Ballen, Roger

19. Februar 2013 - 19:30

Heute eine kurze Aktualisierung zu zwei Künstlern, die in diesem Blog schon vorgestellt wurden: Saul Leiter, ein Pionier der Farbfotografie und Roger Ballen, ein Meister der klassischen Schwarzweißfotografie.

Die Retrospektive Saul Leiter, die in Kooperation mit den Hamburger Deichtorhallen entstand, ist bis 26. Mai 2013 im Kunsthaus Wien zu sehen.

 

Taxi, 1957 © Saul Leiter
Taxi, 1957 © Saul Leiter

 

Im Westlicht - Schauplatz für Fotografie -  findet die Retrospektive Roger Ballen statt. Die Ausstellung wird am Donnerstag, 21. Februar 2013, um 19 Uhr in Anwesenheit des Künstlers eröffnet. Am 22. Februar 2013 um 18 Uhr spricht Roger Ballen über seine Arbeit.

 

Twirling wires, 2001 © Roger Ballen
Twirling wires, 2001 © Roger Ballen

 

Ausstellung, Fotografie
11. Juni 2012 - 10:03

Roger Ballen, Boarding House, Caomouflaged, 2007

 

Diese eigenartig anmutende Fotografie stammt aus der Serie "Boarding House" des amerikanischen Fotografen Roger Ballen. Das Tier in der Nische ist vermutlich ein Schaf und kein Pudel. Trotzdem wollte ich es an den Anfang stellen, gibt es doch schon einen klitzekleinen, vergleichsweise harmlosen Einblick in das verstörende Werk Roger Ballens, der seit über 40 Jahren fotografiert. Um Ihnen einen kurzen Abriss in sein umfassendes Werk geben zu können, möchte ich die Fotografien (mit Hund) chronologisch anordnen: Sieht man so am besten, wie sich Roger Ballen vom dokumentarischen Zugang der Darstellung der verarmten südafrikanischen Weißen zum surrealen Inszenator seelischer Zustände, zum Schöpfer hermetischer ästhetischer Welten entwickelt.

Ballen wurde 1950 in New York geboren, kam durch seine Mutter, die in der New Yorker Magnum-Dependance arbeiete, sehr früh mit der Fotografie in Kontakt. Er studierte allerdings vorerst Psychologie und Geologie. Nach langen Weltreisen blieb er als Geologe in Südafrika, er suchte beruflich nach Mineralvorkommen und kam auch in ganz abgelegene ländliche Gegenden Südafrikas. Erstmals Aufsehen erregte er in den 80er Jahren mit seiner Fotoserie "Dorps. Small towns of South Africa" und nach dem Zusammenbruch des Apartheid-Regimes mit "Platteland: Images of a Rural South Africa" (1994). Er fotografierte die weiße Bevölkerung, Nachfahren der Buren, arm und deklassiert, eine Randerscheinung, und griff damit ein gerne vernachlässigtes Thema auf. Die einstigen Machthaber der Apartheid-Ära fühlten sich in ihrer vermeintlich weißen Überlegenheit verunglimpft. Ihm wurde ebenfalls Ausbeutung und Sozialvoyeurismus, das Fotografieren einer Freak-Show vorgeworfen; in Susan Sontag fand er allerdings eine prominente Fürsprecherin. "Platteland" war für sie "the most important sequence of portraits I've seen in years" (zitiert nach Lens Culture)

 

Roger Ballen, Platteland, Mrs. J.J. Joubert and Dog Dinky in Bedroom, Central Ca

Roger Ballen, Pllatteland, Pensioner With Dog, 1991

Roger Ballen, Platteland, Wife of Abbatoir Worker, Holding Three Puppies, Orange

Roger Ballen, Platteland, Woman and Dogs, Orange Free State, 1994

Robert Ballen, Outland, Woman, Man and Dog, 1995

 

Schon mit "Outland" (2001) verlieren seine Bilder den bis dahin vorherrschenden dokumentarischen Charakter. Sowohl sein Erfolg als auch ein gänzlich geänderter Markt für Fotografie ließ ihn einen mehr künstlerischen Weg einschlagen, er wurde ein "artist-photographer". Ab hier weicht die reportageartige Menschendarstellung zugusten einer mehr mystischen, metaphorischen, surrealen Anordnung zurück. Aus klaustrophobischen Innenräumen werden immer mehr die menschlichen "Innenräume" - die Psyche und ihre Abgründe.

 

Robert Ballen, Outland, Scrap Collector Holding Globe, 1998

Robert Ballen, Outland, Puppy Between Feet, 1999

Robert Ballen, Outland, Living Room Scene, 1999

 

2005 erschent seine Serie "Shadow Chamber" als Buch: Zeichnungen, Kritzeleien, ein Art-Brut-Stil nimmt zu, der Mensch erscheint nur mehr fragmentarisch. Der Hund ist hier nicht mehr nur Haustier, sondern Teil einer um Kabel und Drähte, Masken, verschlissene Stoftiere und andere Requisiten erweiterten Inszenierung. Gesteigert wird diese abgeschlossene ästhetische Welt 2009 in "Boarding House". Nicht nur der Mensch, auch das Tier wir immer mehr an den Rand gedrängt und unwichtig - was bleibt sind rätselhafte, verwirrende, bedrohliche, verhängnisvolle Fotografien. Sorge macht sich beim Betrachten breit: Ich möchte nicht in der Haut dieser Hunde stecken. Nur wenig Erleichterung bringt das Wissen um die Inszenierung und Komposition der Aufnahmen.

 

Roger Ballen, Shadow Chamber, Puppies In Fishtanks, 2000

Roger Ballen, Shadow Chamber, Hungry Dog, 2003

Roger Ballen, Boarding House, Dazed, 2006

Roger Ballen, Shadow Chamber, Oblivious, 2003

Roger Ballen, Boarding House, Appearances, 2003

Roger Ballen, Boarding House, Bewilderment, 2005

Roger Ballen, Boarding House, Enmeshed, 2006

Roger Ballen, Boarding House, Boarding house, 2008

Roger Ballen, Boarding House, Upseedaisy, 2008

 

Das "Boarding House" gibt es übrigens wirklich. Es ist ein altes Lagerhaus nahe Johannesburg, das Menschen und Tieren als Zufluchtsort dient. Gleichzeitig bezeichnet es auch den archaischen Teil der menschlichen Psyche, wie Roger Ballen in einem Interview meint. Er beantwortet auch, weshalb so viele Tiere in seinem Werk vorkommen: "Animals are more complex in some ways; you can’t put your finger on the animal, what he thinks or what he means. Even if you have a dog for 15 years, you can’t quite understand how dogs think."

Bis zum 2. September 2012 sind seine Fotografien im Musée d'Elysée in Lausanne zu sehen, bis zum 5. August 2012 im Martha Herford Museum.  Vom 6. bis 25. November 2012 werden Arbeiten in der Kunsthalle/ Wien, im project space ausgestellt sein.

Roger Ballen hat eine hervorragende Homepage, auf der Sie einen umfassenden Einblick in die Bildserien gewinnen können. Sie finden dort nicht nur Links zu Texten und Interviews, Sie können auch ganze Kataloge herunterladen.

Alle Fotos © Roger Ballen

 

Ausstellung, Fotografie