Skulptur

22. Juli 2024 - 10:01

 

 

Dieses wunderbare Video der australischen Künstlerin Susan Flavell von 2016 zeigt ihren inzwischen verstorbenen Kelpie-Mix Dotness. Es ist Teil ihrer Werk-Serie "The Dog's Artist". Er sitzt auf einem Sofa, dessen Überwurf seinem Fellkleid ähnelt. Sein durchdringender Blick und seine Mimik laden dazu ein, ihn offen zu betrachten. Es fällt schwer, von diesem Wesen nicht vollkommen eingenommen zu sein!

"The Dog's Artist" umfasst Videoporträts, Porzellan- und Steingutskulpturen sowie Fotografien von Dotness. Die Künstlerin bringt uns ihre Liebe zu ihrer Gefährtin nahe. Da sie auch Hundetrainerin ist, beschäftigt sie sich nicht nur in künstlerischer Hinsicht intensiv mit dem Lesen von Gesichtszügen, Ausdrücken und Stimmungen von Hunden.

Sie hat Dotness auch in mehreren Büsten verewigt. Seit der Antike sind Büsten Teil der Erinnerungskultur und drücken private Wertschätzung aus. Die Büsten von Dotness fordern uns auf, genau hinzuschauen und den Hund - ebenso wie das kunstgeschichtlich vertrautere Subjekt Mensch - als individuelles Wesen zu begreifen.

 

The Dog's Artist © Susan Flavell

The Dog's Artist © Susan Flavell

The Dog's Artist © Susan Flavell

The Dog's Artist © Susan Flavell

The Dog's Artist © Susan Flavell

The Dog's Artist © Susan Flavell

The Dog's Artist © Susan Flavell

 

Auf den Fotografien ist Dotness mit Perlen geschmückt, wie ein königliches Subjekt der Anbetung, das wehmütig, in eine Aura der Traurigkeit gehüllt, in die Ferne blickt.

Viel konnte ich über Susan Flavell (*1964) nicht in Erfahrung bringen, nur dass sie 1985 ihren Bachelor of Arts (Fine Arts) an der Curtin University machte.

alle Bilder und Video © Susan Flavell

Fotofrafie, Skulptur, Video
5. Juli 2024 - 21:15

Irina Bartels, Julia Belot, Eberhard Bitter, Piot Brehmer, Hagga Bühler, Julija Burdack, Ankalina Dahlem, Claudia Dermutz, Anja Flügel, Sieglinde Gros, Claudia Grünig, Prof. Ottmar Hörl, Susana Infurna Buscarino, Ewald Janz, Heike Jeschonnek, Andrea Legde, Petra Meyer, Sibylle Möndel, Kerstin Römhild, Welf Schiefer, Dorothea Schüle, Antje Vega, Elke Vogelsang, Elizabeth Weckes, Viola Welker, Sandra Wörner, Dagmar Wolf-Heger, Ulrike Zimmermann:

Das ist die umfangreiche Liste der ausstellenden deutschen und osteuropäischen Künstler und Künstlerinnen beim Kunstsommer Burg Wertheim, organisiert vom Galeristen Axel Schöber und unterstützt durch die Stadt Wertheim. Vom 7. Juli bis zum 18. August 2024 widmet sich das Neue Archiv ganz dem Hund: "DOGS – zwischen Instinkt und Zuneigung" beleuchtet die Bandbreite, die im Titel angesprochen wird, anhand von Druckgrafik, Fotografie, Malerei, Objekt, Skulptur und Zeichnung.

Um Ihnen einen kleinen Vorgeschmack zu geben, habe ich mir vier Künstlerinnen ausgesucht, die ich kurz vorstelle:

Sibylle Möndel (*1959 in Stuttgart/D) verbindet die Technik des Siebdrucks mit gestischer Malerei in stiller zurückhaltender Farbigkeit. Dazu bearbeitet die Künstlerin Fotografien oder Fotofragmente auf dem Computer, die dann in der Technik des Siebdrucks auf die Leinwand gedruckt werden. Aus dem einfachen flachen Druck eines Schäferhundes erzeugt Sibylle Möndel mit wenigen groben informellen horizontalen und vertikalen Pinselstrichen eine mehrschichtige Landschaft mit Tiefe. Der Hund scheint etwas zu betrachten, was für uns im Verborgenen liegt: Rätselhaftigkeit entsteht.

 

o.T., Siebdruck, Ölfarbe auf Leinwand © Sibylle Möndel

 

Julia Belot möchte nur das Gute und Schöne malen und das Liebenswerte ergründen. Alles Negative bleibt im Verborgenen. Ihrer Absicht wird sie durchaus gerecht. Um das Positive noch mehr hervorzuheben, setzt sie eine über die Natur hinaus gehende, in ihrer Intensität gesteigerte Farbigkeit ein. "Traumland" heißt eine ihrer Serien, und im Traumland ist es so schön und friedlich, wie es nur die kindliche Fantasie imaginieren kann und Mensch und Tier märchenhaft nebeneinander existieren.

 

Iza und zwei Wölfe, 2015 © Julia Belot

 

Elizabeth Weckes (*1968 in Willich/D) steuert Foxy bei! Er ist Teil einer Serie, die angeleinte Hunde beim Gassigehen zeigen. Unwichtiges wie Frauchen und Herrchen sind im Bild angeschnitten und bloß als ausschreitendes Beinpaar präsent.

 

Foxy, Red Handbag, 2024  © Elizabeth Weckes

 

Vielleicht sehen Sie im Neuen Archiv erstmals eine Hunderudel-Skulptur von Sieglinde Gros (*1963 in Darmstadt/D), deren Werk bisher auf die menschliche Figur und Figurengruppen ausgerichtet war. Die Bildhauerin arbeitet mit Kettensäge und Stemmeisen, lässt die Arbeitspuren und den Holzblock als Ausgangsmaterial sichtbar. Wie lust- und energievoll die Befreiung der "Meute" aus dem Holz vor sich geht! Diese Hunde zögern nicht!

 

Meute, 2024 © Sieglinde Gros

 

Die Vernissage findet am 7. Juli 2024 um 11:30 Uhr mit einer Einführung des Kurators Axel Schöber statt. Im Rahmenprogramm wird er selbst über Kunst und Künstliche Intelligenz referieren, Ottmar Hörl spricht über den Kunstmarkt, Dagmar Wolf-Heger über Wölfe im Schutzraum. Am letzten Tag der Ausstellung können die Besucher und Besucherinnen eine Künstlerin beim Schaffensprozess beobachten: Sandra Wörner wird vor dem Publikum zeichnen.

Die Öffnungszeiten und Termine des Rahmenprogramms können Sie hier nachlesen.

 

Ausstellung, Malerei, Skulptur
24. Juni 2024 - 10:56

Rostige Nägel, Metallteile, Zwirnspulen, Bürsten als Mähnen, Kämme als Geweih: Das sind neben Treibholz die Hauptbestandteile der liebenswerten Tierskulpturen der Britin Kirsty Elson.

 

Pudel © Kirsty Elson

 

Für Kirsty Elson ist ein Stück Treibholz oder ein Metallstück mehr als Schutt oder Abfall. Sie sieht in ein paar alten Nägeln die dünnen Beinchen eines schleichenden Fuchses; leere Garnspulen werden zu Rädern des Skatboards eines kecken Hundes, dessen rostige Metallohren im Windkanal flattern. Gegen den Fahrtwind wärmt ein Mantel aus einem grünen Stofffetzchen.

 

Hund auf Skateboard © Kirsty Elson

Hund © Kirsty Elson

Promenadenmischung © Kirsty Elson

 

Kirsty Elson sammelt am Strand von Cornwall nach Treibholz und  haucht den alten Teilen neues Leben ein, verwandelt sie auf erstaunliche Weise in skurrile, verspielte und humorvolle Tierskulpturen. Dabei geht sie nicht von der Idee zu einem Tier aus, sondern lässt sich vom gefundenen, einzigartigen Material anregen, die Formen, Farben und Texturen sind der Ausgangspunkt für ihre recycelten "Kleinode".

 

“The great thing about driftwood is that each piece is very different. I tend to let the materials lead me, rather than having an idea in my head and trying to find a piece to fit my idea. I let the materials do the work really.” (vgl. Playjunkie)

„Das Großartige an Treibholz ist, dass jedes Stück sehr unterschiedlich ist. Ich neige dazu, mich von den Materialien leiten zu lassen, anstatt eine Idee im Kopf zu haben und zu versuchen, ein Stück zu finden, das zu meiner Idee passt. Ich lasse die Materialien wirklich die Arbeit machen.“

 

 

Hund mit Ball © Kirsty Elson

Hund mit Pullover © Kirsty Elson

Dackel © Kirsty Elson

Dackel (Detail) © Kirsty Elson

Hundekopf © Kirsty Elson

Bär © Kirsty Elson

Pferd © Kirsty Elson

Elch © Kirsty Elson

Elefant © Kirsty Elson

Fuchs © Kirsty Elson

 

Kirsty studierte Illustration und Druckgrafik an der Cambridge School of Art. Nach der Geburt ihres ersten Kindes zog ihre Familie nach Cornwall, wo sie heute lebt und arbeitet. Sie begann mit der Gestaltung und Herstellung von Grußkarten aus winzigen Treibholzsplittern, dann konzentrierte sie sich auf die Gestaltung kleiner Strandhäuschen, Leuchttürme und idyllische Küstenszenen. Erst in letzter Zeit konzentriert sie sich ganz auf ihre Tierskulpturen.

alle Bilder © Kirsty Elson

 

Skulptur
27. Mai 2024 - 10:48

Six Thirty, Ausstellungsansicht Hanley Gallery New York © Elizabeth Jaeger,  Fot

 

Das  Werk der amerikanischen Künstlerin Elisabeth Jaeger, die vor allem poetische Skulpturen und Keramikobjekte zu Installationen zusammenführt, konzentriert sich auf figurative Darstellungen und ihre komplexen Beziehungen. Sie geht dabei oft von einer persönlichen Erfahrung, etwas bewusst Erlebtem oder der Beobachtung einer Situation aus. Auf zwei ihrer Installationen, "6:30" von 2014 und "Prey" (Beute) von 2023 möchte ich näher eingehen, weil Hunde darin vorkommen.

Die menschliche Figur hat die Künstlerin schon immer interessiert, weil sie in der Lage ist, Gesten zu zeigen, Bewegung anzudeuten und dadurch Kommunikation anzuregen und Emotionen auszulösen. Da sie allerdings in besonderem Maße von künstlerischen Qualitäten wie etwa der Materialität ablenkt, beginnt Jaeger mit anderen Formen zu arbeiten: Hunde, Vögel, Fische und Gefäße, um nur einige zu nennen.

Wesentlich für die Figuration, für die Körper im Raum ist auch deren Beziehung zur Umgebung, die sich in Gesten oder Blicken äußert. Dies gilt auch für die Arbeiten mit Tieren: Die Vögel, Hunde, Ratten blicken alle nach außen und implizieren eine Welt um sie herum. Wenn der Betrachter ihren Blicken begegnet, entsteht für einen Moment eine gemeinsame Welt, eine gleichzeitig reale und imaginäre Welt.

Unten sehen Sie Installationsansichten zu "6:30" aus der Galerie Hanley in New York.

 

Six Thirty, Ausstellungsansicht Hanley Gallery New York © Elizabeth Jaeger,  Fot

Six Thirty, Ausstellungsansicht Hanley Gallery New York © Elizabeth Jaeger,  Fot

Six Thirty, Ausstellungsansicht Hanley Gallery New York © Elizabeth Jaeger,  Fot

Six Thirty, Ausstellungsansicht Hanley Gallery New York © Elizabeth Jaeger,  Fot

 

"6:30": Morgengrauen oder Abenddämmerung? Eine Installation im Grenzbereich zwischen Anfang oder Ende des Tages. Spärliche Einrichtungsgegenstände aus geschweißtem Metall, darunter ein Kinderbett mit Resten von Tierhaar, Regale, leere Sessel und ein Waschbecken befleckt von einer verdunsteten Flüssigkeit, bilden ein häusliches Tableau, das auf eine flüchtige Erzählung anspielt. Ein Rudel weißer Windhunde aus Keramik und Hydrocal steht Wache, ihre Leinen schleifen über den Boden und weisen auf die abwesende menschliche Existenz hin.

Die Hunde sehen den Betrachter an, ja fixieren ihn, sodass es unmöglich ist, ihre Blicke nicht zu erwidern. Ihr wissender Blick lässt unsere eigenen tragischen Dramen vorausahnen, bevor wir in der Lage sind, das Geschehene zu erkennen und zu artikulieren. Das Gefühl der Verletzlichkeit, das sich wie ein roter Faden durch Jaegers Wek zieht, macht sich breit. Was ist in diesem Raum passiert? Was ist schiefgegangen? Ein starkes und mysteriöses Gefühl der Beunruhigung und subtilen Unheimlichkeit entsteht, das trotz der scheinbaren Vertrautheit mit der Figürlichkeit der Objekte Jaegers Werk inhärent ist.

 

Six Thirty, Ausstellungsansicht Hanley Gallery New York © Elizabeth Jaeger,  Fot

Six Thirty, Ausstellungsansicht Hanley Gallery New York © Elizabeth Jaeger,  Fot

Six Thirty, Ausstellungsansicht Hanley Gallery New York © Elizabeth Jaeger,  Fot

Dog, 2014  © Elizabeth Jaeger, Foto Adam Reich

Dog, 2014  © Elizabeth Jaeger, Foto Adam Reich

Dog, 2014  © Elizabeth Jaeger, Foto Adam Reich

Louie (Dog9), 2014 © Elisabeth Jaeger, Foto Adam Reich

 

Hunde blicken uns mit beredter Präsenz an! Zugleich ist ihre emphatische Schönheit und Würde offensichtlich. Als hätten sie die Fähigkeit zum Ausharren und ein ihnen innewohnendes Wissen, das über ihre Stille hinausgeht.

 

Dog 1, 2014  © Elizabeth Jaeger, Foto Adam Reich

 

Wie bei "6:30" geht es auch bei "Prey" um die Erfahrung des Schauens und Angeschautwerdens. In einer besiedelten Umgebung zu leben, bedeutet, dass man gesehen wird, während man andere ansieht und dass man intime Momente mit Fremden austauscht. In "Prey" haben die Menschen den Tieren Platz gemacht, die sich gegenseitig und uns beobachten.

Wenn unser Blick oft ein Machtverhältnis impliziert - der Mensch blickt das Tier an -, dann verschieben Jaegers Objekte die erwarteten Hierarchien zwischen Beobachter und Beobachteten. Und während ein menschenzentrierter Blick von der Vorstellung einer einzigen Welt ausgeht, die von einer Hierarchie von Lebewesen bewohnt wird, könnten wir stattdessen die Perspektiven anderer Lebensformen in Betracht ziehen.

Normalerweise haben wir das Gefühl, dass Tiere und Insekten in unserer Welt leben. Elizabeth Jaeger gibt uns zu verstehen, dass es nicht "unsere" Welt ist, sondern dass wir in ihrer Welt leben, dass wir in eine "natürliche", wenn auch fremde Umgebung eindringen, die alleine - ohne den Menschen - funktioniert und die Verbundenheit aller Lebewesen in den Mittelpunkt stellt.

 

Prey © Elisabeth Jaeger, Ausstellungsansicht Galerie Mennour, Paris 2023

 

Wir sehen eine unbewegliche, aber sehr lebendige Szene: Schnecken krabbeln auf den Wänden und hinterlassen eine Schleimspur, Hunde sind entweder schlafend oder wachsam, schwarze Vögel hocken an den Wänden, Ratten beobachten die Szene aus sicherer Entfernung. Wenn wir ihren Blicken folgen, können wir kleine Dramen zwischen Raubtier und Beute beobachten. Schilf wächst aus einem Sumpf heraus.

 

Prey © Elisabeth Jaeger, Ausstellungsansicht Galerie Mennour, Paris 2023

Prey © Elisabeth Jaeger, Ausstellungsansicht Galerie Mennour, Paris 2023

Prey © Elisabeth Jaeger, Ausstellungsansicht Galerie Mennour, Paris 2023

Prey © Elisabeth Jaeger, Ausstellungsansicht Galerie Mennour, Paris 2023

 

Exkurs: "Im Zuge des animal turn ist ein interdisziplinäres Interesse daran geweckt worden, sich konkreter mit der philosophischen Frage auseinanderzusetzen, wie die Begriffe "Mensch", "Person" und "Tier" miteinander zusammenhängen und ob eine Erweiterung des Personenbegriffs in die Sphäre des Tierlichen hineingreifen kann" (Ina Karkani in Tierstudien 25, S 83). So untersucht z.B. der zeitgenössische italienische Philosoph Giorgio Agamben in "The Open" die Art und Weise, in der der "Mensch" entweder als eine besondere und überlegene Art von Tier oder als eine Art von Wesen, das sich wesentlich vom Tier unterscheidet, betrachtet wurde.

Wie er ausführt, "bewegen sich die Fliege, die Libelle und die Biene, die wir an einem sonnigen Tag neben uns fliegen sehen, nicht in derselben Welt wie die, in der wir sie beobachten, noch teilen sie mit uns - oder miteinander - dieselbe Zeit und denselben Raum". (vgl. Giorgio Agamben, zit. n. Marie Catelano, Press Release Galerie Mennour, übersetzt mit DeepL)

 

(...) “the fly, the dragonfly, and the bee that we observe flying next to us on a sunny day do not move in the same world as the one in which we observe them, nor do they share with us—or with each other—the same time and same space.”

 

So ist es auch im Sumpf von Jaegers Installation, wo eine Vielzahl von Welten artenübergreifend nebeneinander existieren. Die dualen Umgebungen, aus denen sich "Prey" zusammensetzt, ermöglichen es, uns eine Welt vorzustellen, in der wir nicht mehr im Mittelpunkt stehen, sondern vielmehr in einer Ökologie von Lebewesen eingebunden sind, die uns beobachten.

Wir sehen Dinge, aber wir spüren, dass etwas anderes passiert, zu dem wir keinen Zugang haben. Es ist beunruhigend und auf eine vage Weise bedrohlich. Eine Möglichkeit Zugang zur fremden Welt zu erlangen, ist die Empathie, ein Gefühl, das über die Grenzen der Sprache hinausgeht. Unsere Einfühlung wird dergestalt integraler Bestandteil des Werks selbst.

 

Prey © Elisabeth Jaeger, Ausstellungsansicht Galerie Mennour, Paris 2023

 

Ihre intimen Kontemplationsräume, die diffuse Emotionalität erzeugen, sind mit Objekten bewohnt bzw. bevölkert, deren Fragilität durch dunkle Materialität und die Härte und Strenge des Materials gebrochen wird. Amorphe Formen sowie Formen aus Flora und Fauna werden mit geometrischen Stahlkonstruktionen kombiniert, es entsteht eine Ambivalenz zwischen vertrauter Form und abstrakter Brechung.

Ihre Materialien sind einfach, aber haptisch: Ton, Keramik, Gips, Stahl, Seide und Glas zeigen und bewahren den "Abdruck", der Künstlerhand. Sie sind Mittel, um ein neues visuelles Vokabular zu schaffen, das seltsam vertraut und doch magisch aufgeladen erscheint.

Hier sehen sie Hedy mit der von Jessica Ullrich herausgegebenen Fachzeitschrift "Tierstudien". Die interdisziplinären Tierstudien widmen sich im Kontext der neu entstandenen Animal Studies dem Verhältnis von Mensch und Tier, indem sie vor allem, aber nicht nur aus kultur- und geisteswissenschaftlicher Perspektive kulturell und historisch bedingte Vorstellungen, Bilder und Repräsentationen von Tieren, aber auch aktuelle Praktiken und Theorien der Tier-Mensch-Beziehung untersucht.

 

Hedy mit Tierstudien, Foto Petra Hartl

Hedy mit Tierstudien, Foto Petra Hartl

 

Einen schönen Gedanken der Künstlerin möchte ich ans Ende stellen. Auf die Frage nach ihren Einflüssen, nennt sie neben der Künstlerin Louise Bourgeois einen abstrakten Begriff:

 

"The word “simultaneous” and the sense of how large and diverse and multifaceted the world is. Whether it's by physical (or social media-haha) travel, meeting another person with no shared spoken language but a deep mutual affinity, finding another artist’s work from a completely different time and/or place and really feeling like you understand it, or sharing an inexplicable meaningful moment with an animal - these give me hope of the possibility of real communication and love, and with that the possibility of peace." (zit. n. Sonam Khetan)

"Das Wort "simultan" und das Gefühl, wie groß, vielfältig und facettenreich die Welt ist. Ob man nun physisch (oder über soziale Medien - haha) reist, eine andere Person trifft, die keine gemeinsame Sprache spricht, aber eine tiefe gegenseitige Verbundenheit empfindet, das Werk eines anderen Künstlers aus einer völlig anderen Zeit und/oder an einem anderen Ort entdeckt und wirklich das Gefühl hat, es zu verstehen, oder einen unerklärlich bedeutungsvollen Moment mit einem Tier teilt - all das gibt mir Hoffnung auf die Möglichkeit echter Kommunikation und Liebe und damit auf die Möglichkeit von Frieden." (übersetzt mit DeepL)

 

Lost dog, 2021 © Elisabeth Jaeger
Foto von Klemm's

 

Elizabeth Jaeger (*1988 in San Francisco, USA) besuchte das Lewis and Clark College in Portland, Oregon, die School of the Art Institute of Chicago und die École Nationale Supérieur des Arts in Nancy. Sie lebt und arbeitet in New York. Ihr Werk reicht von der Bildhauerei über die Herstellung von Büchern und Kleidung bis zur Seidenmalerei. Elizabeth Jaeger hat ihre Arbeiten in Galerien und Zeitschriften in den gesamten Vereinigten Staaten ausgestellt und veröffentlicht. Gemeinsam mit Sam Finn hat sie den Verlag Peradam gegründet, der handgefertigte Künstlerbücher herstellt.

 

Quellen: Galerie Mennour Paris, Galerie Klemm's Berlin, Sonam Khetan, Berlin Art Link, Jack Hanley Gallery New York, Elisabeth Jaeger Instagram

alle Bilder (außer Hedy) © Elisabeth Jaeger

 

Installation, Skulptur
30. April 2024 - 13:42

With what eyes? Mit welchen Augen schaut sie uns an? Mit welchen Augen blicken wir zurück?

 

you burn me, 2023 © Rodrigo Hernandez

 

Selten mache ich eine Ausnahme und zeige Ihnen andere Tiere als Hunde. Die Tierbilder des mexikanischen Malers Rodrigo Hernández sind derart sensibel, empathisch und still, dass ich sie ihnen nicht vorenthalten will. Für mich scheinen die Gemälde Teil eines vergangenen paradiesischen Zustands oder einer ersehnten Utopie zu sein. Wenn ich daran denke, wie Menschen mit Tieren, besonders auch mit Affen, die uns doch so ähnlich sind, umgehen, scheinen diese friedvollen Darstellungen Wunschträume zu sein.

Die Fledermäuse und Äffchen sind weich und sanft gemalt: Feine Härchen wie Flaum; dunkle und zarte Haut der Nasenlöcher und Ohren - glänzend und lebendig gemalt - setzt ihre feinen Sinne buchstäblich ins Licht. Die Bilder sind detailreich und unaufgeregt, aber zu perfekt und ätherisch, um realistisch zu sein. In der Darstellungsweise spiegelt sich die Haltung des Künstlers wider: Er bezieht Stellung für die Tiere, indem er das menschliche Subjekt in den Hintergrund rückt und auf den mexikanischen Philosophen David M. Peña-Guzmán Bezug nimmt, der fragt: Sind die Menschen die einzigen Träumer auf der Erde?

Hernández reflektiert die kognitiven und emotionalen Erfahrungen nichtmenschlicher Tiere, indem er literarische, philosophische und wissenschaftliche Perspektiven in sein Werk miteinbezieht, wobei die Gemälde nur Teil umfangreicherer Installationen und Ausstellungsdesigns sind. Er löst den Diskurs über das Träumen aus dem allgegenwärtigen Rahmen der menschlichen Erfahrung.

Wir sehen eine Serie schlafender Affen und Fledermäuse. Aber sind es auch träumende Tiere? Die schlummernden Geschöpfe geben keine weiteren Details zur Interpretation darüber, was sie erleben, werfen aber viele Fragen auf. In ihrer Stille liegt eine uns unbekannte Welt.

 

stars around this beautiful moon (1) 2023 © Rodrigo Hernandez, Foto Marjorie Bru

 

Das zarte Tier hängt kopfüber, hat seine Flügel eingezogen, scheint sich selbst mit ihnen zuzudecken. Die andere Fledermaus schläft mit ausgebreiteten Flügeln. Beide scheinen in sich gekehrt und ganz bei sich selbst zu sein. Beim Anblick dieser Bilder ist es kaum vorstellbar, wie diese kleinen Wesen oft von Menschen als Vampire dämonisiert werden.

 

stars around this beautiful moon (5) 2023 © Rodrigio Hernandez, Foto Marjorie Br

 

Können wir mit Gewissheit sagen, dass Tiere im Schlaf träumen? Mit welchen Augen könnten wir die Träume nichtmenschlicher Tiere betrachten? Was würden wir sehen, wenn wir in die Träume eines nichtmenschlichen Lebewesens hineinschauen könnten? Was würde enthüllt werden? Und wie könnten wir diese Visionen zurückübersetzen? Ist unsere Vorstellung vom Träumen unweigerlich mit der Sprache verbunden?

Die Praxis von Rodrigo Hernández wird vom Impuls bestimmt, den Zwängen der physischen Sprache zu entkommen. Er verleiht einer Idee, einem Konzept oder einem Gemälde mehr Substanz als es das geschriebene oder gesprochene Wort hätte. Das Ergebnis dieser offensichtlichen Schwierigkeit, sich verbal auszudrücken, materialisiert sich in Hernández' Werk durch die Schaffung von stillen Bildern, die bleibende Momente des Zweifels und der Unsicherheit hervorrufen.

Er versucht in seiner bildnerischen Praxis nicht zu klären oder Sicherheit herzustellen, sondern die Linien der Kategorisierung zwischen nichtmenschlichen Tieren und menschlichen Tieren zu verwischen.

 

stars around this beautiful moon (2) 2023 © Rodrigo Hernandez, Foto Marjorie Bru

 

Ein kleiner Exkurs: Ich erinnere mich an einen Vortrag, den der amerikanische Tierrechtsanwalt Steven Wise vor über zwanzig Jahren in Wien gehalten hat.

Steven Wise tritt seit mehreren Jahrzehnten für die Zuerkennung des Stauts als Rechtssubjekte für Tiere nach dem von ihm so benannten Kriterium der "practical autonomy" ein. Dabei plädiert er dafür, Tieren, die einen Sinn des "Ich" besitzen, die intentional handeln und Wünsche haben, zwei elementare Grundrechte - den Anspruch auf körperliche Unversehrtheit und Freiheit - zuzuerkennen. In seinem Buch "Drawing the Line: Science and the Case for Animal Rights" beschäftigt sich Wise mit der Frage, wo die Grenze zu ziehen sei, wenn erst einmal Affen Grundrechte eingeräumt würden. Was mir besonders in Erinnerung ist, ist seine Bemerkung: "Wir müssen die Linie mit dem Bleistift ziehen".

Noch René Descartes und Immanuel Kant betrachteten Tiere aufgrund ihres Mangels an Sprache, Vernunft und Vorstellungskraft als bloße Maschinen und stellten somit den Menschen über die Natur. Erst Charles Darwin, der fünf Jahre nach Kants Tod geboren wurde, postulierte, dass der Mensch von den Primaten abstammt und somit auch ein Tier ist. Darwin entfachte erneut wissenschaftliche und philosophische Debatten darüber, was es bedeutet, ein Mensch oder ein Nicht-Mensch zu sein. Wenn Menschen Tiere sind, bedeutet dies dann, dass nichtmenschliche Tiere auch andere "menschliche" Eigenschaften haben können und somit Anspruch auf einen moralischen Status haben? Sind sie in der Lage sich etwas vorzustellen und zu träumen?

Im Tierversuch laufen Ratten eine Strecke zu einer Futterquelle. Da sich die Gehirnaktivität im Wachzustand und im Schlaf perfekt widerspiegelt, schließen die Forscher daraus, dass die Ratten im Schlaf wiederholen, was sie gerade erlebt haben, sie also "Realitätssimulationen" durchführen. Oder, wie Peña-Guzmán es ausdrückt, die Ratten träumen davon, die Strecke zu laufen.

In dem Bemühen, eine Anthropomorphisierung der Erfahrung des nichtmenschlichen Tieres zu vermeiden, beschreiben die Forscher die Wiederholung der Wachaktivitäten der Ratten im Schlaf als eine Art Wiederholung und nicht als Traum. Einige Kritiker, darunter Peña-Guzmán, sind jedoch der Ansicht, dass die Feststellung kognitiver Ähnlichkeiten zwischen Menschen und nichtmenschlichen Tieren und die Weigerung, einen Begriff zu verwenden, der diese Gemeinsamkeiten anerkennt, zu einer Form von Anthropodenialität führen kann, was einen weiteren Keil zwischen unsere moralische und ethische Beziehung zur nichtmenschlichen Tierwelt treibt. Der Begriff "anthropodenial" geht auf Frans de Waal zurück, der damit die Blindheit gegenüber den menschenähnlichen Eigenschaften von anderen Tieren oder der tierischen Eigenschaften im Menschen meint.

Jeder Tiertraum ist je nach Tierart unterschiedlich. Während die Träume von Primaten eher visuell sind und einem menschlichen Traum näherkommen, sind die Träume von Fledermäusen eher klangvoll und uns daher aus menschlicher Sicht fremd. Trotz umfangreicher wissenschaftlicher Forschungen über den Tierschlaf, bleibt eine epistemische Lücke bestehen. Auf diese Leerstelle fokussiert Hernández Werk.

 

stars around this beautiful moon (3) 2023 © Rodrigo Hernandez, Foto Marjorie Bru

 

Entspannt schmiegt der kleine Affe seinen rosa Bauch an den dicken Ast, der Kopf ruht auf seinen Armen, die Augen sind fest geschlossen. Erschöpft gibt er sich dem Schlaf hin. Seine Mimik und Schlafposition wirken sehr menschlich.

 

stars around this beautiful moon (4) 2023 © Rodrigi Hernandez, Foto Marjorie Bru

 

Eine orange behandschuhte Hand umschließt eine im Schlaf lächelnde Fledermaus. Ist die Berührung zärtlich und beschützend oder kraftvoll und gefährlich? Hernández zeigt nur einen Ausschnitt der Szene, die Umgebung und die Person bleiben im Verborgenen und der Vorstellung überlassen. Das Orange des Handschuhs leuchtet grell und wirkt kaum vertrauenswürdig. Will die Hand wärmen und umsorgen oder missbrauchen und verletzen?

 

bat dream, 2023 © Rodrigo Hernandez

substitute for love, 2023 © Rodrigo Hernandez

 

In "Substitute for Love" bezieht sich Rodrigo Hernández auf die Harlow-Experimente der 1950er Jahre zur Erforschung der menschlichen Liebe und Zuneigung durch eine Reihe grausamer Affenversuche. Der Psychologe Harry Harlow trennte Baby-Makaken von ihren Eltern und bot ihnen verschiedene Attrappen als Mutterersatz an. Die Jungtiere suchten die Nähe einer weich gepolsterten "Mutter" und verließen diese nur zur Nahrungsaufnahme. Die früh isolierten Affen zeigten teils schwere Verhaltensstörungen und waren selbst nicht in der Lage, Nachwuchs zu versorgen.

Hernández‘ Ölgemälde ist eine direkte Referenz auf eines der während der Experimente aufgenommenen Fotos, auf dem ein kleiner verzweifelter Makake zu sehen ist, der die Stoffpuppe umarmt. Die Ergebnisse dieses zutiefst berührenden Experiments sagen viel über Mutterschaft, Liebe, und Bindung aus, noch mehr zeigen sie die fehlende Moral beim Missbrauchen von Tieren für die Wissenschaft.

 

Harlow-Experiment
Foto von hier

Draht- und Stoffmutter Surrogate
Foto Wikipedia

I would not think to touch the sky with two arms, 2023 © Rodrigo Hernandez, Foto

 

Auf dem Boden ruht ein in Bronze gegossener hohler Affenkopf und an den umliegenden Wänden hängen die kleinen Ölgemälde der schlafenden Tiere. Die Skulptur trägt den Titel: "I would not think to touch the sky with two arms", eine Zeile, die von Sappho entlehnt ist. Die feinen Gesichtszüge sind sehr menschlich, weshalb die Assoziation zu Constantin Brancusis "Schlafende Muse" leichtfällt.

 

Installationsansicht, stars around this beautiful moon, ChertLüdde, Berlin, 202

Installationsansicht, stars around this beautiful moon, ChertLüdde, Berlin, 202

 

"Flux of Things (Human & Monkey)" ist eine große, handgehämmerte silberne Metallarbeit, die aus acht einzelnen Paneelen aufgebaut ist. Das Werk basiert auf einer einfachen Strichzeichnung und zeigt einen Affen, der sich an eine menschliche Figur schmiegt. Dieser seltene Moment der Verbundenheit zwischen zwei unterschiedlichen Spezies drückt Empathie, Gemeinsamkeit und Hoffnung aus.

 

Flux of Things (Human and Monkey), 2023 © Rodrigo Hernandez, Foto Majorie Brunet

Flux of Things (Human ] Monkey), Detail, 2023 © Rodrigo Hernandez, Foto Majorie

With what eyes no 6, 2023 © Rodrigo Hernandez

With what eyes no9, 2023 © Rodrigo Hernandez

Monkey's dream, 2023 © Rodrigo Hernandez

 

Ein Affe umarmt eine Taube. Das, was uns unwahrscheinlich erscheint, dass eine zur schnellen Flucht fähige Taube sich umarmen lässt, hat Hernandez in Mexiko selbst beobachtet. Er hat diese kurze intime Berührung in einem gehämmerten Messingrelief festgehalten. Der Kontrast zwischen der Festigkeit des Messingblechs und der Zärtlichkeit des Moments, die auf ihm eingeschrieben ist, verleiht der Szene eine ganz besondere poetische und sensible Qualität. Die Arbeit ist Teil einer Installation aus zwölf Reliefs - "Nothing is Solid. Nothing can be held in my hand for long" - die ephemere Gesten der Zuneigung, Berührungen und Umarmungen darstellen.

 

Nothing Is Solid © Rodrigo Hernandez

 

Für uns Hundehalter scheint es evident, dass unsere Hunde träumen, wir brauchen keinen Beweis! Es gibt kaum etwas Spannenderes, als sie dabei zu beobachten: Zuckende Beine, Schwänze, die sich bewegen, grunzende Laute – wahrscheinlich werden zumeist Rehe und Hasen verfolgt! Auch wenn die Hunde in Wirklichkeit an der Leine waren und den Rehen nur nachschauten.

Die Menschheit allerdings wird niemals erfahren, was die schlafenden Hunde, Affen und Fledermäuse träumen, was in ihren Köpfen vorgeht. Die unbekannte Gedankenwelt ist vielleicht deren letztes Refugium.

Als Betrachtende sind wir aufgefordert den Werken von Rodrigo Hernández mit unserer subjektiven sinnlichen Erfahrung - mit Spüren, Fühlen, Wahrnehmen - gegenüberzutreten und sie nicht mit Rationalität zu betrachten.

Die gezeigten Arbeiten waren Teil seiner letzten Ausstellungen in der Galerie Chert Lüdde in Berlin und im CCA Wattis Institute in San Francisco. Seine Installationen - er fügt Wände und architektonische Elemente in den Ausstellungsraum - sollen dem Besuchen bewusst machen, wie er den Raum einnimmt, insofern sind seine räumlichen Konfigurationen Übungen in Perspektive und Wahrnehmung.

Rodrigo Hernández (*1983 in Mexico City/Mexiko) studierte an der Jan Van Eyck Akademie in Maastricht und an der Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe.

Quellen: Homepage Rodrigo Hernández, Galerie Chert Lüdde, Galerie Madragoa, Gallerytalk, Essay von Diego Villalobos

alle Bilder © Rodrigo Hernández

 

1. April 2024 - 10:06

"Der Schäfer ist ein Belgier", sagte mein (halb)lustiger Mann, als ich ihm vom Entwurf zu meinem neuen Blogbeitrag erzählte. Tatsächlich geht es in ihm aber um den Deutschen Schäferhund! Es ist die einzige Rasse, der ich sehr vorsichtig begegne. Sowohl zwei meiner Hunde als auch ich wurden schon von Schäferhunden gebissen. Die Zeit war längst gekommen, mich mit dem "Schäfer" näher zu befassen.

Einer, der sich intensiv mit dem German Shepard Dog (GSD) beschäftigt hat, ist der taiwanesische Künstler Wu Chuan-Lun (*1985 in Tainan/Taiwan). Ich möchte ihn anhand einer Ausstellung vorstellen, die er 2019 im Taipei Fine Arts Museum gezeigt hat. Die Ausstellung "No Country for Canine" war ganz dem Deutschen Schäferhund gewidmet - einer Hunderasse, die in der taiwanesischen und deutschen Geschichte, den beiden geografischen Berührungspunkten des Künstlers, präsent ist.

Wu nutzt sein persönliches Interesse - die Hunde - als Ausgangspunkt, um das Thema durch Sammeln, Klassifizieren, Studieren und künstlerisches Schaffen zu ergründen. Für seine konzeptionelle und forschungsbasierte Installationen setzt er eine Vielzahl von Medien ein: seine keramische Hundesammlung, eine Reihe von Skulpturen, Zeichnungen, Videos, Fotografien und Dokumente, die auf komplexe Weise miteinander verbunden sind.

 

When Collecting Becomes Breeding-Taiwan, 2012-2019 © Wu Chuan-Lun

 

Der Prozess des Sammelns bildet die Grundlage, um die Bedeutung der Objekte zu erforschen, aus denen er allmählich den zugrundeliegenden historischen und sozialen Kontext entschlüsselt. Am Topos Schäferhund erschafft er einen weitläufigen Diskursraum über Disziplinierung und Dominanz durch den Menschen, die Konstruktion nationaler Identität sowie die Geschichte von Krieg und Kolonialisierung. Der Deutsche Schäferhund wurde sowohl zu einem Emblem des Nationalismus als auch - als Sparbüchse - zu einer beliebten Massenware.

"No Country for Canine", hat der Künstler vom Roman "No Country for Old Men" des amerikanischen Schriftstellers Cormac McCarthy abgeleitet. Der ursprüngliche Romantitel bedeutet sinngemäß, dass die USA kein Land zum Altwerden seien. Das Ersetzen durch "Canine" und die dadurch erfolgte Substitution des Themas hat die kollektive Erinnerung an die Spezies der Hunde wachgerufen.

"When Collecting Becomes Breeding" - Taiwan: Seit etwa 2012 hat Wu Keramikspardosen in der Form des Deutschen Schäferhundes gesammelt, die in Taiwan, in Yingge, hergestellt wurden. Die Zeit, in der ihre Produktion begann, ist unklar, möglicherweise in den 1960er Jahren oder in der frühen Phase des raschen Wirtschaftsaufschwungs Taiwans. Ziemlich sicher wurde die Produktion in den 1990er Jahren aufgrund der Verlagerung von Fabriken eingestellt. (Die Töpfer- und Keramikindustrie wurde von der industriellen Revolution stark beeinflusst. Die Nachfrage nach Gebrauchskeramik wurde dank der ausgereiften Formtechnik befriedigt, die die Massenproduktion von Keramik ermöglichte. Die dekorative Keramik war nicht länger ein Luxusgegenstand, der nur der Oberschicht vorbehalten war, sondern wurde zum alltäglichen Haushaltsgegenstand breiter Bevölkerungsschichten.)

Deutsche Schäferhunde kamen während der japanischen Kolonialherrschaft nach Taiwan und wurden hauptsächlich von den oberen Gesellschaftsschichten gehalten. Daher waren sie lange Zeit als Symbol für Autorität, Überlegenheit und Kostbarkeit mit der Elite verbunden. Mit den kitschigen Sparbüchsen ahmte das einfache Volk die Kultur der Oberschicht nach. Die Spardose in Form des Deutschen Schäferhundes wurde zu einem beliebten Preis beim traditionellen Ringwurfspiel.

Von der Verarbeitung her nicht gerade exquisit, waren die "Sparschweine" wegen der Hundeform, der praktischen Möglichkeit, Geld zu sparen und als Dekoration beliebt. Neben dem Bett, auf dem Schreibtisch, im Schrank: Sie lächeln und begleiten Familien bis zum letzten Moment, wenn sie zerschlagen werden, um die Münzen aus ihren Bäuchen zu holen. Als Kindheitserinnerungen sind sie in mehreren taiwanesischen Generationen präsent.

Wie unsere lebenden vierbeinigen Freunde haben auch die Porzellanhunde ihre Eigenheiten. Sie nehmen zwar die gleiche, auf den Hinterbeinen sitzende Pose ein, aber einige sind schwarz, andere braun. Sie haben ausgefallene Schmuckhalsbänder oder rote Edelsteinaugen; einige sind groß und zottelig, andere klein und schlank.

 

When Collecting Becomes Breeding - Taiwan, 2019 © Wu Chuan-Lun

When Collecting Becomes Breeding-Taiwan, 2012-2019 © Wu Chuan-Lun

Domestication of Nations, 2019 © Wu Chuan-Lun

Domestication of Nations (Detail), 2019 © Wu Chuan-Lun

 

Die auf dem weißen Sockel arrangierten Schäferhundskulpturen bilden eine eigene Hundegesellschaft. Jeder für sich betrachtet, ist lediglich ein Objekt, eine Sparbüchse. In ihrer Gesamtheit betrachtet werden sie zu Trägern individueller und nationaler Geschichte.

"When Collecting Becomes Breeding" - Europe (2018-2019): Während eines Künstleraufenthalts in Berlin im Jahr 2017 erweiterte Wu seine Keramiksammlung um europäische Exemplare. Im Vergleich zu den Keramikhunden aus Taiwan nehmen die in Europa gefundenen Hunde meist eine liegende Position ein, eine Position, die in Taiwan nie verwendet wurde. Die Vorliebe für diese Haltung ist vielleicht auf die Absicht zurückzuführen, die Hunde als entspannt und unterwürfig darzustellen. Möglicherweise ist die Form der taiwanesischen Keramiken auch deswegen aufgerichtet, um den Platz im Brennofen optimal auszunutzen. Vielleicht sind es einfach unterschiedliche ästhetische Vorlieben.

 

When Collecting Becomes Breeding - Europe, 2019 © Wu Chuan-Lun

 

Wu recherchierte, führte Interviews, besuchte Züchter, um alles über die Geschichte des Deutschen Schäferhundes (Stammbäume, Zertifizierungen, seine Beziehung zur deutschen Bevölkerung und der Militärgeschichte des Landes) zu erfahren. Er ging der Frage nach, wie sich eine Hundeart zu einer Hunderasse entwickelt hat.

Ursprünglich war der deutsche Schäferhund ein einheimischer Hund, der auf dem Land beliebt war. 1899 verlieh ihm der Züchter Max von Stephanitz offiziell den Namen "Deutscher Schäferhund". Er legte den Zuchtstandard fest, um die Zucht und Ausbildung der Rasse zu kontrollieren und zu erleichtern und um die Erhaltung ihrer hervorragenden erblichen Eigenschaften zu gewährleisten. Später wurden die Schäferhunde bei Militär und Polizei eingesetzt. Seitdem sind sie eng mit der Militärgeschichte verbunden.

Während des Zweiten Weltkriegs, als sie beim Militär verschiedener Länder weit verbreitet waren, erreichte sie den Höhepunkt der Züchtung. (In Europa begann der Fanatismus für die Zucht von reinrassigen Hunden im 19. Jahrhundert, als die Hunde nicht mehr primär für die Arbeit, sondern zum Spielen und zur Gesellschaft gezüchtet wurden, sodass die Anforderungen an das Aussehen bei der Standardisierung der Rassen allmählich parallel zu denen an die Leistung liefen und diese sogar übertrafen.)

 

When Collecting Becomes Breeding - Europe, 2019 © Wu Chuan-Lun

When Collecting Becomes Breeding - Europe, 2019 © Wu Chuan-Lun

When Collecting Becomes Breeding - Europe, 2019 © Wu Chuan-Lun

 

In seiner Arbeit zeigt Wu, wie das Deutsche Reich die Zucht reinrassiger Schäferhunde zur Schaffung einer nationalen Identität (er war Symbol für Loyalität, Tapferkeit und Gehorsam) nutzte und wie das japanische Kolonialregime das Deutsche Reich kopierte und Schäferhunde z.B. als Militärhunde nach Taiwan brachte.

Als die Situation des Krieges für Japan angespannt wurde, wurden schließlich alle Deutschen Schäferhunde eingezogen, was vielen japanischen Hundehaltern in Taiwan schier das Herz brach. Die Kriegshunde wurden nach Kriegende weder zu Kriegsgefangenen, noch kehrten sie zu ihren Familien zurück. Aufgrund der Ressourcenknappheit auf dem Schlachtfeld wurden sie höchstwahrscheinlich getötet, um Pelzprodukte herzustellen, nachdem sie ihren Zweck als Militärhunde erfüllt hatten - unabhängig davon, wie loyal, mutig oder freundlich sie zu den Menschen gewesen waren.

Die Arbeit "Formation Deformation Dogformation" besteht aus vier Elementen:

den gerahmten Porträtfotos von taiwanesischen Sparbüchsen, den Porzellanhunden des deutschen und ostdeutschen Porzellanherstellers Katzhütte von 1958-1990 (nach der Wiedervereinigung von BRD und DDR schloss das Unternehmen alle Produktionslinien), den Zeichnungen von Hunden, deren Körperformen den Hindernisübungen in Agility-Wettbewerben entsprechen und den vier Skulpturen von Schäferhunden, die die Merkmale von vier Agility-Trainingsaktivitäten (Hoop, A-Frame, Wall Climbing und Weave Poles) buchstäblich verkörpern.

Die Fähigkeiten und Qualitäten der Hunde werden in ästhetischen Formen in weißem Porzellan oder auf Papier gebannt und zeigen dadurch die Unterwerfung des Hundekörpers durch den Menschen.

 

Formation Deformation Dogformation (Detail), 2018-2019 © Wu Chuan-Lun

Formation Deformation Dogformation (Detail), 2018-2019 © Wu Chuan-Lun

Formation Deformation Dogformation (Detail), 2018-2019 © Wu Chuan-Lun

Formation Deformation Dogformation (Detail), 2018-2019 © Wu Chuan-Lun

Formation Deformation Dogformation (Detail), 2018-2019 © Wu Chuan-Lun

Formation Deformation Dogformation (Detail), 2018-2019 © Wu Chuan-Lun

Portrait, 2017-18 © Wu Chuan-Lun

 

Die große weiße Schäferhund-Skulptur mit dem Titel "Allach Nr. 76" war eine von 143, die laut den Aufzeichnungen von den Allach-Werken hergestellt wurden. Solches Allacher Porzellan wurde in erster Linie für hohe NS-Funktionäre oder als Geschenke für Ehrengäste hergestellt, daneben gab es auch eine begrenzte Menge für den externen Verkauf. Nach dem Sieg über die Nazis wurden die noch verfügbaren Skulpturen und die Originalform vernichtet.

Die Porzellan Manufaktur Allach (1936-1945) wurde von Reichsführer-SS Heinrich Himmler beauftragt, langbeinige, elegant anmutende Porzellanskulpturen des Deutschen Schäferhundes (einschließlich weißer und farbiger Ausgabe) herzustellen, die die arische Ästhetik veranschaulichen sollten. Im Jahr 1939 übernahm die SS den Betrieb durch Enteignung. Die Manufaktur wurde dem zur Allgemeinen SS gehörenden Hauptamt Verwaltung und Wirtschaft unterstellt. Mit ihrem klassischen und eleganten Geschmack und ihrer technischen Überlegenheit repräsentierte sie das ästhetische Niveau und den Nationalstolz des Reiches.

Aufgrund der raschen Expansion des Unternehmens übersiedelte die Produktion von Allach bei München auf das Gelände des SS-Übungs- und Ausbildungslagers beim Konzentrationslager Dachau. Die Herstellung von Allacher Porzellan war nun eine der Arbeitsaufgaben von etwa 50 KZ-Häftlingen, Opfer der Gewaltherrschaft, im Konzentrationslager Dachau.

Die Besessenheit der Nazis von weißem Porzellan (gefertigt aus deutscher Erde) hängt mit ihrem Stolz auf die weiße Rasse zusammen. Der weiße Schäferhund war allerdings aufgrund seiner hohen Sichtbarkeit auf dem Schlachtfeld und aus Angst vor Albinismus ausgenommen.

Vielleicht fragen Sie sich, wie der Künstler zur weißen Schäferhund-Skulptur Nr.76 gekommen ist. Wu hat sie auf seiner Europareise bei einem Münchner Antiquitätenhändler entdeckt. Nach mehreren Besuchen hatte er mit dem Inhaber einen akzeptablen Preis ausgehandelt und die Skulptur verließ nach 35 Jahren das Geschäft, um seinem neuen Herrchen nach Taiwan zu folgen.

 

 

Whitest White, 2019 © Wu Chuan-Lun

Whitest White, 2019 © Wu Chuan-Lun

Purebreds (Four Shepherd Dogs), 2017 © Wu Chuan-Lun

 

Für "Purebreds - GSD, (DDR)GSD, VEO, WSSD" (2017), das sich mit Rasse und Nation auseinandersetzt, schuf der Künstler Bleistiftzeichnungen von vier Schäferhundrassen.

Obwohl sie alle vom Deutschen Schäferhund abstammen, wurden sie aus politischen und militärischen Gründen als unterschiedliche Rassen eingestuft. Der DDR-Schäferhund wurde aufgrund der Teilung während des Kalten Krieges gezüchtet. Der Osteuropäische Schäferhund entstand in Weißrussland durch die Vermischung lokaler Hunderassen mit Wölfen. Der Schäferhund mit weißem Fell wurde nach 1933 von den Nazis fälschlicherweise für einen Träger von Albino-Genen gehalten und aufgrund der eugenischen Ideologie aus der Zucht genommen, wurde aber später in den USA und der Schweiz wieder standardisiert und trägt daher den Namen Weißer Schweizer Schäferhund.

Obwohl Wus Arbeit sehr theoretisch und faktensbasiert ist, sprechen diese Zeichnungen von Zärtlichkeit und inniger Verbundenheit zu den Hunden. Vielleicht musste er viele theoretische Kilometer zurücklegen und viel historischen, politischen und sozialen Kontext zur Mensch-Schäferhund-Beziehung herausarbeiten, um seine künstlerische Beschäftigung mit den Hunden zu rechtfertigen und seine Zuneigung zu ihnen vor uns zu verbergen. Umsonst! Schauen Sie sich nur den Schäferwelpen an!

 

Pure Breed, 2017 © Wu Chuan-Lun

Pure Breed, 2017 © Wu Chuan-Lun

 

Ich habe während meiner Recherchen viel über den Deutschen Schäferhund erfahren. Obwohl die Rasse in ihren ersten Jahrzehnten mit dem deutschen Nationalismus verstrickt war, ist der Deutsche Schäferhund ironischerweise zu einem der beliebtesten Hunde weltweit und zum allerbesten Freund des Menschen - unabhängig von Geschlecht, ethnischer oder sozialer Zugehörigkeit - geworden.

Viele Bezüge, die Wu Chuan-Lun hergestellt hat - z.B. zwischen Porzellanproduktion und Hundezucht - habe ich ausgelassen, um den Blogbeitrag noch bewältigen zu können. Aber auf Wus Homepage finden sich einige ausführliche Besprechungen und weiterführende Überlegungen zu diesem Werk.

Quellen: No Man‘s Land, Taipei Fine Arts Museum, Allacher Porzellan

alle Bilder © Wu Chuan-Lun

 

26. Februar 2024 - 12:20

Ausstellungsansicht Beuerberger Kunstpavillon, Foto Thomas Dashuber

 

Eine Prozession aus Gipsfiguren bevölkert einen Gartenpavillon. Der Esel "Ferdinand" trägt Kerzen auf seinem Rücken, die hell zu brennen scheinen. Vor ihm steht ein anmutiges Mädchen mit Elefantenbeinen. Davor "Rapunzel", umrundet von ihren zu Boden fallenden Zöpfen. Das Ende des Umzugs bildet das Mädchen "Eloise", das einen Wolf wie eine erlegte Beute würgend am Hals gepackt hat: Mensch und Tier in jener "Perlenkette einer Traumwelt", wie die Künstlerin Elke Härtel sagt, "einer surrealen Prozession" verknüpfen sich zu einer Geschichte. (vgl. Erzbistum München)

Die meist weiblichen Figuren von Elke Härtel stammen aus den Tiefen der Träume, inneren Bildwelten und aus literarischen Vorstellungswelten: Märchen, Mythen und religiösen Erzählungen.

 

Ausstellungsansicht Beuerberger Kunstpavillon, Foto Thomas Dashuber

 

Handwerklich beeindruckend präzise gearbeitet, aus Ton modelliert, in Silikon abgeformt und in Gips gegossen, präsentieren sich Mensch und Tier realistisch und anatomisch perfekt, trotzdem ist ihnen auch etwas Surreales, Bizarres oder Absurdes eigen wie die Kerzen auf dem Esel oder die Elefantenbeine des Mädchens. Sind sie Sinnbild für die Unvollkommenheit des weiblichen Körpers? Sind sie Teil einer Metamorphose zu einem Mischwesen?

 

Ausstellungsansicht Beuerberger Kunstpavillon, Foto Thomas Dashuber

 

Uns interessiert natürlich "Eloise", die einen Wolf eng umgriffen hält. Doch es ist keine zärtliche Umarmung. Vielmehr packt das lebensgroße Mädchen den Wolf wie eine gejagte Beute am Hals. Seine Augen sind geöffnet und sein Körper hängt schlaff und besiegt in ihren kleinen Händen. Was ist mit dem festen Griff um den Hals des Tieres gemeint? Wird hier eine literarische Vorlage dramatisch neu interpretiert? Wenn ja, welche? Ist es ein modernes Rotkäppchen, dem Elke Härtel eine märchenhafte Kraft verleiht; das sie mit weiblichem Selbstbewusstsein und Schaffenskraft visualisiert? Oder gehen Eloise und der Wolf auf Heloise und Abaelard zurück?

Besonders bei dieser Skulptur ist die Fragilität des weißen Gipses verblüffend, den die Künstlerin wohl ganz bewusst wählt, um ihrer martialischen Botschaft eine zarte, vielleicht ambivalente Hülle zu verleihen.

"Eloise" mit dem Wolf ist geheimnisvoll und lässt keine eindeutige Interpretation zu. Unser assoziatives Zutun ist gefordert, um die Skulptur zu vervollständigen.

 

Eloise (Detail), Beuerberger Kunstpavillon, Foto Harry Wolfsbauer

Eloise (Detail), 2013 © Elke Härtel

 

Die Bilder stammen von unterschiedlichen Ausstellungen: Loft8, Wien, Beuerberger Kunstpavillon, Alter Botanischer Garten, München.

 

Eloise, Alter Botanischer Garten München

Eloise, Alter Botanischer Garten München

 

Elke Härtel (*1978 in Erding/Altenerding/D) studierte ab 2002 an der Akademie der Bildenden Künste, München und schloss 2007 mit dem Diplom ab.

alle Bilder © Elke Härtel

 

Installation, Skulptur
2. Februar 2024 - 16:47

Cleaner, 2020 © Lin May Saeed

 

An Traurigkeit nicht zu überbieten ist diese dystopische Skulptur. "Cleaner/Reiniger" hat Lin May Saeed ihr Werk genannt. Es zeigt eine menschliche sitzende Figur mit Maske und Schutzanzug, die ein kleines Pferd streichelt, ihm den Rücken massiert. Unbeholfen, mit schützenden Fäustlingen geht der zärtliche Vorgang vonstatten. Das Pferdchen, ob tot oder lebendig, fühlt keine Körperwärme des Berührenden.

Obwohl weit entfernt von einer naturalistischen Darstellung macht die Skulptur ob ihrer Zärtlichkeit fassungslos. Zeigt sie die tödliche Hoffnungslosigkeit für die Tiere oder gibt sie Hoffnung auf ein geändertes verbindendes Tier-Mensch-Verhältnis?

 

Milo, 2023, Installationsansicht Georg Kolbe Museum @ Lin May Saeed, Foto Enric

 

Der trauernde Hund "Milo" mit gesenktem Kopf und gebückter Haltung aus weiß bemalter Bronze bildet die bewegende Begrüßungsskulptur zu Lin May Saeeds erster musealen Einzelausstellung in Deutschland, die noch bis zum 25. Februar 2024 im Georg-Kolbe-Museum zu sehen ist. Ihm zur Seite gestellt sind Arbeiten der Bildhauerin Renée Sintenis, womit ein interessanter Dialog entsteht. Die deutsch-irakische Künstlerin selbst ist nur wenige Tage vor der Eröffnung im Alter von 50 Jahren an den Folgen eines Gehirntumors verstorben. Schon der Ausstellungstitel "Im Paradies fällt der Schnee langsam“ verweist auf das sensible, melancholische und poetische Werk der Künstlerin, in dem Tiere ihre Würde wiedererlangen. Dementsprechend haben sich die Styroportiere in der zentralen Halle aus ihren Käfigen befreit.

 

Installationsansicht Georg Kolbe Museum © Lin May Saeed

 

Auch das "Pangolin" steht auf seiner Transportkiste, die ihm nun als Sockel dient. Es gehört zu den meist geschmuggelten Tieren und ist vom Aussterben bedroht. Anders als Marmor oder Bronze wird die Skulptur aus biologisch nicht abbaubarem Styropor seine lebenden Artgenossen überdauern. Sie steht zugleich als Mahnung für die Auswirkungen auf die Umwelt im Zeitalter des Anthropozäns.

 

Pangolin, 2020 © Lin May Saeed, Foto The Clark Art Institute

 

Viele Arbeiten wirken leicht und unbeschwert. Leicht sind sie tatsächlich, da fast alle Skulpturen aus Styroporresten gefertigt sind, die die Künstlerin auf Baustellen und Müll fand oder aus Restbeständen erhielt. Die Leichtigkeit des Materials machte es ihr möglich, in einem lebensgroßen Maßstab zu arbeiten, damit die Betrachtenden auf Augenhöhe mit einer tierischen - oder menschlichen - Figur sind. Die Leichtigkeit des Materials gab ihr aber auch Unabhängigkeit und Selbstermächtigung in der Männerdomäne der Bildhauerei, da es auch ohne starke physische Kraft einfach zu bearbeiten ist.

 

Sie arbeitet so lange mit dem Material, bis es antwortet, bis sich der Arbeitsprozess verselbständigt.

 

"Most animals have fur, feathers, scales or an exoskeleton, and depicting that sculpturally is a challenge. Every living thing moves almost constantly, and motion blur and vividness go together. Likewise, there is a blurriness when working with Styrofoam because of the materiality. Styrofoam is, first of all, block material and on closer inspection it has a smallest visible unit, namely small spheres. The fact that the naked eye can see the smallest unit I feel has a poetic quality. I like to imagine that they are atoms. I look for the productive interplay of these two blurs, the granularity of the material and the living things that emerge from it. And perhaps most crucially: I understand my works not as objects, but as subjects." (zit.n.The New Institute)

„Die meisten Tiere haben ein Fell, Federn, Schuppen oder ein Exoskelett, und das bildhauerisch darzustellen, ist eine Herausforderung. Jedes Lebewesen bewegt sich fast ständig, und Bewegungsunschärfe und Lebendigkeit gehen Hand in Hand. Auch bei der Arbeit mit Styropor gibt es aufgrund der Materialität eine Unschärfe. Styropor ist in erster Linie ein Blockmaterial und hat bei näherer Betrachtung eine kleinste sichtbare Einheit, nämlich kleine Kugeln. Die Tatsache, dass das bloße Auge die kleinste Einheit sehen kann, hat für mich eine poetische Qualität. Ich stelle mir gerne vor, dass es Atome sind. Ich suche nach dem produktiven Zusammenspiel dieser beiden Unschärfen, der Körnigkeit des Materials und den daraus entstehenden Lebewesen. Und vielleicht das Entscheidende: Ich verstehe meine Arbeiten nicht als Objekte, sondern als Subjekte.“ (übersetzt mit DeepL)

 

In den Werken von Lin May Saeed geht es um die Beziehung zwischen Mensch und Tier, um Tierrechte, Artensterben, Massentierhaltung. Doch anstatt nur das Leiden und den Tod der Tiere darzustellen, schuf die Künstlerin "Werke der Hoffnung". Es sind Werke, mit Gesten der Versöhnung. In einem Interview sagte sie dazu:

 

“What would be the alternative to peaceful images? I rarely reproduce the real, structural form of violence in which animals live and die behind closed doors. But I have respect for the artists who do. I would describe the kinder part of my artistic practice as works of hope. I have been working on the series The Liberation of Animals from their Cages since 2006.”

„Was wäre die Alternative zu friedlichen Bildern? Ich gebe selten die reale, strukturelle Form der Gewalt wieder, in der Tiere hinter verschlossenen Türen leben und sterben. Aber ich habe Respekt vor den Künstlern, die das tun. Den freundlicheren Teil meiner künstlerischen Praxis würde ich als Werke der Hoffnung bezeichnen. Seit 2006 arbeite ich an der Serie Die Befreiung der Tiere aus ihren Käfigen." (übersetzt mit DeepL)

 

Liberation of Animals from their Cages IV, 2008 © Lin May Saeed

 

Seit 2006 arbeitete Lin May Saeed an der Serie "The Liberation of Animals from their Cages”. Diese von hinten beleuchtete Arbeit thematisiert die Mitte der 1970er Jahre entstandene Tierbefreiungsbewegung. Sie basiert auf Vorzeichnungen, die auf Papier übertragen und dann ausgeschnitten und mit farbigem Transparentpapier ergänzt wurden.

 

St.Jerome and the Lion, 2016 © Lin May Saeed

 

Liberation of Animals from the Cages XVIII, Olifant Gate, 2016 © Lin May Saeed

Liberation of Animals from their Cages XX, 2017 © Lin May Saeed

Liberation of Animals from their Cages XXI, 2018 © Lin May Saeed

 

Die Stahltüren sind ebenfalls Teil von Lin May Seeds Befreiungsserie "Liberation of Animals from their Cages". Während der heilige Hieronymus den Dorn aus der Pfote des Löwen entfernt und Tierbefreier die Ketten (der Käfige) durchschneiden, hat der Hummer das Werkzeug, um sich selbst zu befreien, indem er das Metallgitter mit seinen Scheren aufschneidet.

Die harmonischen und zurückhaltenden Reliefs spielen in Lin May Saeeds Werk eine wichtige Rolle. Diese Zwischenform aus Skulptur und Malerei, Fläche und Raum zieht sich durch ihr gesamtes Werk.

 

Liberation of Animals from the Cages III, 2008 © Lin May Saeed

Liberation of Animals from the Cages VI, Asylum, 2009 © Lin May Saaed

 

Das Relief "Mureen/Lion School" ist in vier Ebenen unterteilt: Die oberste zeigt eine Löwin, die mit der Löwin auf der darunterliegenden Ebene mit dem poetischen Satz "Im Paradies fallen die Schneeflocken langsam" auf Arabisch ins Gespräch kommt und Inspiration für den Titel der Ausstellung im Georg Kolbe Museum war. Die Künstlerin verwendet immer wieder arabische Schrift in ihren Werken als Verweis auf die Familie ihres Vaters, der aus dem Irak stammte.

 

Mureen/Lion School, 2016 © Lin May Saeed

Teneen Albaher Relief, 2018 © Lin My Saeed, Foto Wolfgang Günzel

 

Lin May Saeed glaubte nicht, dass Kunst in einem moralischen und sozialen Vakuum funktioniert, sondern dass Kunst immer einen Raum der Bedeutung eröffnet. Von Anfang an hatten sie Gespräche mit Tierbefreiungsaktivisten, das Studium der Tierrechtsliteratur und aktuelle Debatten zum ausbeuterischen Tier-Mensch-Verhältnis beeinflusst. Ihre Sicht auf dieses Thema bestimmte ihre grundsätzlich konzeptionelle künstlerische Praxis. In dieser Hinsicht kamen Kunst und Politik in Ihrer Arbeit zusammen.

Doch im Gegensatz zu ihrem politischen Aktivismus, dessen Botschaft sie laut vorbrachte, verwendete Saeed in ihrer Kunst eine scheinbar naive, den Tieren entsprechende unschuldige Sprache, um Empathie zu wecken.

In einem Interview mit Arterritory sprach sie ausführlich darüber, dass ihre Fokussierung auf Tiere wahrscheinlich einer der Faktoren war, die sie lange daran gehindert hatten, ernst genommen zu werden. Sie reflektierte darüber, wieso die Einfühlung in Tiere in der Kunst selten ist, wieso sie mit ihrer friedlichen Kunst deeskalierend wirken will und wieso Tierrechtskunst kein weibliches, sondern ein politisches Thema ist.

 

Lyn May Saeed, Foto von arterritory

 

Lin May Saeed (*1973 in Würzburg/D, †2023 in Berlin/D) studierte von 1995-2001 an der Kunstakademie Düsseldorf unter anderem bei Tony Cragg. Trotz einiger Stipendien wurde ihr Werk erst in den letzten Jahren - im Rahmen des Diskurses über den Klimawandel - vom Kunstbetrieb vermehrt beachtet. Sie war ihrer Zeit voraus.

Quellen: Arterritory (Interview), Art Of Change (Interview), The New Institute (Interview), Galerie Nicoloas Krupp (Bildmaterial), Galerie Jacky Strenz, Galerie Chris Sharp, The Clark, Contemporary Art Library (Ausstellungsübersicht), Berlin Art Week

alle Bilder © Lin May Saeed

28. Juni 2023 - 14:40

Dolce, 2023. © Irena Posner

 

Es gibt zwei Möglichkeiten, sich dem skulpturalen Werk der britischen Künstlerin Irena Posner, die noch bis zum 29. Juli 2023 in der Wiener Galerie Kandlhofer ausstellt, zu nähern: eine formale und eine inhaltliche.

Formal interessant ist, dass Posner ihre Skulpturen aus Marmor - genauer Carraramarmor - herstellt. Also aus dem Material, aus dem Michelangelo seinen heroischen "David" gehauen hat. "Carrara-Marmor ist ja kein Stein mehr, das ist geradezu ein Edelstein. Ein Edelstein honoris causa", wie Claudia Aigner in der Wiener Zeitung schreibt.

Die Geschichte der Malerei ist immer auch die Geschichte dessen, was als darstellungswürdig erachtet wurde. Irena Posner stellt die Frage der Darstellungswürdigkeit im Bereich der Marmorskulptur, wenn sie kopulierende Hunde in Stein bannt.

Dieses Werk, "Dolce" betitelt, ist eine Anspielung auf Berninis Vergewaltigungsdarstellung "Raub der Proserpina". Die Berninis Skulptur innewohnende Gewalt und Brutalität wird durch den Marmor zusätzlich ästhetisiert. Indem Irena Posner eine kurze Hundepaarung in dauerhaften Stein festhält, rekontextualisiert sie den Marmor und nutzt das Material als Testfeld für die impliziten Vorurteile, die der Marmor als Material der Verehrung und Unterwerfung mit sich bringt.

 

There are strong opinions about what can and can’t be represented in marble. That frustration or perception that the material is used ‘improperly’ is kind of the sweet spot for me. It complicates our perception of what we thought was an innocuous piece of stone.  Suddenly we are asking questions about value and what is worthy of being re-presented in marble. (Posner  zit. n.  Galerie Kandlhofer)

Es gibt starke Meinungen darüber, was in Marmor dargestellt werden kann und was nicht. Diese Frustration oder der Eindruck, dass das Material „unangemessen“ verwendet wird, ist für mich der springende Punkt. Es verkompliziert unsere Wahrnehmung von etwas, von dem wir dachten, es sei ein harmloses Stück Stein. Plötzlich stellen wir Fragen über den Wert und darüber, was es wert ist, in Marmor dargestellt zu werden. (übersetzt mit DeepL)

 

Dolce, 2023 © Irena Posner, Foto Petra Hartl

Dolce, 2023 © Irena Posner, Foto Petra Hartl

Dolce, 2023 © Irena Posner, Foto Petra Hartl

 

Ein Rückblick auf die Darstellung von Haustieren in der Marmorskulptur zeigt, dass es eine lange Tradition von Tierdarstellungen am Fuße von Königsgräbern gab. Das Hundemotiv war typisch für weiblichen Grabschmuck (Löwen für Männer) als Symbol der Hingabe und Treue. Letztlich stellen die Werke von Irena Posner sowohl die Erwartungen an Marmor als auch die Idealisierung und Memorialisierung von Tieren in Frage. (vgl. Galerie Kandlhofer)

Inhaltlich geht es bei ihren Werken für "Best in Show" um durch Tierdiskurse dargestellte Machtstrukturen, selektive Zucht und Fetisch. Grundsätzlich bewegen sich die Arbeiten Irena Posners im Bereich der Allegorie, des Spiels und des Humors.

Der direkt auf den Marmor geschweißte Stahlmaulkorb, die abgeschnittenen spitzen Ohren und der kupierte Schwanz des Dobermanns in ihrer Skulptur "No tongue can tell, no tail can wag" sind Gestaltungsmerkmale und Signifikanten des kuratierten Stammbaums. Abgerichtet und mit Maulkorb versehen, verschafft sich der Hund einen Status unter anderen Tieren. Posner bezieht sich auf Donna Haraways "When Species Meet", in dem Hundetrainingsregime die ständige Zügelung der Begierden eines Hundes beinhalten, bis die "Tugend" der Selbstbeherrschung gefestigt ist - eine eindeutig menschliche Tugend, die wir unseren Haustieren einimpfen.

 

No tongue can tell, no tail can wag, 2023 © Irena Posner

No tongue can tell, no tail can wag, 2023 © Irena Posner, Foto Petra Hartl

No tongue can tell, no tail can wag, 2023 © Irena Posner, Foto Petra Hartl

No tongue can tell, no tail can wag, 2023 © Irena Posner, Foto Petra Hartl

No tongue can tell, no tail can wag, 2023 © Irena Posner, Foto Petra Hartl

 

Donna Haraways Texte tauchen bei der Rezeption zeitgenössischer Kunst immer wieder auf. 2021 wurde sie vom Kunstmagazin Monopol zur einflussreichsten Person der Kunstwelt gewählt. Grund genug endlich das Merve-Bändchen "Manifest für Gefährten" herzunehmen, das ihren Text von 2003 übersetzt und sich selbstverständlich in der Bibliothek meines Mannes befindet.

 

Am Beispiel der Beziehung zu ihrem Hund Cayenne untersucht die Autorin in „Das Manifest für Gefährten“ das Verhältnis von Mensch und Tier. Dort verwebt sie ebenso klug wie ungewöhnlich persönliche Erfahrungen mit wissenschaftlicher Analyse und kritischer Reflexion. Auf evolutionsbiologischer, geschichtlicher und persönlicher Ebene beschreibt Haraway die Entwicklung der „Gefährt*innen-Spezies“ nicht als einen einseitig vom Menschen dominierten, domestizierenden Prozess, sondern als wechselseitiges, gemeinsames Lernen und Werden von Mensch und Tier. Sie analysiert die historischen und politischen Dimensionen des Machtverhältnisses (beispielsweise den Einsatz von Hunden in Vollzugsanstalten und zur Grenzsicherung) und plädiert für einen liebe- und verantwortungsvollen Umgang mit der „signifikanten Andersartigkeit". (zit. n. Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen)

 

Irena Posner hat einen Master in Bildhauerei vom Royal College of Art. Sie wurde 2023 mit dem Harlow Sculpture Town Artist in Residence ausgezeichnet und erhielt 2021 den Gilbert Bayes Sculpture Award. Sie war in der engeren Auswahl für den Kenneth Armitage Award 2022 und hat Aufenthalte in Carrara/Italien und Weymouth/England, absolviert. Sie arbeitet in Carrara und London.

 

Irena Posner bei der Arbeit
Irena Posner bei der Marmorbearbeitung, Foto RCA

 

Quellen: Galerie Kandlhofer, RCA, Wiener Zeitung

 

Ausstellung, Skulptur
12. Juni 2023 - 10:31

Winter, 2020 © Hannes Mussner

 

Schon auf den ersten Blick erinnerten mich Hannes Mussners figürliche Holzarbeiten an die Skulpturen von Stephan Balkenhol. Ich war also wenig überrascht, als ich las, dass er bei ihm Meisterschüler ist.

Und doch gibt es einen Unterschied zu den Arbeiten seines Lehrers: Seine Menschen sind fragiler, sehnsüchtiger, suchender.

 

Winter, Detail, 2020 © Hannes Mussner

 

Der Mann in "Winter" sieht aus, als wäre er gerade erwacht, als würde ihm gerade Leben eingehaucht. Aufrecht steht er da, mit großen fragenden Augen und staunend geschürzten Lippen, mit einem existenzialistischen schwarzen Rollkragenpullover und aufgestelltem Mantelkragen für das Leben förmlich "gerüstet". Was wird aus ihm werden?

Mussners Menschen sind Individuen, gemeinsam ist ihnen das noch Unbestimmte, das sie zum Träger existenzieller Fragen werden lässt.

Neben den selbstbezogenen menschlichen Figuren sind auch Hunde ein Thema für Hannes Mussner, weshalb er Eingang in diesen Blog findet. Da meine ersten beiden Hunde Mittelschnauzer waren, freut es mich besonders, dass er diese Rasse in Holz und Bronze verewigt hat. Der "Schauzer im Schnee" und der wesentlich kleinere schwarze "Abraxas" sehen sich sehr ähnlich. Dazu der Künstler in einem Interview:

 

Ich mag Hunde sehr gern. Der Schnauzer wirkt bedrohlich, ist aber im Grunde ein sehr braver Hund. Die schneeweißen Pfoten verweisen auf seinen verspielten Charakter. Sein kleineres Spiegelbild in Schwarz erfüllt dagegen die Klischees eines Höllenhundes, obwohl Abraxas als mythologischer Ursprung eines göttlichen Urwesens gilt. Durch den Vergleich der beiden Figuren provoziere ich Vorurteile zu reflektieren und sie vielleicht sogar zurechtzurücken.

 

Schnauzer im Schnee, 2022, Zirbelkieferholz, Acrylfarbe © Hannes Mussner

 

Abraxas, 2022, Bronze © Hannes Mussner

 

Als Bildhauer verwendet er in seiner Formsuche Ton, Wachs, Gips, Kunstharz und andere Materialien, am wichtigsten ist ihm aber Holz, weil,

 

Holz in seinen Eigenschaften und  in seiner Komplexität, als einmal lebendige Materie, sein Wachstum, die Zeit, Fasern, Knoten und Wunden, die es in sich trägt, dem Menschen und Tieren als Material am ähnlichsten ist. (Mussner hier)

 

Meistens modelliert er zuerst kleine Modelle in Ton oder Wachs, bevor er mit der Gestaltung in Holz beginnt. Mit jeder Holzart kann er seinen Skulpturen unterschiedlichen Ausdruck verleihen. Das raue Pappelholz verwendet er, wenn er eine expressive materialbetonte Oberflächenbehandlung erreichen will, Lindenholz hingegen für glatte Haut. Natürlich ist der Schnauzer mit seinem rauen Haarkleid aus Pappelholz.

 

Abraxas, 2020, Pappelholz, Acryl © Hannes Mussner

 

Hannes Mussner (*1989 in Bozen/Italien) lebt und arbeitet zwischen Wolkenstein in Gröden/Italien (ITA) und Karlsruhe. In St. Ulrich in Gröden besuchte er einen Spezialisierungslehrgang für Holzbildhauer und sammelte Erfahrungen im Atelier des Künstlers Aron Demetz. Seit 2017 studiert er Freie Kunst an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe in der Klasse von Stephan Balkenhol, dessen Meisterschüler er 2023 wird.

Quellen: Schabel Kultur-Blog, Galerie OH, Galerie Schmalfuss Berlin

alle Bilder © Hannes Mussner

 

Skulptur