viele Tierfreunde und Tierschützer leben. In seinen Worten:

I’m a failed animal lover. Oh, I love animals so much! But I also love to eat them! Hang on…something don’t add up. I thought I had better straighten out my soul. No point just taking pictures; better try to do something positive. I have no idea if I have really helped but I feel myself sliding uncontrollably towards veganism, which is a fairly scary prospect for my fridge.

Ich wüsche ihm und den Tieren von ganzem Herzen viel Erfolg bei seinem Projekt und seinem Weg zum Veganismus.

 

LeserInnen empfehlen, Fotografie
13. Juli 2013 - 20:40

Die 1966 in Graz geborene Künstlerin Gabi Trinkaus hat zur Zeit in der Wiener Galerie Georg Kargl ihre dritte Einzelausstellung. Seit über einem Jahrzehnt beschäftigt sich die Künstlerin mit der Collage, wobei sie sowohl Hochglanzmagazine als auch Werbeprospekte zerschneidet und sie zu Porträts und Stadtlandschaften zusammensetzt, die auf die Ästhetik der Werbung und Medien Bezug nehmen. Neuerdings wendet Gabi Trinkaus die Methode der Collage auch auf dreidimensionale Objekte - mit dem Ergebnis Hund - an. Grund genug für einen Galeriebesuch!

 

Ausstellungsansicht Galerie Georg Kargl; Foto © Galerie Kargl
Ausstellungsansicht Galerie Georg Kargl, oben Gabi Trinkaus, close up, 2013; Foto © Galerie Kargl

 

Teure Designerhandtaschen, Statussymbole einer von Modekonzernen beeinflussten Konsumgesellschaft werden zerstört, in ihre Einzelteile zerlegt und formen den Körper von Lederhunden, die von Reissverschlüssen, Ketten und Nieten überzogen, die Anmutung von Fetischspielzeugen bekommen. Tierisches Leder wird verwendet, um eine von Narben und Nähten überzogenen Haut von Hunden zu konstruieren. (Pressetext Galerie Kargl)

 

 

Hundeobjekte von Gabi Trinkaus, Foto © Petra Hartl

 

Hund von Gabi Trinkaus, Foto © Petra Hartl

 

Hund von Gabi Trinkaus, Foto © Petra Hartl

 

Hund von Gabi Trinkaus, Foto © Petra Hartl

 

Toll, wie der Taschenhenkel der It-Bag zum Hundeschwanz wird!

 

Wenn Sie meinen Blog schon länger verfolgen, ist Ihnen vielleicht eine formale Ähnlichkeit zur Arbeit von Hörner/Antifinger aufgefallen, die aus einer zerschnittenen Ledercouch ein Kalb gestaltet hatten. Während diese Arbeit einen tierrechtlichen Hintergrund hatte - das gestohlene Leder zumindest symbolisch dem Tier zurüchzugeben -, ist Gabi Trinkaus' inhaltlicher Ansatz ein anderer:

Das sei ihre Antwort auf die It-Bag, die als ständiger, treuer und insbesondere pflegeleichter Begleiter den Hund abgelöst hat. Entsprechend der Redewendung "Das Unbewusste ist ein Hund" sind ihre neuen Kreaturen für Trinkaus so etwas wie das Unbewusste der westlichen Konsumgesellschaft. (zit. n. Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 11.7.2013)

 

Schade, dass ich diese Beobachtung nicht teilen kann, befindet sich doch der Hund, Paris Hilton sei Dank, nun in der It-Bag.

 

Gabi Trinkaus, Save the Bank noch bis zum 14. August 2013 in der Galerie Kargl, Schleifmühlgasse 5, A-1040 Wien. Di – Fr 11.00 – 19.00 Uhr, Sa 11.00 – 16.00 Uhr

 

 

Ausstellung, Collage, Skulptur
8. Juli 2013 - 18:32

Jeder Beatles-Fan kennt Linda McCartney als Ehefrau von Paul McCartney. VegetarierInnen kennen sie vielleicht auch als Autorin zahlreicher vegatarischer Kochbücher, ihre ersten beiden Kochbücher "Linda McCartney’s Home Cooking" und "Linda’s Kitchen" wurden internationale Bestseller.

In erster Linie war sie aber Fotografin. Nachdem sie 1960 ihren Abschluss an der Scarsdale High School in Westchester County/New York gemacht und ein Studium der Kunstgeschichte an der Universität von Arizona absolviert hatte, begann sie Mitte der 1960er-Jahre professionell zu fotografieren; ihr künstlerisches Werk umfasst nahezu dreieinhalb Jahrzehnte bis zu ihrem Tod 1998.

Ihr Engagement für Tierrechte und ihr Eintreten für Vegetarismus fand auch Eingang in ihre Fotografie: Fotos über den Fleischkonsum der Menschen und über grausame Bedingungen der Tierhaltung entstanden. Ihre dokumentarische Fotografie bezieht entschlossen Stellung und bemüht sich dennoch um eine Balance: nicht nur Grauen und Abgründe zu zeigen, sondern auch Menschlichkeit und Schönheit in ihren vielen Erscheinungsformen. Zwei dieser schönen Erscheinungsformen sehen Sie unten: Martha und Paul.

 

Paul and Martha, London ©1968 Paul McCartney, Photographer Linda McCartney
Paul und Martha, London © 1968 Paul McCartney / Fotografin: Linda McCartney

 

In der weltweit ersten umfassenden Retrospektive würdigt das Kunsthaus Wien das Lebenswerk von Linda McCartney. Die Ausstellung zeigt 190 ihrer ikonischen Porträts des Rock and Roll der 1960er-Jahre, ihres Familienlebens und der Natur.

Die Ausstellung ist noch bis zum 6. Oktober 2013, täglich von 10 bis 19 Uhr, im KUNST HAUS WIEN zu sehen.
 

2. Juli 2013 - 14:41

Dieser Blogbeitrag ist, glaube ich, ein wahres Gustostückerl! Schon an der Anzahl der Abbildungen erkennen Sie, dass ich mich bei der Bildauswahl schier nicht entscheiden konnte. Die vorgestellte Künstlerin Louise Hearman gehört in Australien zu den bekanntesten zeitgenössischen Malerinnen und war mir bis vor ein paar Tagen gänzlich unbekannt. Ich vermute und hoffe, es geht Ihnen nicht anders. Ihre Bilder sind alle ohne Titel und chronologisch durchnummeriert. Man merkt nicht nur wie produktiv die Künstlerin ist, sondern auch, dass sie uns bei Assoziationen und Bedeutungsgenerierung nicht einschränken will. Und Interpretationsspielraum gibt es hier ohne Ende!

 

Louise Hearman, Untitled # 895, 2002
Louise Hearman, Untitled # 895, 2002, Courtesy of the artist and Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

 

Landschaften in der Dämmerung oder in der Nacht: Das Phantastische, Dunkle, Unheimliche bricht in Gestalt der Hundeköpfe, die aus den Wäldern blicken, sich ins Blickfeld schieben oder aus den Häusern ins Freie drängen, in die heile Welt ein. Ganz plötzlich verwandelt sich eine stimmungsvolle Landschaft in eine Kulisse für surreale Phänomene. Sind es Sinnestäuschungen? Unerklärliche Erscheinungen?

 

 

Louise Hearman, Untitled # 895, 2002
Louise Hearman, Untitled # 895, 2002, Courtesy of the artist and Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

Louise Hearman, Untitled # 1002, 2003
Louise Hearman, Untitled # 1002, 2003, Courtesy of the artist and Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

Louise Hearman, Untitled # 736, 1999
Louise Hearman, Untitled # 736, 1999, Courtesy of the artist and Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

Louise Hearman, Untitled # 985, 2002
Louise Hearman, Untitled # 985, 2002, Courtesy of the artist and Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

Louise Hearman, Untitled # 938, 2002
Louise Hearman, Untitled # 938, 2002, Courtesy of the artist and Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

 

Louise Hearman ist keine Hundemalerin, Hunde machen nur einen kleinen Bereich ihrer Arbeit aus. Es finden sich ähnliche Werke auch mit Katzen, Vögeln und Kindern. Die Australierin hat thematisch ein breit aufgestelltes Werk: Sie malt schwebende Tier- ebenso wie Mädchenrköpfe oder ominöse Planeten; durch Tunnel und zentralperspektivische, menschenleere Straßen weden wir in eine fremde Welt gezogen; Flugzeuge durchschneiden die Bilder; monumentale Zähne oder pflanzliche Elemente werden in Szene gesetzt. Sie malt auch ungegenständlich, abstrakt-expressiv. Schauen Sie sich dazu unbedingt ihre anderen Werke auf der Homepage der roslyn oxley9 gallery an.

 

Auch die Hundeporträts sind verstörend, ist # 1020 blind, und was sieht # 1151, sodass er irritiert und leicht bedrohlich die Ohren zurücklegt?

 

Louise Hearman, Untitled # 1020, 2002
Louise Hearman, Untitled # 1020, 2002, Courtesy of the artist and Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

Louise Hearman, Untitled # 1151, 2004
Louise Hearman, Untitled # 1151, 2004, Courtesy of the artist and Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

 

Das Bedrohliche ist nicht in der Großstadt, es lauert im Dickicht der Wälder, kündigt sich durch außergewöhnliche Wetter- und Himmelserscheinungen, durch meteorologische Störungen an: Fragen der Wahrnehmung, der spektralen Phänomene werden malerisch verhandelt.

 

 

Louise Hearman, Untitled # 820, 2001
Louise Hearman, Untitled # 820, 2001, Courtesy of the artist and Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

Louise Hearman, Untitled # 897, 2002
Louise Hearman, Untitled # 897, 2002, Courtesy of the artist and Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

 

Ihr Einsatz des Lichtes erzeugt gemeinsam mit realistischen Figuration Unruhe und Spannung, Gebanntheit und Verzauberung beim Betrachter. Der Kopf eines Chihuahua, in der Mitte einer Blume platziert, wird zum bedrohlichen, übernatürlichen Wesen.

 

 

Louise Hearman, Untitled # 1060, 2005
Louise Hearman, Untitled # 1060, 2005, Courtesy of the artist and Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

 

Hearmans Darstellung des Lichts ist ein bestimmendes Merkmal ihrer Kunst. Das intensive weiße Licht evoziert eine subtil unheimliche Atmosphäre. Das kalte Licht scheint wie eine unabhängige Lichtquelle aus den Figuren zu kommen.

 

Louise Hearman, Untitled # 1158, 2004
Louise Hearman, Untitled # 1158, 2004, Courtesy of the artist and Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

 

In "Untitled # 898"  schwebt ein Rassehundekopf knapp über dem gepflegten Rasen, eine alltägliche Situation, würde nicht der Hundekörper fehlen. Der Kopf wirft nicht nur einen Schahtten auf den Rasen, sondern das Bild einen Schatten auf zukünftige Ereignisse und Unvorhersehbarkeiten. Hearmans außergewöhnliche Sicht auf Alltagsgegenstände und Lebewesen provoziert ein Gefühl des Unbehagens.

 

John McDonald vergleicht Louise Hearmans bildnerisches Werk mit den Filmen von David Lynch (zit.n.Tolarno Galleries):

 

When an artist concentrates so strongly on elements of reality, they become hyper-real. This is the method used by a filmmakers such as David Lynch. In Blue Velvet, he turns an ordinary American town into a scene of Gothic menace, focusing on the amplified crunching of insects in suburban lawns or a severed ear lying in the grass. Hearmans paintings can be very Lynch-like in the way she depicts unassuming locations such as a park, a pond, a street or the side of a road, and then introduces a disturbing element.

 

Erinnern Sie sich noch an "Blue Velvet" und das abgeschnittene Ohr, das am Beginn im Gras gefunden wurde? John McDonalds Vergleich passt sehr gut, wie ich finde.

 

 

Louise Hearman, Untitled # 898, 2002
Louise Hearman, Untitled # 898, 2002, Courtesy of the artist and Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

Louise Hearman, Untitled # 1011, 2003
Louise Hearman, Untitled # 1011, 2003, Courtesy of the artist and Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

Louise Hearman, Untitled # 999, 2003
Louise Hearman, Untitled # 999, 2003, Courtesy of the artist and Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

Louise Hearman, Untitled # 1035, 2003
Louise Hearman, Untitled # 1035, 2003, Courtesy of the artist and Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

Louise Hearman, Untitled # 1126, 2005
Louise Hearman, Untitled # 1126, 2005, Courtesy of the artist and Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

Louise Hearman, Untitled # 1083, 2005
Louise Hearman, Untitled # 1083, 2005, Courtesy of the artist and Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

Louise Hearman, Untitled # 1143, 2005
Louise Hearman, Untitled # 1143, 2005, Courtesy of the artist and Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

Louise Hearman, Untitled # 1144, 2005
Louise Hearman, Untitled # 1144, 2005, Courtesy of the artist and Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

Louise Hearman, Untitled # 1148, 2005
Louise Hearman, Untitled # 1148, 2005, Courtesy of the artist and Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

Louise Hearman, Untitled # 1153, 2005
Louise Hearman, Untitled # 1153, 2005, Courtesy of the artist and Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

Louise Hearman, Untitled # 1157, 2005
Louise Hearman, Untitled # 1157, 2005, Courtesy of the artist and Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

Louise Hearman, Untitled # 1159, 2005
Louise Hearman, Untitled # 1159, 2005, Courtesy of the artist and Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

Louise Hearman, Untitled # 1298, 2009
Louise Hearman, Untitled # 1298, 2009, Courtesy of the artist and Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

Louise Hearman, Untitled # 1312, 2009
Louise Hearman, Untitled # 1312, 2009, Courtesy of the artist and Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

Louise Hearman, Untitled # 930, 2002
Louise Hearman, Untitled # 930, 2002, Courtesy of the artist and Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

Louise Hearman, Untitled # 925, 2002
Louise Hearman, Untitled # 925, 2002, Courtesy of the artist and Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

 

Auch Hearmans Pastelle sind einfach großartig! Unten ein "Berg von einem Hund"!

 

Louise Hearman, Untitled # 961, 2003
Louise Hearman, Untitled # 961, 2003, Courtesy of the artist and Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

Louise Hearman, Untitled # 969, 2002
Louise Hearman, Untitled # 969, 2002, Courtesy of the artist and Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

Louise Heraman, Untitled # 949, 2002
Louise Heraman, Untitled # 949, 2002, Courtesy of the artist and Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

 

Wieso sieht der Spaniel aus, als hätte man mit dem Nachtsichtgerät ein scheues bislang unentdecktes Wesen aufgespürt?

 

Louise Hearman (geboren 1963) studierte am Victorian College of the Arts in Melbourne und stellt seit 1987 aus. Ihr Werk findet sich in öffentlichen und privaten Sammlungen in Australien und Übersee. Sie wird von der Roslyn Oxley9 Gallery in Sydney und der Tolarno Galleries in Melbourne verteten.

 

 

Malerei, Zeichnung