Ich habe die Hunde gemietet. Ihre Trainerin warf Hühnchenstücke in Richtung des Bildschirms, damit sie hochguckten. In dem Moment musste ich auf den Auslöser drücken. Das Fleisch wurde später am Computer wieder entfernt. Und die Szene auf dem Screen auch. In Wirklichkeit haben die Hunde "Bambi" geguckt. (diCorcia zit.n. art)
Philip-Lorca diCorcia, The Hamptons, 2008, (Inkjet print 101,6 x 152,4 cm),
Courtesy the artist und David Zwirner, New York/London
Alle, die mit Hunden leben, wissen natürlich, dass sie sich nicht für Pornos interessieren, übrigens auch nicht für Bambi. Mein Hund schaut nur zum Bildschirm, wenn gleichzeitig aus dem Lautsprecher Gebell oder Vogelgezwitscher dringt. Sollten die Hunde also wirklich "Bambi" gesehen haben, war das wahrscheinlich eher ein Zugeständnis an die Hundetrainerin. Bemerkenswert ist für mich als Betrachterin (und vollkommener Laie in Theorie und Praxis der Fotografie) nicht der Inhalt, sondern der Aufwand der Inszenierung und Nachbearbeitung, der zu diesem nahezu hyperrealen Ergebnis führt. Und traurig stimmt mich das Foto auch als Darstellung eines "entfremdeten" Hundelebens in sterilem Interieur.
Philip-Lorca diCorcia bildet die Wirklichkeit nicht ab, zeigt uns keinen gelungenen Schnappschuss, sondern inszeniert und arrangiert detailreiche Kompositionen mit aufwändigen Lichtapparaturen. Die realitätsnahe Wiedergabe und der scheinbar dokumentarische Blick werden in seinen Arbeiten von einer ausgeklügelten Bild- und Lichtrregie unterwandert. Die Frage nach der Möglichkeit der Abbildung von Realität ist eines der Hauptthemen diCorcias und verbindet die seit 1975 überwiegend in Serien entstandenen Fotografien miteinander.
"The Hamptons" stammt aus seiner letzten Serie "East of Eden", die er 2008 begann. Erstmals werden Arbeiten dieses momentan in Entstehung begriffenen Projekts in der Schirn Kunsthalle Frankfurt im Rahmen einer Überblicksausstellung des OEuvres des US-amerikanischen Fotografen Philip-Lorca diCorcia (*1951) präsentiert. Die Ausstellung ist noch bis zum 13. September 2013 zu sehen.
Wenn Sie sich ausführlicher über Philip-Lorca diCorcia informieren wollen, finden sie mehrere Beiträge im Schirn-Magazin sowie Besprechnungen von z.B. Damian Zimmermann im Standard oder Karin Schulze im Spiegel.