Januar 2023

24. Januar 2023 - 12:22

Endlich habe ich wieder einen Künstler entdeckt, der sich in seiner Arbeit hauptsächlich mit Hunden beschäftigt. Der italienische Künstler Velasco Vitali zeichnet Hunde und stellt Skulpturen her, die er auch abseits der Galerien in Gebäuden mit für ihn besonderer Bedeutung ausstellt. Das Material für seine Skulpturen stammt von verwaisten Baustellen.

Hier ein paar Beispiele seiner Zeichnungen.

 

Cane, 2009 © Velasco Vitali

Cane, 2007 © Velasco Vitali

Cane, 2007 © Velasco Vitali

Cane, 2009 © Velasco Vitali

Kitezh, 2010 © Velasco Vitali

Kitezh 2010  © Velasca Vitali

 

Velasco Vitalis Zeichnungen dienen ihm als Ausgangspunkt für die Skulpturen. Er fertigt aus dem Gedächtnis Skizzen an, wobei er die Maße und die Haltung des Hundes bestimmt. Dann führt er die Skulptur aus, indem er zunächst eine Armierung konstruiert, die dann mit Blech, Zement oder Teer überzogen wird. Die Bronze wird mit dem Wachsausschmelzverfahren hergestellt und am Ende mit einer Säureätzung gefärbt.

Der Künstler "missbraucht" die Baumaterialien Zement, Teer, Blech, Blei etc., die seine Phantasie, Inspiration und Experimentierfreudigkeit anregen, für künstlerischen Zwecke.

 

Al Bara, 2010 © Velasco Vitali

Serjilla, 2010 © Velasco Vitali

Bechyovinka, 2008 © Velasco Vitali, Foto Oliviero Toscani

 

Velasco Vitali verzichtet auf eine realistische Darstellung der Tiere, vielmehr inszeniert er sie in einer faszinierenden und befremdlichen Weise. Vitalis Hundeskulpturen sind fast immer lebensgroß. Durch Verformungen und fast pathetische oder verblüffende Körperhaltungen drücken die Hunde eine Spannung und ein seltsames Gefühl von plastischer Einsamkeit aus. Diese Einsamkeit bleibt auch dann bestehen, wenn der Künstler ein ganzes Rudel auf engem Raum versammelt.

 

Torre, 2007 © Velasco Vitali

Torre, 2005 © Velasco Vitali

Torre, 2008 © Velasco Vitali

 

Schlank und mit großen hängenden Ohren ähneln seine Hunde den italienischen Bracken, wenngleich er von streunenden und freilaufenden Hunden inspiriert ist. Die Hunde kauern, stehen, liegen, drehen sich auf eine Seite, schauen nach unten oder oben. Sie gehen unsicher mit angewinkelten Beinen und gestreckter oder eingeklappter Rute. Nie sind seine Hunde in Bewegung oder aggressiv dargestellt, sondern eher resigniert, taumelnd, fassungslos und desorientiert.

 

Arco, 2010 © Velasco Vitali

 

Die Haltungen auf Schemeln, Stahlgerüsten und fragilen Türmen scheinen unpassend und gezwungen, symbolisieren Instabilität, Zerbrechlichkeit und Unsicherheit, als ob sie die Unzulänglichkeit der Tiere in dieser Gesellschaft, die im Grunde auch die von uns Menschen ist, zum Ausdruck bringen sollen. "Ich glaube, dass der Zustand von Hunden dem unseren sehr ähnlich ist, wenn wir überhaupt vorgeben, besser zu sein", kommentiert Velasco.

 

Hawks Nest, 2013 © Velasco Vitali

Mologa, 2010 © Velasco Vitali, Foto Oliviero Toscani

Angkor, 2010 © Velasco Vitali, Foto Oliviero Toscani

San Zhi, 2010 © Velasco Vitali, Foto Oliviero Toscani

Mohenjo-Daro, 2010 © Velasco Vitali, Foto Oliviero Toscani

Galeria, 2005 © Velasco Vitali, Foto Oliviero Toscani

Pripjat, 2008 © Velasco Vitali, Foto Oliviero Toscani

 

Neun bronzene und eiserne Hunde aus dem aus über 50 Skulpturen bestehenden Rudel "Branco" waren 2022 in der Galleria Doris Ghetta zu sehen.

 

Ausstellungsansicht Galerie Doris Ghetta, Foto Galerie Doris Ghetta

Kalydon, 2015 © Velasco Vitali, Foto Galerie Doris Ghetta

Vertigine, 2022 © Velasco Vitali, Foto Galerie Doris Ghetta

 

"Branco" (ab 2005) ist eine Installation, die sich auf die Gruppen streunender Hunde bezieht, die in den Städten des Mittelmeerraums unter prekären und improvisierten Bedingungen leben. Sie untersucht die  Anpassungsfähigkeit an Orte und das Überlebensgleichgewicht innerhalb der Gruppe. Für den Künstler ist jeder Hund das Ergebnis einer Mischung aus verschiedenen Rassen, von denen jede ihre Fähigkeit unterstreicht, dank des Rudels an jedem Ort und zu jeder Zeit zu überleben.

 

Branco, 2009 © Velasco Vitali, Foto Oliviero Toscani

Branco, 2005-2010 © Velasco Vitali, Foto Oliviero Toscani

 

Das Rudel ist für Vitali  eine Metapher für eine Zivilisation: Jedem dieser Streuner hat er den Namen einer von über 400 über den Planeten verstreuten Geisterstädte, aufgegebenen Orten gegeben.

Jeder dieser Namen zeugt von der Parabel des Wachstums und des Niedergangs eines Ortes: Africo, Agdam, Agyra, Al Bara, Alta, Amendolea, Anadyrsk, Ani, Animas Forks, Antelope, Antuni, Apice, Arena, Arltunga, Armero, Asang, Ashio, Ashopton, Avi, Ayuttaya ...

Es sind verlassene urbane Landschaften, in denen Velasco die Bedeutung von Prekarität untersucht. An diesen Orten finden sich Rudel wilder Hunde zusammen, die durch die Landschaft und verlassene Gebiete ziehen und eine verlorene Form der Sozialität wiederherzustellen.

Da Velasco Vitali sein Hunderudel Branco als mobile skulpturale Gruppe versteht, kann die Aufstellung der Skulpturen mit ihren Posen, Gesten und Blicken immer neu kombiniert werden.

Er hat seine Installation Branco an zahlreichen geschichtsträchtigen Orten ausgestellt. Auf seiner Homepage findet sich ein reich bebilderter Überblick. Ich greife nur zwei Beispiele der letzten Jahre heraus.

Monument to Resistance (2020) ist ein Projekt, das auf zwei Ausstellungsorte aufgeteilt ist: den Mart Sculpture Garden und das Castel Ivano. Auch hier ist der Ausgangspunkt für die Entstehung der Serie die Beobachtung der nicht genehmigten Bauten und unvollendeten Projekte in Italien: bedrohlich, neugierig, schweigsam. Die Herden übertragen die Debatte über die Zerbrechlichkeit der Landschaft und ihren Schutz auf eine sehr menschliche Ebene. Der im Titel erwähnte Widerstand scheint also eine Form der Anpassung zu sein, die das Publikum einlädt, seine Beziehung zur Natur mit Empathie zu betrachten.  (vgl. Velasco Vitali)

 

Branco © Vescalo Vitali, Monumento alla resistenza, Castel Ivano

 

2021 belebt sein Rudel den Kreuzgang des Polizeipräsidiums und das Ucciardone-Gefängnis, Spazi Capaci - Comunità Capaci, in Palermo (vgl. Velasco Vitali hier und hier)

 

Branco, 2021 © Velasco Vitali, Spazi Capaci, Palermo, Foto Santi Caleca

Branco, 2021 © Velasco Vitali, Spazi Capaci, Palermo

 

Wie Velascos "Kreaturen" entstehen, kann man im Dokumentarfilm "Il gesto delle mani“ ("Scultura – Hand. Werk. Kunst") Italien, 2015, des Regisseurs und Kunstwissenschaftlers Francesco Clerici sehen. Der Film verfolgt den Entstehungsprozess einer Skulptur von Velasco Vitali von Wachs zu emaillierter Bronze in der Fonderia Artistica Battaglia in Mailand. (vgl. taz)

Gleicht die Werkstatt, in der Velasco Vitali an der Vorlage zu einer seiner überzeugenden Hundeskulpturen arbeitet, noch einem Atelier, so folgt der Film der Skulptur entlang der Arbeitsschritte in immer archaischer anmutende Räume. Die Erstellung der Gussform, das eigentliche Gießen, die Polierarbeiten an der fertigen Bronze – all das vollzieht sich heute noch in den gleichen Abläufen wie vor 2500 Jahren.

 

Atelier von Velasco Vitali

Atelieransicht von hier

Velasco Vitali (*1960 in Bellano/Italien, 1960) lebt und arbeitet in Mailand. Er begann seine Tätigkeit als Autodidakt in den späten 1970er Jahren und arbeitete mit Grafik, Zeichnung und Malerei. Er hat seine Arbeiten auf der Biennale von Venedig (2011) und auf der Biennale Gherdëina (2014) ausgestellt.

 

Alle Bilder © Velasco Vitali

 

Installation, Skulptur, Zeichnung
11. Januar 2023 - 10:17

Yellow Ear, 2020 © Jessica Alazraki

 

Die mexikanische Künstlerin Jessica Alazraki beschäftigt sich mit zwei Werkserien, die nicht nur inhaltlich, sondern auch formal ganz unterschiedlich sind.

Einerseits malt sie Hundeporträts, andererseits Familienporträts.

Die Hundebilder bestechen durch ihren kräftigen, pastosen Farbauftrag und ihre nahezu reliefartige Textur, die die expressive und dramatische Anmutung verstärken. Wesentlich ist nicht die detailreiche Darstellung, um das Äußere einzufangen, sondern - unter Vernachlässigung der Anatomie - das Rohe und Kühne.

 

In my paintings, I recreate dogs without much description. I'm looking for something raw and bold to capture their essence. (zit. n. Artist Statement)

 

Ihre Absicht ist es, mit diesen Gemälden eine viszerale Reaktion hervorzurufen, um eine tiefe Verbindung zu Hundeliebhabern herzustellen.

 

My intention to create a visceral reaction with these paintings and to connect deeply with dog lovers. (zit. n. Artist Statement)

 

Impasto in Purple Square, 2020 © Jessica Alazraki

Dog in texture, 2020 © Jessica Alazraki

Puppy on Black, 2019 © Jessica Alazraki

Black background, 2019 © Jessica Alazraki

Dog resting, 2020 © Jessica Alazraki

Major 2, 2020 © Jessica Alazraki

 

Jessica lebt selbst mit einer Hündin, Luna, die es liebt, bei ihr im Atelier zu sein, um ihr aufmerksam oder schnarchend Gesellschaft zu leisten.

Mit dieser liebevollen Unterstützung entstehen farbenfrohe Familienporträts, in denen zumeist auch Hunde vorkommen. Die Porträtierten sind Immigranten aus Südamerika, die in ihrem häuslichen Alltag dargestellt sind. Die figurativen Porträts der in Mexiko-Stadt geborenen und in New York lebenden Künstlerin erzählen alltägliche Geschichten in kühner, hyperrealer Farbgebung. Oft stehen Tische im Mittelpunkt, an denen die Familie zusammensitzt und Mahlzeiten, Spiele und alltägliche Momente teilt. Sie sind das integrierende Element der bewegten Kompositionen.

 

Bending Down, 2021 © Jessica Alazraki

Goofing Around on Pink Lace, 2021 © Jessica Alazraki

Kids in Playroom, 2022 © Jessica Alazraki

 

Bei ihrer Darstellung ist die Künstlerin vom mexikanischen Kunsthandwerk mit seinen hellen, leuchtenden Farben und folkloristischen Elementen inspiriert. Sie integriert traditionelle mexikanische Tischtücher und Textilien mit dekorativen Mustern in ihre Komposition.

 

Sisters, 2022 © Jessica Alazraki

Picnic with Bike, 2022 © Jessica Alazraki

Holding Cat, 2021 © Jessica Alazraki

Yellow Backpack in Blue, 2021 © Jessica Alazraki

 

Jessica Alazraki beginnt ihre Bilder in der Regel mit einer inspirierenden fotografischen Referenz, die sie zu einer visuellen Collage ergänzt. Licht, Anatomie und Perspektive werden verzerrt, realistische, naive und primitive Elemente werden ausbalanciert. Der einzigartige Charakter der Bilder wird auch durch die Fülle an Mustern und gemalten Texturen erzeugt, die mit flachen, monochromen Hintergründen kombiniert werden. Nicht Sinn und Erzählung, sondern die Komposition und die Erforschung der Räume zwischen amerikanischer und mexikanischer Kultur stehen dabei im Vordergrund.

 

Brushing Hair in Pink, 2021 © Jessica Alazraki

 

Jessica Alazraki (*1972 in Mexico City/Mexiko) lebt und arbeitet seit 1998 in New York/USA. Ihre Werke sind durch ihre Erfahrungen als Einwanderin und ihrer Beziehung zur Latino-Kultur motiviert. Ihre nostalgischen Gefühle und Rückkehr zu den Wurzeln brachten sie dazu, sich eine visuelle Sprache, die sich auf Mexiko und Lateinamerika bezieht, anzueignen.

 

alle Bilder © Jessica Alazraki

 

Malerei
4. Januar 2023 - 10:30

Dominika Bednarsky wählt Motive aus der Natur und verfremdet sie auf humorvolle Weise. Ihre Installationen und Arrangements aus glasierter Keramik sind eigenwillig und barock-opulent. Sie erforscht die ambivalente Beziehung zwischen Tier und Mensch, indem sie Körperteile, Lebewesen und Pflanzen zu neuen Figurationen verschränkt.

Unten drei Beispiele ihrer kuriosen, detailreichen und handwerklich meisterhaft gearbeiteten Skulpturen.

 

Vögel, 2020 © Dominika Bednarsky, Foto Jakob Otter

Oktopus, 2020 © Dominika Bednarsky, Foto Jakob Otter

Affe und Hase, 2020 © Dominika Bednarsky

 

Zum chinesischen Jahr des Hundes entstanden 2018 ihre Hundekeramiken, die weitaus realistischer sind.

 

Chinese Year of the Dog, 2018 © Dominika Bednarsky, Foto Jakob Otter

Chinese Year of the Dog, 2018 © Dominika Bednarsky, Foto Jakob Otter

Chinese Year of the Dog, 2018 © Dominika Bednarsky, Foto Jakob Otter

Chinese Year of the Dog, 2018 © Dominika Bednarsky

Chinese Year of the Dog, 2018 © Dominika Bednarsky, Foto Wolfgang Günzel

Chinese Year of the Dog, 2018 © Dominika Bednarsky

Chinese Year of the Dog, 2018 © Dominika Bednarsky, Foto Wolfgang Günzel

Chinese Year of the Dog, 2018 © Dominika Bednarsky

Chinese Year of the Dog, 2018 © Dominika Bednarsky, Foto Jakob Otter

 

Die Installationsansichten sind von der Ausstellung DOCH! in der  Galerie Anita Beckers in Frankfurt am Main.

Dominika Bednarsky (*1994 in Schweinfurt/D)  studiert an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main Malerei bei Heiner Blum und Mike Bouchet.

Homepage der Künstlerin

 

Skulptur