2. Dezember 2024 - 10:23

Anh Duong ist nicht nur eine Porträtistin der Reichen und Schönen (z.B. von Vincent Gallo, Susan Sarandon, Anjelica Huston), sie erforscht auch Fragen des Selbst und der Identität: Ihre Selbstbildnisse sind intim, auch in Hinblick auf ihren (nackten) Körper, weder eitel noch glamourös, eher realistisch und bekenntnishaft.

Das tägliche Malen an sich selbst ergibt ein visuelles Tagebuch: psychologisch intensiv und persönlich aufschlussreich.

 

“When I paint myself, I use a true mirror. So it’s a reflection of the reflection, so it’s actually the real me”  (Anh Duong zit. n. Galerie Gmurzynska)

„Wenn ich mich selbst male, benutze ich einen echten Spiegel. Es ist also eine Reflexion der Reflexion, also mein wahres Ich“ (übersetzt mit DeepL)

 

"A lot of unsafe places to be" von 2008 zeigt die Künstlerin mit einem Hund.

 

A lot of unsafe places to be , 2008 © Anh Duong

 

Vier Augen stehen im kompositorischen Zentrum und treffen den Blick des Betrachters. Mit großen, leeren Augen schauen Frau und Hund, wobei der Hund noch Traurigkeit und Schwermut in seinem Blick hat. Die Blicke beunruhigen und verwirren, verwickeln uns in ein voyeuristisches Spiel: Auch wir fühlen uns durchbohrt und entblößt, so nackt wie das Bild, das wir betrachten.

Duong beschreibt ihre Selbstporträts als biografisch und sehr persönlich:

 

"they’re a record, a narrative of a particular moment in my life, but the details of that narrative always remain hidden from the people who look at it". (zit n. GalleriesNow)

"sie sind eine Aufzeichnung, eine Erzählung eines bestimmten Moments in meinem Leben, aber die Details dieser Erzählung bleiben den Betrachtern immer verborgen". (übersetzt mit DeepL)

 

Bei diesem Doppelporträt gibt die Künstlerin allerdings die Erzählung, das Mysterium preis.

 

“This painting is about a relationship. How close can you be to someone else? How much distance do you need? I was very close to that dog—it was my ex husband’s—and I was trying to make a portrait of my relationship with him through the dog. It’s about our struggle to connect. I’m kind of a prude in life—I never did any naked shoots during my modeling career—but when I’m naked on the canvas I don’t feel like it’s me, so I’m not self conscious. Because I’m nude in the painting, suddenly it seems like the dog is also nude, although of course dogs always are. The painting creates nudity.“ (zit.n. Interview)

"In diesem Gemälde geht es um eine Beziehung. Wie nah kann man einem anderen Menschen sein? Wie viel Abstand braucht man? Ich stand diesem Hund sehr nahe - er gehörte meinem Ex-Mann - und ich habe versucht, durch den Hund ein Porträt meiner Beziehung zu ihm zu malen. Es geht um unseren Kampf um eine Beziehung. Ich bin im Leben ziemlich prüde - ich habe während meiner Modelkarriere nie nackt fotografiert - aber wenn ich nackt auf der Leinwand zu sehen bin, habe ich nicht das Gefühl, dass ich es bin, also bin ich mir meiner selbst nicht bewusst. Weil ich auf dem Bild nackt bin, scheint es plötzlich so, als sei der Hund auch nackt, obwohl Hunde das natürlich immer sind. Das Bild schafft Nacktheit." (übersetzt mit DeepL)

 

Die weißen Hautstellen, sonst vom Bikini bedeckt, und die eleganten Schuhe verstärken noch den Eindruck der Nacktheit. Sehr präzise ist die Beobachtung, dass sogar die Hündin nackt (und verletzlich) erscheint, da sie den Blick auf ihren Bauch und Becken freigibt. Die Beziehung der beiden erscheint innig und sich gegenseitig beschützend.

Anh Duong (*1960 in Bordeaux, Frankreich) ist die Tochter eines vietnamesischen Vaters und einer spanischen Mutter. Sie studierte Architektur an der École des Beaux-Arts in Paris und Tanz an der Franchetti Academy of Classical dance. 1988 zog sie von Paris nach New York, wo sie zu malen begann. Duongs reüssierte als Model, Schauspielerin und Muse. Sie inspirierte Künstler wie Julian Schnabel und arbeitete mit Designern wie Donna Karan und John Galliano zusammen. Bald stellte sie selbst aus und wurde zu ihrer eigenen Muse.

Anh Duong lebt derzeit zwischen New York und Paris.

Ausführliche Darstllungen ihres künstlerischen Werdegang finden Sie auf ihrer Homepage und der Homepage der Galerie Gmurzynska.

Quellen: Anh Duong, Galerie Gmurzynska, Interview, Galerie Sonnabend, GalleriesNow

Bild © Anh Duong

 

Malerei
25. November 2024 - 11:21

Marlene Fröhlich, Studio Supplement, 2024 © Marlene Fröhlich

 

Sehen Sie oben ein historisches Foto eines homosexuellen Paares mit Kinderersatz? Mitnichten! Es handelt sich um ein KI-generiertes Bild, das die Fotografin und Künstlerin Marlene Fröhlich aufwendig analog ausgearbeitet hat.

 

Ausstellungsansicht, Marlene Fröhlich, Studio Supplement, 2024, Foto Petra Hart

 

Ihre Absicht ist es, historische Leerstellen zu füllen. Trotz der unermüdlichen Arbeit von queeren und feministischen Historiker*innen, Archivar*innen und Aktivist*innen haben es nur wenige feministische und queere Bilder in das kollektive visuelle Gedächtnis geschafft. Es gibt also kaum historische Bilder z.B. homosexueller Paare. Marlene Fröhlich erfindet die fehlende diversere Vergangenheit mit Hilfe einer bildgebenden Künstlichen Intelligenz (KI): Eine Vergangenheit, die zwischenmenschliche Beziehungen zeigt, die nicht einer heteronormativen Vorstellung von Freundschaft und Liebe entsprechen; eine Vergangenheit voll von Menschen und Situationen, die unterdrückt und unsichtbar gemacht wurden – und es immer noch werden.

Präsentiert hat sie ihre Ergebnisse in der Ausstellung "In aller Freundschaft" im Dommuseum, das jährlich eine andere inhaltlich bestimmte Ausstellung bestückt. Die meisten Exponate sind zeitgenössisch, viele werden eigens für die Ausstellung angefertigt.

Marlene Fröhlich ordnet die vielen kleinen Schwarz-Weiß-Fotos ihrer partizipativen Installation an der Wand, sodass sie wirken als seien sie einem Familienalbum entnommen.

 

Ausstellungsdisplay, Studio Supplement, 2024, Foto Petra Hartl

 

Die Arbeit selbst ist einem ständigen Veränderungsprozess unterworfen, da die Besucher*innen partizipieren können: In einem an der Wand montierten Briefkasten können Wünsche für Bilder von Freundschaft hinterlassen werden, die in der Geschichte und Gegenwart fehlen; ausgewählte Beispiele werden dann von der Künstlerin anstelle von anderen in die Installation integriert.

Wie wurde wohl der Wunsch zu diesem Foto formuliert? (Die Arbeit wurde mehr schlecht als recht von mir in der Ausstellung fotografiert).

 

Marlene Fröhlich, Studio Supplement, 2024,1, Foto Petra Hartl

Marlene Fröhlich, Studio Supplement, 2024,2, Foto Petra Hartl

 

Als "Studio Supplement" lädt die Künstlerin die Öffentlichkeit ein, Wünsche auch über Instagram einzuschicken. Anschließend konfrontiert Fröhlich die zutiefst voreingenommene und englischsprachige KI mit spezifischen Anfragen und übersetzt so die eingesendeten Texte in Bilder. "A cyanotype of an interracial couple of two trans masculine people kissing on a couch, 1940". "„A polaroid lesbian couple taking a self-portrait, 1970". Das Ziel ist es, eine möglichst genaue Darstellung dessen, was gewesen sein könnte, zu generieren. Dabei wählt Fröhlich für jede Zeitspanne unterschiedliche fotografische Methoden: von kleinen fotografischen Visitenkarten (Cartes de visite) zu großformatigen Polaroids.

"A tintype of a man in a ball gown, 1860", also ein Mann im Ballkleid, ist eine zu schwierige Aufgabe für die KI. Das erzeugte Bild zeigt einen Mann mit einem Ball in den Händen.

Die Künstlerin entwickelt jedes KI-generierte Foto als Unikat in verschiedenen Verfahren und Formaten auf abgelaufenen und auslaufenden Vintage-Materialien.

Marlene Fröhlich arbeitet selbstständig als Fotografin und studiert transdisziplinäre Kunst an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Ihre künstlerische Praxis umfasst eine Vielzahl von Materialien und Formaten, darunter Keramik, analoge Fotografie, KI und Konzeptkunst. Mit einem intersektional feministischen und queeren Blick erforscht Fröhlich, was hätte sein können, rückt das Unsichtbare in den Fokus und schafft spielerische, aber zugleich sensible Erzählungen.

Die Ausstellung "In aller Freundschaft" ist noch bis zum 24. August 2015 im  Dom Museum Wien zu sehen.

Quellen: Die Angewandte, Studio Supplement/Marlene Fröhlich, Text Alina Strmljan
 

Ausstellung, Fotografie
18. November 2024 - 10:10

Collective Monologue

 

Der Dokumentarfilm "Collective Monologue" der argentinisch-britischen Regisseurin Jessica Sarah Rinland ist eine Nahaufnahme von Tieren in Zoos, Tierheimen und Auswilderungsstationen und deren Beziehung zu den Menschen, die sich um sie kümmern. Manche der Arbeitenden (zumeist Frauen) haben über Jahrzehnte ein besonderes Band zu ihren animalischen Schützlingen entwickelt und widmen ihnen ihre ganze Zeit und Kraft.

Ich habe diesen Film bei der heurigen Viennale gesehen, und was mir vom Film primär in Erinnerung bleibt, ist große Zärtlichkeit, Zuneigung und das Verständnis zwischen Tier und Mensch. Fest macht das die Regisseurin vor allem an den Großaufnahmen streichelnder und massierender Hände. Affen strecken die Hände durch die Zäune und Gitter und fordern Liebkosungen ein. Wie innig das Band der Beteiligten ist, zeigt die Regisseurin z.B. dann, wenn im Moment der Berührung zwischen Maca, der Pflegerin, und Venus, einem Brüllaffen, deren Haare miteinander verschmelzen. Sie werden zu ineinander verschlungenen Körpern. Mit Szenen wie dieser gelingt es ihr, dass der Zuseher keinen Unterschied zwischen den Spezies fühlt.

 

 

Atemberaubend ist das blinde Vertrauen, das die Tiere den Pflegerinnen entgegenbringen: der Rüssel, der zur Fütterung durch das Gitter gesteckt wird und mehr Futter einfordert; der Elefantenfuß, der die Fußpflege geduldig mitmacht.

 

Collective Monologue
Bei der Pediküre!

 

In die Warmherzigkeit der Begegnungen zwischen Tier und Pfleger mischt sich allerdings auch Traurigkeit und Verzweiflung, ob der Gefangenschaft der Tiere, die Institutionen wie Zoos eigen ist.

 

"Es ist eine Welt der Mauern, Gräben und Gitter, durch die sich in einer der sorgsam beobachteten Szenen zaghaft eine Hand schiebt." (moviebreak)

 

"Collective Monologue" stößt nicht nur Debatten über die implizite Gewalt des Zoos auf, sondern zeigt auch, wie die Pflegenden als Teil des Systems, das sie zu verbessern versuchen, in diesem Konstrukt gefangen und ihm ausgeliefert sind. (vgl. moviebreak)

Der langsame und bedächtige Film gibt denjenigen eine Stimme, die keine haben, und beleuchtet die Realitäten, die oft von der Dominanz des Anthropozäns überschattet werden. Er gibt aber auch den wenig gesehenen und unterschätzten Menschen, deren Leben ihrer Pflege gewidmet ist, Raum.

 

Collective Monologue

Collective Monologue
Flamingos vor der Auswilderung

 

Ein Teil des Films widmet sich dem Zoo von Buenos Aires, bevor er 2016 geschlossen und als Öko-Park neu eröffnet wurde. Er gehört zu den ältesten der Welt und wir sehen die Renovierung der alten Gebäude in unterschiedlichen historischen und Nationalstilen. Als der Zoo 1888 gegründet wurde, sollten die Besucher anhand der Architektur sehen, woher die Tiere stammen, was zu absurden Ergebnissen führte, so lebten die afrikanischen Elefanten in einem hinduistischen Tempel. Auch bei der Darstellung der Renovierung liegt ein Augenmerk auf den Händen der Restauratoren, die Tierfiguren geduldig und aufmerksam ausbessern.

 

Collective Monologue

 

Die Regisseurin verwendet eindringliche poetische 16-mm-Nahaufnahmen auf Gesicht und Hände beim Filmen der Tiere, die durch ihre bedächtigen Handlungen den Rhythmus des Geschehens bestimmen und unser Augenmerk auf ihre Interaktionen lenken. Nur die automatischen Nachtaufnahmen zeigen Begegnungen zwischen den eingeschlossenen Tieren und ihren Pflegern aus einer gewissen Entfernung.

Die Interaktion erfolgt auch durch liebevolle Wendungen wie reina mía (wörtlich "meine Königin"), te amo ("ich liebe dich") oder con amor ("mit Liebe"), kleine Momente des Einfühlungsvermögens, die zu Manifesten der Empathie werden.

Auch die Tiere "sprechen", der Akt des Zuhörens erfordert allerdings Aufmerksamkeit für Wahrnehmungsweisen jenseits der verbalen Kommunikation. Diese "Anti-Sprache" schlägt sich in einem stärker verkörperten Kino nieder und in der Bedeutung der Unmittelbarkeit des Augenblicks, der Beobachtung der flüchtigen Momente. Worauf es ankommt, ist die Fähigkeit, Tiere so zu akzeptieren, wie sie sind, mit all ihren Vorzügen und Fehlern, in einem Akt des uneigennützigen Verständnisses, der auf Zärtlichkeit und Liebe beruht.

 

Collective Monologue

 

Maca nimmt in der Schlussszene das kleine Äffchen Juanita in den Arm, das in einer Ecke kauert und zu schwach scheint, um sich zu bewegen, Ein Träne rinnt über die Wange der Pflegerin - vielleicht als vorweggenommene Trauer für das alte Tier – und gerinnt zur Essenz des Films, die in der reinen Unmittelbarkeit der Existenz wurzelt: Die physische Distanz zwischen Mensch und Tier wird unbedeutend; was zählt, ist der tiefe und intensive Charakter des Kontakts und die Aufrichtigkeit einer scheinbar einfachen Geste, die sich zu einem Moment der Katharsis entwickelt.

Der schöne ruhige Film mit seinen intimen Porträts von Tier und Mensch und deren Gefühl der Harmonie und Freundschaft wirkt lange nach.

Quellen: moviebreak, cineuropa, variety

Film, Tierschutz und Tierrechte
12. November 2024 - 11:36

Die schwarzen Hunde, 2005 © Annedore Dietze

 

Kampfhunde stehen, laufen und springen uns aus ihren dunklen Hintergründen entgegen. Die Hunde, in höchster Anspannung und Verausgabung dargestellt, werden in Annedore Dietzes kraftvoller Malerei zu Motiven von Vitalität, zu Chiffren von Stärke und Gewalt. Die Arbeiten aus 2005 sind sehr klein (24,5 cm x 21 cm) und übermalte Radierungen (Radierung, Tusche, Acryl auf Papier).

 

Die schwarzen Hunde 2, 2005 © Annedore Dietze

Die schwarzen Hunde 3, 2005 © Annedore Dietze

Die schwarzen Hunde 4, 2005 © Annedore Dietze

Die schwarzen Hunde 5, 2005 © Annedore Dietze

Die schwarzen Hunde 6, 2005 © Annedore Dietze

 

Die expressive Malerin beschäftigt sich in ihren Arbeiten mit der Körperlichkeit und allem Lebendigem in seiner Wildheit und Unberechenbarkeit, seinem Werden und Vergehen. Menschen zeigt sie von ihrer (selbst)zerstörerischen Seite: im Boxkampf, beim Sumoringen. Die Männer haben nackte Oberkörper und Tattoos. Dergestalt findet sich in ihrer Kunst ein existenzielles Konzept des Menschen und seines Körpers - rau und unmittelbar sowie gleichzeitig verletzlich und geheimnisvoll.

 

"Es ist immer die Natur, die mich begeistert und der Körper. Das Existenzielle. Nicht bestimmte Handlungen von Menschen, aber Körper die da sind. Einfache Kompositionen haben mich immer interessiert. In der Natur das Komplexe, das Rauschhafte. Das was ich möchte, ist eine Malerei zu erzeugen, die begeistert. Die Leute wollen meistens eine Geschichte, oftmals ist die Malerei an sich für viele unzugänglich. Aber das ist der Punkt an dem Malerei einsetzt." (Annelore Dietze in einem Interview mit Valeria Drotskaja)

 

In diesem Interview erzählt die Künstlerin, dass sie in ihrem Innersten daran interessiert ist, die substanzielle, brutale und auch zeitgemäße Malerei zum Vorschein zu bringen. Annedore Dietze erzählt also keine Geschichten, sie bleibt auf Distanz zu ihren Motiven, die nur Anlass für die Malerei an sich sind. Themen ihrer Gemälde sind die Volumen, Flächen, Linien und der Raum. In ihren Bildern sucht die Künstlerin nach halb abstrakten, halb gegenständlichen Lösungen für Volumen und Formen, die in ihrer Anordnung und räumlichen Erscheinung eine ganz eigene Sprache sprechen. (vgl. Interview)

Die Kunstwerke "sollen nicht mehr als den gezeigten Augenblick abbilden, doch sie erscheinen beseelt und sind damit nicht nur Körper, sondern auch Leiber im Sinne des philosophischen und anthropologischen Diskurses, der beiden Begriffen verschiedene Bedeutungsebenen zuordnet." (Susanne Greinke zit. n. hier)

 

Hund, 2001 © Annedore Dietze

 

Die Künstlerin abstrahiert und  verfremdet die figürliche Darstellung, sie zeigt nicht reine abstrakte Formen, sondern eine collagenartige Malerei mit Elementen, die man wiedererkennt, wie z.B. einem Tierkopf. "Eine reine chaotische Geste wäre mir zu wenig. In einem Bild will ich organisierte Hierarchien von Bildelementen verknüpfen. Es gibt eine übergeordnete Form, der sich die anderen Elemente unterordnen." (interview)

In der formalen Herangehensweise an ihre Gemälde liegt auch die Bedeutung der Zeichnung begründet, die mit Handwerk zu tun hat. Als Studien für ihre Bilder zeichnet sie wieder und wieder Videostills vor dem Fernseher, um sich in der Figuration sicher zu werden. Diese Sicherheit macht sie unabhängig von technischen Hilfsmitteln wie dem Beamer, der heutzutage oft benützt wird. Wenn Bilder mit Beamer hergestellt werden, bleibt eine oberflächliche, dünne Ausstrahlung von dem Bild selbst. Dietzes zeichnerisches Abarbeiten an der Figur, ihr solides Handwerk, wird auch in Ihrer Malerei als ganz eigene Qualität sichtbar.

Zusätzlich zum Können und der Beherrschung der Materie tritt die Idee: Das Leben, das auf einen einströmt, sowie die Ängste und die Verzweiflung der Menschen. Der Wille zur Kreativität. (vgl. interview)

 

Hund A. 2, 2011 © Annedore Dietze

o.T. (Hund), 2014 © Annedore Dietze

 

"Das Ideal ist natürlich das Wie malen und das Was malen miteinander zu verbinden." (Interview) Die Verbindung von Inhalt und Form erfolgt durch die Verdichtung, die aus dem Chaos erwächst. Die Verdichtung erfolgt über die immer wiederkehrende Korrektur. Der Blick hinter das Offensichtliche eröffnet bei Annedore Dietze Abgründe - das Unkontrollierte und Unkontrollierbare scheint durch, Libido und Emotion, rohe Energie brechen sich Bahn und eröffnen, was sonst lieber versteckt oder verdrängt wird.

 

Race, 2019 © Annedore Dietze

The Great Dictator and his dogs, 2023 © Annedore Dietze

The mourning of the dogs, 2023 © Annedore Dietze

Madhouse, 2024 © Annedore Dietze

As you like it, 2024 © Annedore Dietze

 

Erst nachdem ich diesen Beitrag geschrieben hatte, erhielt ich das antiquarische Buch "Corpus", das zwei Jahrzehnte bildnerischer Erforschung versammelt. (Kerber Verlag)

 

Cover Corpus

 

Schauen Sie nur, was Hedy in der Publikation entdeckt hat!

 

Hedy entdeckt die Huskys in Annedore Ditzes Katalog
 

 

Annedore Dietze (*1972 in Bischofswerda bei Dresden/ehem. DDR) studierte in den 1990er Jahren Malerei und Grafik an der Hochschule für Bildende Künste Dresden. 1999 absolvierte sie in London am Chelsea College of Art & Design ihren Master of Arts. Sie  hat zahlreiche Preise und Stipendien erhalten, die sie unter anderem nach Italien führten. 2012 bis 2019 reiste sie mehrfach für längere Zeit ins Ausland, darunter auch nach China, in die USA, Ägypten, Kambodscha und Mexiko. Annedore Dietze lebt und arbeitet in Berlin.

alle Bilder © Annedore Dietze

 

Buch, Collage, Malerei, Zeichnung
2. Oktober 2024 - 10:22

Louise Catherine Breslau, Selbstporträt, 1891 © Musée d’Art moderne et contemp
Louise Catherine Breslau, Selbstporträt, 1891
© Musée d’Art moderne et contemporain de Strasbourg

 

Eine wunderschöne junge Frau blickt uns mit entwaffnender, fast einschüchternder Direktheit an. Es handelt sich um die Künstlerin Louise Catherine Breslau, die zurzeit mit 25 anderen Frauen im Städel Museum im Rahmen der Ausstellung "Frauen - Künstlerinnen zwischen Frankfurt und Paris um 1900" gezeigt wird.

 

"Die Ausstellung zeigt Künstlerinnen, die sich mit großer Eigenständigkeit und Professionalität in einem durch männliche "Künstlergenies" bestimmten Kulturbetrieb durchsetzten. Unter dem Blickwinkel der Netzwerke entsteht ein komplexes Bild der Ausbildungs- und Arbeitssituation von Künstlerinnen in der Moderne: vom Kampf der Wegbereiterinnen im Paris der 1880er-Jahre über die ersten Bildhauerinnen an der Kunstschule des Städel um 1900 bis hin zu einer jungen selbstbestimmten Generation von Künstlerinnen im Neuen Frankfurt der 1920er- und 1930er-Jahre." (zit.n.Städel Museum, Presseinformation)

 

Ich habe für den Blog exemplarisch Catherine Louise Breslau gewählt, da sich in ihren Gemälden immer wieder Hunde finden. Wenn sie Hunde malte, dann porträtierte sie diese wie Menschen und zeigte die emotionale und freundschaftliche Verbundenheit zu ihnen. Bei ihrem Selbstporträt lugt der kleine Hund aus dem eleganten Umhang hervor. Die Darstellung erzählt nicht nur vom Beschütztwerden, sondern zeigt auch das zarte Miteinander der beiden: Die Hand umschließt die Pfote.

"Mes Toutous" von 1881 ist eines der frühesten Pastelle der Künstlerin. Das Pastell erlaubt ein rasches Arbeiten und ermöglicht durch das Verwischen mehrerer Farbschichten eine malerische Wirkung.

 

Louise Catherine Breslau, Mes Toutous, 1881
Louise Catherine Breslau, Mes Toutous, 1881

 

Louise Catherine Breslau spezialisiert sich auf Porträts, die meisten dieser Auftragsarbeiten führt sie in Pastell aus. Sie reduziert bereits jetzt das Interieur auf das Wesentliche. Ab 1910/11 heben sich ihre angedeuteten skizzierten Porträts vor einem neutralen, bisweilen leicht schraffierten Hintergrund ab. Alles wird flüchtig und spontan erfasst, zumeist bleiben ganze Blattpartien offen, wodurch der Bildträger an der Gesamtwirkung teilhat.

 

Louise Catherine Breslau, Portrait de Mademoiselle Adeline Poznanska enfant, 189
Louise Catherine Breslau, Portrait de Mademoiselle Adeline Poznanska enfant, 1891
© Musée d'Orsay

Louise Catherine Breslau, Porträt der Freunde, 1881 © Musée d'art et d'histoir
Louise Catherine Breslau, Porträt der Freunde, 1881
© Musée d'art et d'histoire, Ville de Genève, Foto Flora Bevilacqua

 

Für Louise Catherine Breslau wurde Paris zum Ausgangspunkt ihrer Karriere und zu einem wichtigen Zentrum ihres internationalen Netzwerks. Hier konnte sie sich zu einer erfolgreichen Künstlerin entwickeln. Die Pariser Ausbildungsstätten waren außerdem wichtige Begegnungsorte. Die Ausstellung im Städel Museum präsentiert ihr programmatisches "Porträt der Freunde", das ihre Pariser Wohn- und Frauengemeinschaft abbildet. Die junge Malerin zeigte das Werk 1881auf dem Pariser Salon und wurde schlagartig berühmt. (vgl. Städel Museum Presseinformation)

Wir sehen die die Künstlerin, wie sie die zwei Freundinnen und einen Hund in der gemeinsamen Atelierwohnung malt. Das Gemälde beschreibt die spezifische Situation für Frauen in der damaligen Zeit, in der es gesellschaftlich nicht akzeptiert war, als junge Frau allein zu wohnen. Das Gemälde entstand zudem in Paris, da in Deutschland Frauen der Zugang zu einer künstlerischen Ausbildung weitgehend verwehrt war.

Drei Frauen sitzen gedankenversunken an einem Tisch - eine Szene, die oft genutzt wurde, um die sozialen Verbindungen im späten 19. Jahrhundert darzustellen. Links sitzt Maria Feller, eine italienische Sängerin, in der Mitte die Winterthurer Malerin Sophie Schaeppi und an den rechten Bildrand geschoben die Künstlerin selbst in Rückenansicht, dazwischen ihr geliebter Hund.

Das Gemälde vereint alles, was ihr Frühwerk auszeichnet, sowohl farblich, formal, stilistisch als auch inhaltlich - und was sie konsequent fortführte. Es ist ein Gruppenporträt auf engem Raum, und doch sind es Einzelporträts, bei denen jede Person charakteristisch erfasst ist. Aber ihre geschickte und überlegte Komposition schafft eine formale, vor allem geistige Verbindung zwischen den Dargestellten, die in dem klugen Gefüge eng miteinander verbunden sind, ohne in direktem Kontakt zu stehen. Jede Person hält inne, um sich in Gedanken zu verlieren. Auch der Hund strahlt Ruhe aus und scheint in Gedanken versunken.

Diese Ruhe und In-sich-Gekehrtheit der Modelle zeichnet fast jedes Werk von Louise Catherine Breslau aus. Das Interesse der Künstlerin an der psychologischen Durchdringung ihrer Modelle bewirkte eine allmähliche Vernachlässigung in der Darstellung des Raums, der zunehmend formale Bedeutung erhielt und später oftmals gänzlich verschwand. (vgl. Anne-Catherine Krüger in: Berufswunsch Malerin! Elf Wegbereiterinnen der Schweizer Kunst aus hundert Jahren, FormatOst, 2020, S 51ff)
 

 

Louise Catherine Breslau, Zu Hause oder Intimität, 1885 © Musée des beaux-arts
Louise Catherine Breslau, Zu Hause oder Intimität, 1885
© Musée des beaux-arts de Rouen

 

Das Thema der geistigen Verbundenheit der Menschen und der tiefen Freundschaft bei gleichzeitiger Besinnung auf sich selbst ist auch in "Zuhause oder intimität" anzutreffen. Das Doppelporträt ihrer Mutter und ihrer Schwester Bernhardine gewährt einen Blick in das beseelte Leben der Dargestellten, die niemals in Aktion oder Bewegung sind, sondern auch dann innehalten, wenn sie zuvor einer Tätigkeit wie dem Sticken nachgegangen sind.

Sehr originell ist die Positionierung des Hundes, der am unteren Bildrand angeschnitten ist und fast wie ein Fremdkörper oder nachträglich dazugemalt wirkt.

 

Louise Catherine Breslau, La vie pensive, 1908 © Musée cantonal des Beaux-Arts
Louise Catherine Breslau, La vie pensive, 1908
© Musée cantonal des Beaux-Arts de Lausanne

 

In "La vie pensive" stellt Louise Catherine Breslau eine Szene im Salon ihres Hauses in Neuilly-sur-Seine, einem Vorort von Paris, dar. Sie malt sich selbst, einen Brief in der Hand haltend, in sitzender Rückenansicht, nur ihr markantes Profil ist zu sehen. Im Vordergrund sitzt ihre Partnerin Madeleine Zillhardt, die ihr Muse, Modell, Vertraute und Förderin ist, und berührt gedankenverloren einen Barsoi. Ein Gefühl der Spannung und Verzagtheit geht von ihr aus, das wohl auch der sensible Hund wahrgenommen hat: Er legt tröstend und mitfühlend seinen Kopf in ihren Schoß und scheint selbst zu wissen, dass er zu seinem Menschen nicht durchdringen kann.

Das große Gemälde ist mit schnellen Pinselstrichen im Stil der impressionistischen Malerei eines Edgar Degas gemalt. Auf dem weißen Tischtuch in der Mitte des Gemäldes stehen eine Reihe von Elementen, die häufig in Stillleben zu finden sind, wobei sich opake und transparente Texturen abwechseln: ein Blumenstrauß, ein Obstkorb, eine Karaffe mit Glas und ein Porzellanteller. Ein Messer, das auf einen Pfirsich gerichtet ist, symbolisiert die fleischliche Leidenschaft der beiden Frauen füreinander.

Obwohl Louise Breslau in Paris eine führende Persönlichkeit der Schweizer Kunstszene war, musste sie sich die Anerkennung in ihrem Heimatland hart erarbeiten. Das Gemälde wurde erst an der neunten nationalen Kunstausstellung in Basel angenommen, nachdem sich die Künstlerin beim Bundesrat über die Frauenfeindlichkeit des Schweizerischen Maler- und Bildhauervereins beschwert hatte, der Ferdinand Hodler gefolgt war und für die Ablehnung von Frauen gestimmt hatte. (vgl. MCBA)

 

Louise Catherine Breslau, Jeune fille avec un Borzoi, 1912
Louise Catherine Breslau, Jeune fille avec un Borzoi, 1912

 

Wie nur wenigen Künstlerinnen ihrer Zeit war es Louise Catherine Breslau (*1856 in München/D, gest. 1927 in Neuilly-sur-Seine/F) aus eigener Kraft gelungen eine selbstständige Position als Frau und Künstlerin zu erarbeiten. Sie ließ sich in einem damals für Frauen üblichen Bereich ausbilden: dem Porträt. Um eine anspruchsvollere Ausbildung zu erhalten, zog sie 1876 nach Paris, um an der Académie Julian teilzunehmen. Dieses Atelier bot einen alternativen Unterricht zu dem der Ecole nationale des beaux-arts an, die Frauen noch verschlossen war.

Ohne sich einem Impressionismus oder Naturalismus radikal zuzuwenden, griff sie stilistische und thematische Merkmale ihrer künstlerischen Vorbilder auf und gelangte zu einer ihr eigenen Handschrift und Bildauffassung. In Paris wurde sie bald von der Kunstwelt geschätzt und geehrt. Bereits um 1900 war sie eine der gefragtesten Porträtistinnen.

Nach ihrem Tod geriet sie allerdings in Vergessenheit. Erst 1988 wurde Breslau mit einer Monografie und einem kritischen Werkverzeichnis Gegenstand einer wissenschaftlichen Untersuchung, welche die Aufmerksamkeit erneut auf die Künstlerin lenkte.

Eine ausführliche Biografie von Louise Catherine Breslau finden Sie im großartigen e-Kunstmagazin ARTinWORDS.

Die Ausstellung im Städel-Museum ist noch bis zum 27.10.2024 zu sehen.

 

Ausstellung, Malerei
23. September 2024 - 10:22

Drachenjagd, 2023 © Susannah Martin

 

Susannah Martins großformatige, figurative, ja hyperrealistisch anmutende Ölgemälde zeigen uns das klassische Sujet des Akts in der Natur zeitgenössisch interpretiert und handwerklich brillant. In zahlreichen Interviews (gut dokumentiert auf ihrer Homepage) und in ihrem künstlerischem Statement erklärt die Künstlerin, wieso es ihr tiefer Wunsch ist, "die menschlichste, aber gleichzeitig am stärksten eingeschränkte Kunstform, die es gibt, den Akt, in die Gegenwart zu holen". (vgl. hier)

Sie möchte den Akt, wie wir ihn aus der gesamten Kunstgeschichte kennen und der in erster Linie ein Produkt des männlichen Blicks mit seinen ästhetischen Kriterien ist, durch eine andere nicht sexuell orientierte Perspektive ersetzen.

Doch gelingt ihr das mit ihren Frauenkörpern, die wenig divers sind und wie Hochglanzmodelle wirken? Die makellosen Körper scheinen eher wie eine Verkörperung des heutigen Schönheits- und Jugendwahns zu sein, dem sich viele Frauen unterwerfen (vgl. heliumcowboy). Allerdings sind sie in ihrem Tun unabhängig, befreit und genießen ihr Leben in der Welt (vgl. dazed digital). Sichtbar wir das durch ihre Aktivität und dass sie bewegt den Raum einnehmen. Kunstgeschichtlich war der weibliche Akt immer mit Passivität und Erotik verbunden (im Gegensatz zur autonomen männlichen Nacktheit). Paradebeispiel dafür ist Giorgiones "Schlafende Venus" (um 1510), die die künstlerischen Konzeptionen bis heute beeinflusst. Sie ist vollkommen in die Natur integriert und ruht in stiller Passivität.

 

The Retrievers, 2023 © Susannah Martin

Paramnesia, 2021 © Susannah Martin

 

Weiters möchte sie mit ihren aktualisierten Aktbildern die heutige Situation der Entfremdung des Menschen von der Natur ansprechen, der in ihren Gemälden nicht wie ein integraler Bestandteil der Natur erscheint, sondern seltsam surreal und fremd, laut und schrill.

 

"Bei der Arbeit an meinen ersten Bildern des Aktes in der Landschaft habe ich sehr schnell festgestellt, wie merkwürdig der gegenwärtige Mensch in der freien Natur wirkt. Er schien einfach nicht mehr hineinzupassen, und so wurde dieser Aspekt langsam zu meinem Thema: Die Natur als Un-Heim (Anti-Home) des Menschen." (Susannah Martin zit.n.Felix Brosius in Art.Salon)

 

Der entblößte Mensch ohne jegliche sozialen Indikatoren (Kleidung, Besitz ...) passt nicht mehr in die Landschaft, weil sich in seinem Verhältnis zur Natur die antagonistische Kluft zwischen natürlichem und naturverbundenem Zustand und dem Menschen als Konsumenten oder kulturellem Wesen spiegelt. Den psychischen Kampf gegen diese kulturellen Abhängigkeiten möchte die Künstlerin in ihren Gemälden erforschen. (vgl. Jonathan LeVine Projects)

 

Float, 2018 © Susannah Martin

 

Obwohl es immer wieder Anspielungen an die Kunstgeschichte gibt, sucht man das romantische Verschmelzen von Mensch und Natur in ihren Darstellungen ebenso vergebens wie barocke Liebeleien in einer idealisierten, paradiesischen Landschaft. Susannah Martins Landschaften bestehen meist aus gleichförmigen Bergpanoramen hinter klaren Seen, sie sind lediglich Kulissen für die Menschen und Tiere in Bewegung - Mitte der 80er Jahre arbeitete die Künstlerin tatsächlich als Kulissenmalerin.

 

Bavaria, 2016 © Susannah Martin

The Day I Quit, 2014 © Susannah Martin

Hero's journey, 2012 © Susannah Martin

 

So viel sie über ihre Menschendarstellungen spricht, so wenig erfahren wir über die Bedeutung der Tiere, der Hunde.

 

"The people in my paintings are certainly distant relatives of the salon. Rather, they indulge in the midst of our contemporary culture: We have the impression that they rather block and disturb the view of the landscape than they peacefully coexist with nature as they did then in the forest of Fountainebleau. As I try to maintain a romantic landscape, they fall into this landscape as individuals who have to cope with the ever-increasing virtual reality. They bring their dogs with them, the best friends of man and their only remaining connection to nature.” (zit.n. NJP)

„Die Menschen auf meinen Bildern sind sicherlich entfernte Verwandte des Salons. Vielmehr schwelgen sie mitten in unserer zeitgenössischen Kultur: Man hat den Eindruck, dass sie eher den Blick auf die Landschaft versperren und stören, als dass sie friedlich mit der Natur koexistieren wie damals im Wald von Fountainebleau. Während ich versuche, eine romantische Landschaft zu erhalten, fallen sie als Individuen in diese Landschaft hinein, die mit der immer größer werdenden virtuellen Realität zurechtkommen müssen. Sie bringen ihre Hunde mit, die besten Freunde des Menschen und ihre einzige verbliebene Verbindung zur Natur.“ (übersetzt mit DeepL)

Mit "Salon" meint die Künstlerin den "Salon de Paris", der ebenso wie die "Académie francaise" gegründet wurde, um als eine Art Ästhetik-Polizei französisches Kulturgut zu beobachten, zu fördern, zu kritisieren und zu beschützen. Die Realisten forderten in der Mitte des 19. Jahrhunderts deren Vorherrschaft heraus. (vgl. künstlerisches Statement)

 

Die Hunde verbinden also den Menschen mit der Natur! Kommen wir über ihre Arbeitsweise der Bedeutung der Hunde noch näher?

Nachdem Susannah Martin eine klare oder auch nur grobe Vorstellung davon hat, was sie vermitteln möchte, fotografiert sie befreundete Modelle, die ihre Ideen aufgreifen und auf sehr individuelle und persönliche Weise mit ihrer Umgebung interagieren.

Bei jedem Fotoshooting macht sie Tausende von Fotos, Dann arbeitet sie eine Komposition in Form einer Collage aus und beginnt auf die grundierte Leinwand zu zeichnen.  Oft greift Martin dabei nur einzelnen Elemente aus einem Bild heraus, kombiniert diese mit dem Setting eines anderen Fotos, fügt weitere Bildelemente hinzu und erarbeitet so ihre Bildwelten, die dichter und voluminöser ausfallen, als es ein reales Motiv je sein könnte.

Die Kompositionen sind bei Martin stets von beeindruckender Opulenz, mit einer ins Surreale gehenden Verdichtung, die Mitbringsel der Menschen aus der Zivilisation (Gummitiere, Plastikballons in Drachenform...) meist hyperrealistisch herausgearbeitet. Erst nachdem sie die Zeichnung mit Acrylfarbe gesichert hat, beginnt sie mit der Ölmalerei. Das geht über viele Schichten und Wochen, bevor sie das Niveau erreicht, mit dem sie zufrieden ist.

 

Salon Dogs Meet the Death Worm, 2015 © Susannah Martin

 

Die Hunde sind oft angeschnitten, springen ins Bild hinein oder aus dem Bild heraus. Damit lässt die Künstlerin die fotografische Perspektive durchscheinen, sie weist eigens darauf hin, dass sie die Welt durch die Kameralinse betrachtet. Dennoch erscheinen sie nicht fremd oder gar artifiziell, denn unser Bildverständnis ist bereits vorausgeilt und hat sich nach Jahren der digitalen Retusche längst erweitert. Das Spektrum dessen, was wir als Abbild der Realität zu akzeptieren bereit sind, hat sich deutlich verschoben, und so zeigen auch Martins Arbeiten ganz bewusst einen erweiterten Realismus, mit dem sie dem empfundenen Charakter einer Situation näherkommt, als es eine reine Darstellung des Gesehenen ermöglichte.

 

My black dog, 2014 © Susannah Martin

Discipline, 2014 © Susannah Martin

 

Susannah Martin (*1964 in NewYork/USA) studierte an der New York University, Hauptfach Malerei, bei John Kacere, Sherrie Levine, Louise Lawler und Peter Campus und erhielt ihren Bachelor of Science 1986. Nach ihrem Abschluss machte sie sich mit Wandmalerei selbständig und arbeitete als Bühnenbildnerin und Kulissenmalerin.

1991 zog sie nach Berlin und schließlich nach Frankfurt am Main, wo sie heute lebt und arbeitet. Ab 2004 widmete sie sich als freischaffende Künstlerin und Porträtmalerin wieder ihrem Hauptthema, dem Menschen in seinem sozialen Umfeld, danach dem Akt in der Landschaft. Durch wichtige Ausstellungen in den USA und Deutschland wuchs das Interesse öffentlicher Institutionen und privater Sammler an ihrem Schaffen stetig. Ihre Arbeiten wurden unter anderem in American Art Collector, Juxtapoz, High Fructose und der Huffington Post veröffentlicht.

alle Bilder © Susannah Martin

 

Malerei
16. September 2024 - 9:50

Labradore soweit das Auge reicht: blonde, braune, schwarze. Sie sind das jüngste Motiv des thematisch und hinsichtlich der Medien vielfältig arbeitenden Künstlers Sean Landers.

 

Black Lab, 2022 © Sean Landers

 

Er zeigt uns die Hunde als klassische Büstenporträts: Es sind (tierische) Individuen, die wie in Bildnissen der Renaissance präsentiert werden, die den Geist des Humanismus widerspiegelten und den Menschen in den Mittelpunkt der Welt stellten. Viel hat sich seither in unserer Beziehung zum (Haus-)Tier verändert, seine Position in unserem Leben und der Kunst wurde zentraler. Doch sind die Gemälde mehr als Gesellschaftshundeporträts für eine Mittelschicht? (vgl. Border Crossings 162, S 188).

Zweifellos sind die Mimik und der Blick der Hunde anthropomorph: traurig, verloren, sehnsüchtig und wissend blicken sie in die Ferne.

Sean Landers Labrador ist mehr als ein Hund: Er ist in seiner verheerenden Bandbreite an Emotionen ein alter "Seebär", ja, wie Benjamin Klein meint, eine Allegorie "für Amerika selbst und die besten Aspekte seiner alten und ernsthaften Kultur (..), die vom Chaos (symbolisiert durch das Meer) bedroht" wird. (vgl. Border Crossings 162, S 189)

 

Chocolate Lab 2022 © Sean Landers

Red Lab 2023 © Sean Landers

Silver Lab 2023 © Sean Landers

White Lab 2023 © Sean Landers

Yellow Lab 2022 © Sean Landers

 

Dog 2021 © Sean Landers
I used to be a bad boy .... kurz zusammengefasst Sean Landers künstlerischer Schaffensprozess

 

Eine weitere Serie im allegorischen Realismus zeigt Hunde, die in kleinen Holzbooten auf dem Meer sitzen und stehen, umgeben vom gewaltigen Ozean.

Der Künstler griff in seiner langen Karriere  immer wieder auf verschiedene Maltraditionen der europäischen Kunstgeschichte zurück. Er wurde  von William Hogarth, Nicolas Poussin, Théodore Géricault und Édouard Manet beeinflusst, aber auch von René Magrittes "Vache"-Periode. Seine maritimen Gemälde jedoch versprühen den Geist von Winslow Homer. Landers zitiert dabei nicht subtil, sondern in einer offenen und eindeutigen Weise. Schauen Sie auf den "Yellow Dog" (2022) und dann auf Winslow Homers "The Fog Warning" von 1885: Hier wird nichts versteckt oder verborgen!

Homers Seemann erkennt die schrecklichen Vorzeichen am Horizont und die Gefahr heraufdräuen. Auch unser Hund treibt allein in Zeit und Raum, jenseits aller Hoffnung.

In einem Gespräch mit Johanna Fateman beschreibt Landers, dass er ein echtes Gefühl der Verzweiflung darstellen wollte, denn kein Hund sollte allein sein: "Alone, that’s the feeling. There’s a real sense of desolation here because a dog isn’t supposed to be alone." Gleichzeitig steht der hilflose Hund für den Künstler und sein Werk. Ob der "Hund" am Ende gerettet wird oder verloren geht, wissen wir nicht.

 

Yellow Dog 2022 © Sean Landers

Winslow Homer, The Fog Warning, 1885

Fog Dog 2022 © Sean Landers

Night Dog 2022 © Sean Landers

Sunset Dog 2022 © Sean Landers

White Dog at Sunset 2023 © Sean Landers

White Fog Dog 2022 © Sean Landers

Yellow Dog at Dawn 2023 © Sean Landers

 

Seit mehr als einem Jahrzehnt malt er mit Tartan bekleidete Tiere in ländlicher Umgebung. (Ein Tartan ist ein Webmuster für Stoffe, das repräsentativ für die Zugehörigkeit zu einem schottischen Clan genutzt wird.) Landers skurrile Idee geht auf seine Auseinandersetzung mit Magritte zurück. Das Tartan-Element kommt schon in dessen späten "Vache"-Bildern vor, in denen er sich zugunsten von Derbheit und Anzüglichkeit von der surrealistischen Genauigkeit befreit. Der Tartan wurde deshalb für Sean Landers zum Symbol für künstlerische Freiheit und Wachstum. (vgl. Ben Brown Fine Arts)

 

René Magritte, Cripple, 1948
René Magritte, Cripple, 1948

 

Der Tartan  bekleidet die Tiere nicht nur, er hüllt sie schützend ein. Vielleicht dient er auch dazu, sein künstlerisches Schaffen zu beschützen, das ihn im Idealfall lange überleben wird - ein Gedanke, den Sean Landers auch in dieser Werkgruppe erforscht.

Diese ikonischen, akribisch gestalteten, metaphorisch kodierten Gemälde verkörpern Landers' Einfallsreichtum, seine Werke gleichzeitig mit Humor, Selbstoffenbarung, Künstlichkeit, Ernsthaftigkeit und existenzieller Reflexion zu durchdringen.

 

El Lobo 2015 © Sean Landers

Proximate Strangers (Coyote and Crow) 2014 © Sean Landers

What You Are 2013 © Sean Landers

Wolf Pup, 2015 © Sean Landers

 

In der unteren Serie von Bildern, die in Bäume geschnitzte Texte darstellen, ist Sean Landers zu seinen selbstironischen Wurzeln zurückgekehrt. Sein ganzes Werk ist gekennzeichnet von einem Wechsel von figurativen Bildern und reinen Textbildern, manchmal vermischen sich diese Bereiche auch, wenn Sean Landers glaubt, mehr von seiner Seele in das Bild stecken zu müssen. In einem Interview mit Paul Laster erzählt er, dass die Schnitzereien in den Bäumen tatsächlich von einer Lichtung mit stark geschnitzten Bäumen inspiriert sei, die er in der Nähe des Prado-Museums in Madrid entdeckte.

 

“However, the trees in my paintings are Aspens, which are linked underground by their roots, which I find to be a wonderful metaphor for an artist’s body of work.“

Allerdings sind die Bäume in meinen Gemälden Espen, die durch ihre Wurzeln unterirdisch verbunden sind, was ich für eine wunderbare Metapher für das Gesamtwerk eines Künstlers halte. (übersetzt mit DeepL)

 

Glimpse of Life, 2024 © Sean Landers

Notes To Self 2023 © Sean Landers

Yours Truly 2023 © Sean Landers.jpeg

 

Sean Landers (*1962 in Palmer/Massachusetts/USA) erwarb 1984 einen BFA am Philadelphia College of Art und 1986 einen MFA an der Yale University School of Art. Obwohl er heute als Maler bekannt ist, studierte er in den 1980er Jahren Bildhauerei am Philadelphia College of Art und später in Yale, wo Vito Acconci sein Lehrer war. Seit den 1980er Jahren - einem Jahrzehnt, das für Konzeptkunst und Minimalismus stand - beschäftigt er sich in New York mit der anachronistischen Malerei und Schreibprojekten. Neben seinen textbasierten Kompositionen schafft er Cartoons, Skulpturen, Videos und figurative Gemälde von Tieren und Menschen, die extreme Stilwechsel aufweisen.

Sein gesamtes Werk geht der Frage nach, was es heißt, ein zeitgenössischer Künstler zu sein, und was es bedeutet, etwas zu schaffen, das über die Lebenszeit des Künstlers hinaus Bestand hat. In diesem Sinne kann seine Karriere als eine langanhaltende Erkundung derselben Frage betrachtet werden, wodurch sein Werk zu einem dynamischen Ganzen wird.

Er lebt und arbeitet in New York.

alle Bilder © Sean Landers

 

Malerei
12. August 2024 - 9:59

Polka, 2021 © Kelly Tissot, Foto Claude Barrault

 

2021 zeigte suns.works "Polka", eine Einzelausstellung von Kelly Tissot mit einer skulpturalen Installation sowie auf Fotografie basierende Arbeiten, die sich um eine gleichnamige tierische Protagonistin drehten. Tissots Arbeiten, die sich hauptsächlich mit Skulptur und Fotografie befassen, haben ihren Ursprung in verschiedenen Themen und Motiven rund um den ländlichen Raum und landwirtschaftliche Arbeit; sie entführen den Betrachter nicht in eine historische, pittoreske ländliche Utopie, sondern in eine abstrahierte und fragmentierte Peripherie zwischen Natur und Kultur, Zugehörigkeit und Isolation.

 

Polka, 2021 © Kelly Tissot, Foto Claude Barrault

 

Die Künstlerin ist in einer abgelegenen Gegend der Haut-Savoie in Frankreich aufgewachsen und spürt in ihrem Werk ihrer ländlichen Heimat nach. Mit großformatigen analogen Schwarz-Weiß-Fotografien und Stahlobjekten baut sie Raumsituationen auf, die im Widerspruch zum romantisierten Bild, zur pastoralen westlichen Ikonografie des Landlebens stehen.

 

Polka, 2021 © Kelly Tissot, Foto Claude Barrault

Polka, 2021 © Kelly Tissot, Foto Claude Barrault

Polka, 2021 © Kelly Tissot, Foto Claude Barrault

Polka, 2021 © Kelly Tissot, Foto Claude Barrault
Kelly Tissot Polka (I-VI), 2021 Digital UV-Druck auf Aluminium, Tannenholz,
150×110 cm (jeweils) Installationsansichten: suns.works, Zürich (CH) Fotos: Claude Barault

 

Seit 2016 blickt Kelly Tissot auf Widersprüchlichkeiten zwischen Kulturellem und Natürlichem, Häuslichkeit und Wildnis sowie Abgeschiedenheit und Gemeinschaft. Heuer wurde sie als siebte Preisträgerin mit dem Paul Ege Kunstpreis ausgezeichnet.

 

Ausstellungsansicht, Kelly Tissot, PEAC Museum, 2024, Foto Roland Krieg Fotodesi
Ausstellungsansicht, Kelly Tissot, PEAC Museum, 2024, Foto Roland Krieg Fotodesign

 

Die international besetzte Jury lobte ihren virtuosen Umgang mit unterschiedlichen analogen fotografischen Techniken, die Spuren der Landflucht und der Deindustrialisierung in ihrer französischen Heimat im Département Haute-Savoie zeigen: Ansichten von aufgegeben Werkstätten und Ställen, traurig dreinblickende Mischlingshunde, ausgediente Landmaschinen und anderen Überbleibsel einst besserer Zeiten. Sie zeigt, was der Mensch tagtäglich benutzt, zähmt und zu kontrollieren versucht. Menschen sind in ihren Fotografien und Raumkörpern allein durch die Maßstäblichkeit sowie durch Spuren der Zivilisation präsent.

 

The act of living, 2023 © kelly Tissot, Foto Finn Curry
The act of living, 2023 , Kunsthalle Basel, Foto Finn Curry

 

Ihr Werk ist weder romantisch, noch wird es in erster Linie von Umweltbelangen angetrieben, sondern es offenbart die sozialen Strukturen des Hof- und Landlebens.

 

The act of living, 2023 © kelly Tissot, Foto Finn Curry
The act of living, 2023 , Kunsthalle Basel, Foto Finn Curry

 

Ausstellungsansicht von Relics from an imaginary friend, Tara Downs, New York, 2
Ausstellungsansicht von Relics from an imaginary friend, Tara Downs, New York, 2024

 

Die Künstlerin befragt unsere eigene Beziehung zum Ländlichen, nicht selten ist die Antwort beunruhigend.

Kelly Tissot (*1995 Annecy/FR) absolvierte ihren Bachelor 2018 an der Ecole Cantonale d’Art in Lausanne und 2020 ihren Master in Fine Arts an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel, wo sie derzeit lebt und arbeitet.

Quellen: Tara Downs, suns.works, Kunsthaus Baselland, PEAC

alle Bilder © Kelly Tissot

 

Fotografie
29. Juli 2024 - 14:10

Olfactory Landscape for Dogs, 2023 © Lisa Korpos

 

Oben sehen sie Lisa Korpos' Entwurfszeichnung zu einer speziell für Hunde angefertigten olfaktorischen Skulptur. Die pyramidenförmigen Körper besitzen röhrenartige Öffnungen, beides in den für Hunde sichtbaren Farben blau und gelb. Das Innere der Objekte kann nicht eingesehen, aber erschnüffelt werden. Steckt ein Hund seine Spürnase in die Öffnung, entfalten sich für ihn verschiedene Gerüche, die von Federn, Gräsern, Moos, Kräutern, Schafwolle, Knochen oder Leckerlis stammen. Auf die für sie passende, artgerechte Weise können die Hunde die Skulpturen erkunden. Das Kunstwerk mit seinen olfaktorischen Reizen avanciert somit zugleich zum Hundespiel- und -übungsplatz.

Zu sehen und erfahren war die Skulptur 2023 in der Kunsthalle Darmstadt, die mit der Ausstellung "Animalia. Streifzüge von Los Angeles bis Mumbai" einen neuen Zugang zur Mensch-Tier- Beziehung in der Kunst ausprobierte.

 

Ausstellung Darmstadt, Foto Michael Schick

 

Olfaktorischen Versuchsanordnungen gibt es auch beim Hundetraining und Hundespiel, um die Tiere nicht nur wie üblich physisch durch Bewegung, sondern auch kognitiv zu fordern und auszulasten. Insofern war mein erster Impuls Lisa Korpos' Skulptur unter einem künstlerischen Aspekt gering zu schätzen. Allerdings hat meine nähere Recherche gezeigt, dass die Einfachheit den Ansatz der Künstlerin widerspiegelt: Die Verspieltheit ihrer Kunstprojekte soll als Einstieg in produktive Dialoge über wichtige gesellschaftliche Themen wie Nachhaltigkeit, ökologische Interdependenz, Ethik und Biopolitik dienen. Mit ihrer partizipativen und sozial engagierten Kunst möchte sie dazu beitragen, Mitgefühl und Fürsorge für alle lebenden, empfindungsfähigen Wesen zu stärken und Achtsamkeit gegenüber uns umgebende Ökosysteme zu erhöhen.

 

Hunde können an den pyramidenförmigen Aufbauten der Installation schnüffeln,

 

Sie spricht sich auch dezidiert gegen einen produktorientierten Perfektionismus und für eine Konzentration auf den künstlerischen Prozess aus:

 

"Ja, ich habe meinen Perfektionismus losgelassen! Oft betrachten wir das künstlerische Schaffen als eine Möglichkeit, uns selbst zu beweisen oder unsere Kompetenz, unseren Wert oder unsere Würde zu demonstrieren. Diese Sichtweise wird als Leistungsdenken bezeichnet, und sie ist nicht sehr gesund, weil sie sich so sehr auf die Belohnung und nicht auf den Prozess konzentriert. Wenn man eine wachstumsorientierte Einstellung hat, lernt man, sich am Prozess des Übens zu erfreuen und nicht am Endergebnis. Man lernt, die kleinen Entdeckungen auf dem Weg zu schätzen, produktiv zu scheitern und offen für neue Möglichkeiten zu bleiben." (Lisa Korpos zit. n. Saturday Academy)

 

Lisa Korpos ist eine interdisziplinäre Künstlerin, in deren Arbeit es um die Erforschung der nichtmenschlichen Wahrnehmung und Kognition geht und um die Gemeinsamkeiten, die die unterschiedlichen Spezies miteinander verbinden: körperliche Verletzlichkeit, ursprüngliche Emotionen und Kommunikationsstrategien.

Ihre forschungsbasierte Kunstpraxis ist in den kognitiven und ökologischen Wissenschaften verwurzelt und ihre Projekte nehmen die Form von interaktiven Installationen, multisensorischen Skulpturen, Videos, kreativem Schreiben und Zeichnungen an. Die Zusammenarbeit mit menschlichen und nicht-menschlichen Körpern ist ein integraler Bestandteil ihres Prozesses, wobei so unterschiedliche Lebewesen wie Bienen, Hunde, Laborratten, Forscher und Große Tümmler als Subjekte, Mitgestalter und Teilnehmer ihrer Arbeit fungieren.

Ihre Inspiration findet sie in Interaktionen mit ihren Haustieren, mit wilden Tieren oder mit Wissenschaftlern, deren Forschung für sie prägend oder in irgendeiner Weise katalysierend war. Dafür liest sie Forschungspapiere, kommt mit den Forschern ins Gespräch, verbringt Zeit im Labor und "schürft" ihr Wissen für künstlerische Umsetzungen.

Zu ihren bisherigen Projekten gehören eine radikale Tierarztpraxis für Bestäuber, eine erkundbare Landschaft, die für die sensorischen Systeme von Hausratten konzipiert wurde, und ein Sprachübersetzer von Englisch in die Sprache der Präriehunde. Auf ihrer Hompage hat die Künstlerin diese Projekte ausführlich fotografisch und mit Texten dokumentiert, ein Besuch lohnt sich allemal!

Ihre Kunstpraxis, das künstlerische Vermitteln von Wissenschaft, entwickelte sie während ihres Studiums an der Univercity of California San Diego, wo sie sowohl Studio Art als auch kognitive Neurowissenschaften studierte. Nach ihrem Bachelor-Abschluss erwarb sie auch ihren Master of Fine Arts am Department of Visual Arts der UCSD, mit dem Schwerpunkt Speculative Design.

Im September 2024 wird Lisa Korpos an der Gruppenausstellung "Start Sniffing" im Wiener WUK teinehmen. Kuratiert wird die Schau von Lena Lieselotte Schuster, die ich bereits 2013 in diesem Blog vorgestellt habe.

alle Bilder © Lisa Korpos

 

22. Juli 2024 - 9:01

 

 

Dieses wunderbare Video der australischen Künstlerin Susan Flavell von 2016 zeigt ihren inzwischen verstorbenen Kelpie-Mix Dotness. Es ist Teil ihrer Werk-Serie "The Dog's Artist". Er sitzt auf einem Sofa, dessen Überwurf seinem Fellkleid ähnelt. Sein durchdringender Blick und seine Mimik laden dazu ein, ihn offen zu betrachten. Es fällt schwer, von diesem Wesen nicht vollkommen eingenommen zu sein!

"The Dog's Artist" umfasst Videoporträts, Porzellan- und Steingutskulpturen sowie Fotografien von Dotness. Die Künstlerin bringt uns ihre Liebe zu ihrer Gefährtin nahe. Da sie auch Hundetrainerin ist, beschäftigt sie sich nicht nur in künstlerischer Hinsicht intensiv mit dem Lesen von Gesichtszügen, Ausdrücken und Stimmungen von Hunden.

Sie hat Dotness auch in mehreren Büsten verewigt. Seit der Antike sind Büsten Teil der Erinnerungskultur und drücken private Wertschätzung aus. Die Büsten von Dotness fordern uns auf, genau hinzuschauen und den Hund - ebenso wie das kunstgeschichtlich vertrautere Subjekt Mensch - als individuelles Wesen zu begreifen.

 

The Dog's Artist © Susan Flavell

The Dog's Artist © Susan Flavell

The Dog's Artist © Susan Flavell

The Dog's Artist © Susan Flavell

The Dog's Artist © Susan Flavell

The Dog's Artist © Susan Flavell

The Dog's Artist © Susan Flavell

 

Auf den Fotografien ist Dotness mit Perlen geschmückt, wie ein königliches Subjekt der Anbetung, das wehmütig, in eine Aura der Traurigkeit gehüllt, in die Ferne blickt.

Viel konnte ich über Susan Flavell (*1964) nicht in Erfahrung bringen, nur dass sie 1985 ihren Bachelor of Arts (Fine Arts) an der Curtin University machte.

alle Bilder und Video © Susan Flavell

Fotofrafie, Skulptur, Video