Januar 2020

30. Januar 2020 - 15:43

David Titlow, Konrad Lars Hastings Titlow, 2014 © David Titlow

 

Auf den ersten Blick sehe ich drei Erwachsene auf einem Sofa sitzen, einen Säugling und einen Hund. Einer hält den Hund, sodass ihn das Kleinkind, das wiederum von einer jungen Frau gehalten wird, begrüßen kann. Das Kind berührt die Schnauze des Hundes mit seiner kleinen Hand. Der Bub, dessen Kopf vom Licht beleuchtet wird, sieht den Hund offen, freudig und interessiert an, zeigt einen Moment reiner Unschuld und strahlenden Staunens. Auch das Gesicht des jungen Mannes, der das Kind hält, ist beleuchtet. Die gesamte Szene wird von den Erwachsenen, die das Kind umgeben, mit bedächtigen Blicken beobachtet.

Die Farbstimmung wird durch sanfte dunkle Grau- und Grüntöne bestimmt. Gesichter, Sofa und die romantisch gemusterte Tapete sind in leichtem Grau-Rosa gehalten. Sogar die Getränkedosen passen sich der dunkelgrünen Tonalität an. Alles scheint wohl durchkomponiert zu sein (die Armhaltungen des Kindes und des jungen Mannes, die einander spiegeln; die Vorderbeine des Hundes, die parallel zum Unterarm des Kindes sind usw.)

Auf den zweiten Blick erkenne ich die Ähnlichkeit zu einem barocken Gemälde, wie es zum Beispiel von Bartolomé Esteban Murillo gemalt sein könnte. Erinnert das Gesicht des jungen Mannes rechts nicht an eine pausbäckige Knabendarstellung des spanischen Malers, lässt uns die ganze Szene nicht an Murillos Darstellung der Hirten denken, die Jesus ein Geschenk bringen? Sicher eröffnen sich noch andere Szenen der heiligen drei Könige und des Jesuskindes, wenn man nur länger in der Kunstgeschichte unter den "Alten Meistern" sucht.

Verkleinert man den Bildausschnitt zur Szene der Berührung landet man sogar bei Michelangelos "Erschaffung Adams", paraphrasiert zu God created Dog.

Natürlich haben wir keinen alten Meister vor uns, sondern einen zeitgenössischen Meister der Fotografie, den britischen Künstler David Titlow. Die Fotografie zeigt seinen kleinen Sohn, betitelt: Konrad Lars Hastings Titlow.

Obwohl ich so viel in Beleuchtung, Komposition, inhaltliche Zitierung hineininterpretiert habe, ist das Foto ist gänzlich uninszeniert. Titlow erweist sich hier nach eigenen Angaben als Meister des Schnappschusses.

Das Foto zeigt den Morgen nach einer Mittsommerparty in Rataryd in Schweden, an dem es zu einer zufälligen Begegnung zwischen einem Baby und einem Hund kommt.

 

“Everyone was a bit hazy from the previous day’s excess. My girlfriend passed our son to the subdued revellers on the sofa – the composition and back light was so perfect I had to capture the moment.” (zit. n. National Portrait Gallery)

 

Das Foto fängt also einen spontan aufgenommen Moment ein, in dem Komposition, Licht und Schatten zufällig eine wundersam schöne und stimmige Szene hervorbringen - nicht zuletzt durch die Präsenz und das Charisma des kleinen Porträtierten, der das Bild aus der Masse der Kinderporträts (mit Hund) hervortreten lässt.

David Titlow arbeitet in London als Porträt-, Werbe- und Modefotograf für zahlreiche Magazine, darunter Esquire, The Times, The Telegraph, Vice, Vanity Fair und Rolling Stone. Ursprünglich verfolgte er eine musikalische Karriere, wechselte aber in den frühen neunziger Jahren zur Fotografie. 2014 hat er für das oben vorgestellte Foto den Taylor Wessing Photographic Portrait Prize gewonnen.

Der jährlich vergebene Preis gilt als einer der renommiertesten europäischen Preise für Porträtfotografie, obwohl ich bei meinen Recherchen auch auf kritische Stimmen gestoßen bin, die das Klischeehafte der prämierten Fotografien bemängeln. Auf Titlows Werk trifft das zweifellos nicht zu!

 

Foto © David Titlow

Fotografie
20. Januar 2020 - 19:37

Eine Ausstellung, die genau zum Thema meines Blogs passt, findet zur Zeit im Bayerischen Nationalmuseum statt: "Treue Freunde - Hunde und Menschen".

Leider habe ich sie (noch) nicht gesehen, allerdings schon einen begeisterten Bericht meiner Freundin Mignon Dobler erhalten (ich habe ihre Hunde Polly und Lise gemalt). Ich muss leider mit Presseberichten und -fotos das Auslangen finden. Auf die Ausstellung aufmerksam gemacht hat mich übrigens Susanne Boecker, die immer wieder an mich denkt, wenn es Hund-und-Kunst-Relevantes gibt!

Mehr als 200 Werke der bildenden Kunst und Alltagskultur werden in zwölf Kapiteln präsentiert und spüren den vielfältigen Aspekten der Hund-Mensch-Beziehung nach. Die Darstellung dieser Beziehung spannt sich von der Antike (ägyptischen Hunde-Mumie) bis zum zeitgenössischen Hunderoboter, von der Kunst zur Kulturgeschichte, von adeligen Hundehalterinnen (Queen) bis zu Adeligen des Humors (Loriot).

In einzelnen Abschnitten werden unter anderem Partnerschaft, Statussymbole, Helfer, Hundeliebe, Hundekult, Trendsetter, Spielereien und Bösartigkeiten thematisiert. Im Kapitel Hundefreundschaft geht es um Prominente mit Hund und nicht - wie von mir fälschlicherweise vermutet - um Hunde und ihre (Hunde)Freunde und Freundinnen.

Der Anlass für die Ausstellung (als ob es eines Anlasses bedürfte!) ist übrigens die vor 100 Jahren erfolgte Erstveröffentlichung von Thomas Manns "Herr und Hund", einem Porträt seines Hühnerhund-Mischlings Bauschan.

Ein paar Exponate:

 

Richard Dodd Widdasnach dem Original von Alfred Dedreux, Armer Hund und reicher
Richard Dodd Widdas nach dem Original von Alfred Dedreux, Armer Hund und reicher Hund,
Kingston upon Hull, um 1850/60 © Städtisches Museum Überlingen

Johann Georg Waxschlunger (?), Dogge mit Welpe, München, Anfang 18. Jh. © Baye
Johann Georg Waxschlunger (?), Dogge mit Welpe, München, Anfang 18. Jh.
© Bayerisches Nationalmuseum

Hans Schöpfer der Ältere, Gabriel Ridler, München, 1532 © Bayerisches Nationalmu
Hans Schöpfer der Ältere, Gabriel Ridler, München, 1532
© Bayerisches Nationalmuseum, Foto Bastian Krack

Hofnarr der Familie Fugger-Nordendorf mit zwei Hunden, Süddeutschland, 1. Hälfte
Hofnarr der Familie Fugger-Nordendorf mit zwei Hunden, Süddeutschland, 1. Hälfte 17. Jh
© Privatbesitz, Süddeutschland

Lieblingshund König Ludwig I., München, um 1850 © Bayerisches Nationalmuseum, Fo
Lieblingshund König Ludwig I., München, um 1850
© Bayerisches Nationalmuseum, Foto Bastian Krack

Nadin Rüfenacht, Nature Morte, Burgdorf/Schweiz, 2005 © Sammlung Würth, Foto Phi
Nadin Rüfenacht, Nature Morte, Burgdorf/Schweiz, 2005
© Sammlung Würth, Foto Philipp Schönborn, München

Ferdinand von Keller, Selene, Karlsruhe, 1886 © Kunkel Fine Art, München
Ferdinand von Keller, Selene, Karlsruhe, 1886 © Kunkel Fine Art, München

Thomas Theodor Heine, Siegfried, Dießen am Ammersee, 1921 © Print & Coffee
Thomas Theodor Heine, Siegfried, Dießen am Ammersee, 1921 © Print & Coffee

Ferdinand Georg Waldmüller, Waldmüllers Sohn Ferdinand mit Hund, Wien, 1836 © Ba
Ferdinand Georg Waldmüller, Waldmüllers Sohn Ferdinand mit Hund, Wien, 1836
© Bayerische Staatsgemäldesammlungen

 

Heute habe ich endlich meinen Katalog zur Ausstellung (Deutscher Kunstverlag, 320 Seiten, 262 Abb., ISBN: 978-3422981089) bekommen, einen umfangreichen Wegweiser durch die Vielfalt der Mensch-Hund-Beziehung zum Staunen und Schmökern. Sicher kein Ersatz für einen Ausstellungsbesuch, aber trotzdem mehr als ein Trostpflaster!

Hedy hat schon entschieden, wer zuerst reinschauen darf!

 

Hedy nimmt sich den Ausstellungskatalog © Petra Hartl

Hedy schmökert im Ausstellungskatalog © Petra Hartl

Hedy schmökert im Ausstellungskatalog © Petra Hartl

Zu viel Text, Hedy fallen die Augen zu! © Petra Hartl

 

Die Sonderausstellung "Treue Freunde - Hunde und Menschen" ist im Bayerischen Nationalmuseum noch bis zum bis 19. April 2020 zu sehen, jeweils Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr sowie Donnerstag bis 20 Uhr.