Oktober 2017

25. Oktober 2017 - 8:22

Sicher stimmen Sie mit mir überein, dass wir unten nicht die Darstellung eines Huskys in seinem Habitat vor uns haben, sondern ein Bild des konkreten Hundes "Lushka". In dem Gemälde von Alice Neel aus dem Jahr 1974 ist der Hund eindeutig Gegenstand dessen, was wir unter der Gattung Porträt verstehen. Wie auch in vielen Porträts von Menschen präsentiert die Künstlerin den Hund in einer frontalen Position, den Blick direkt auf den Betrachter, die Betrachterin gerichtet.

 

Alice Neel, Lushka, 1974, Courtesy the Artist’s Estate and Victoria Miro, London
Alice Neel, Lushka, 1974, Courtesy the Artist’s Estate and Victoria Miro,
London © The Estate of Alice Neel

 

Die Künstlerin, die sich selbst als "Painter of people" bezeichnet, widmet der Darstellung der Tiere die gleiche Aufmerksamkeit wie der malerischen Beschreibung der Menschen, sie sind ebenso individuell und bedeutsam.

Alice Neel (1900-1984) ist eine der bedeutendsten amerikanischen Porträtistinnen des zwanzigsten Jahrhunderts, ihr Werk wird als intim, unaufgeregt, zwanglos, persönlich und direkt beschrieben. Sie beobachtet nicht nur die Menschen sehr genau, sondern auch die mit ihnen lebenden Tiere. Hunde und Katzen waren ein Teil ihres häuslichen Lebens. Vom Beginn ihrer Karriere in den 1930er Jahren bis zu ihrem Tod 1984 finden sich immer wieder Doppelporträts (Mensch mit Hund oder Katze) oder Einzelporträts von Tieren. Sie erfasst sowohl den menschlichen als auch den tierlichen Charakter und bringt die Einzigartigkeit der Lebewesen anhand ihrer individuell typischen Blicke, Gesten, Haltungen zum Ausdruck. Sie scheint allerdings mehr Katzen gemalt zu haben, ich habe lediglich ein paar Werke mit Hunden gefunden.

 

Alice Neel. Carol with a Dog, 1962, Courtesy the Artist’s Estate and Victoria Mi
Alice Neel. Carol with a Dog, 1962, Courtesy the Artist’s Estate and Victoria Miro,
London © The Estate of Alice Neel

 

Nur durch eine kleine Geste vermittelt Alice Neel die Bindung zwischen Mensch und Tier: Carol berührt den Hund am Nacken. Ihr blondes Haar, die helle Haut und das hellgrüne Kleid kontrastieren mit dem schwarzen Fell und den tiefroten Augen des Pudels an ihrer Seite.

 

Alice Neel, Richard with Dog, 1954
Alice Neel, Richard with Dog, 1954

 

Richard hat in diesem Doppelporträt den gleichen erstaunt-fragenden Blick wie sein Hund.

"Nadya and the Wolf" hat eine rätselhafte Qualität, beide scheinen Teil einer mehrdeutigen mythologischen oder metaphorischen Szene zu sein. In diesem Frühwerk zeigt sich die Verbindung zum Expressionismus nordischer Prägung.

 

Alice Neel, Nadya and the Wolf, 1931, Courtesy the Artist’s Estate and Victoria
Alice Neel, Nadya and the Wolf, 1931, Courtesy the Artist’s Estate and Victoria Miro,
London © The Estate of Alice Neel

Alice Neel. King Asleep, 1954, Courtesy the Artist’s Estate and Victoria Miro, L
Alice Neel. King Asleep, 1954, Courtesy the Artist’s Estate and Victoria Miro,
London © The Estate of Alice Neel

 

In den Deichtorhallen Hamburg ist nun erstmals in Deutschland ein Überblick über das Schaffen dieser Ausnahmekünstlerin zu sehen, die erst in den 1970er Jahren späte Anerkennung erfuhr. Unbeeinflusst vom abstraktem Expressionismus blieb sie ihrem realistischen Stil treu, der als rückwärtsgewandt kritisiert wurde. Es gelang ihr mit ihrem ausdrucksstarken, einfühlsamen und psychologisch akkuratem Werk zum Wesenskern der Menschen vorzudringen. Ihre kraftvollen Bilder inspirierten zahlreiche Künstlerinnen und Künstler wie Chuck Close, Marlene Dumas, Alex Katz und Elizabeth Peyton.

Alice Neels Hauptwerk entstand in ihrer New Yorker Nachbarschaft, in Greenwich Village, Spanish Harlem und schließlich an der Upper West Side, wo sie zahlreiche Mitglieder der Kulturszene New Yorks gemalt hatte, unter anderem Andy Warhol, der dieses Bildnis als das beste von ihm je geschaffene bezeichnete. Darüber hinaus porträtierte sie Familienmitglieder, Freunde, Nachbarn oder zufällige Bekanntschaften. Neels Aufmerksamkeit galt aber gleichermaßen den Unterprivilegierten, den Armen und Diskriminierten. Sie führte ein äußerst bewegtes Leben als alleinerziehende Mutter und Mitglied der New Yorker Künstlerszene; sie engagierte sich Zeit ihres Lebens politisch, sympathisierte mit dem Kommunismus und wurde zum Symbol der Frauenrechtsbewegung.

 

Quellen: Homepage der Künstlerin, Wikipedia, Deichtorhallen Hamburg, Victoria Miro Gallery

 

Ausstellung, Malerei, Zeichnung
19. Oktober 2017 - 8:29

Ein Hundeporträt: Frontal und aggressiv blickt uns der Hund an. Schwarz-Weiß-Grau tritt der Kopf aus dem flächigen, diagonal geteilten schwarz-weißen Hintergrund heraus.

 

Moritz Stumm, Khaver, 2012, Courtesy BaumgartenBrandt, Berlin, Repro, Studio St
Moritz Stumm, Khaver, 2012, Tusche auf Papier, 130 x 130 cm

 

Auf den ersten Blick sieht das Porträt wie eine Fotografie aus, es ist aber eine Zeichnung mit schwarzer Tusche, die der Künstler Moritz Stumm flächig wie bei einem Aquarell aufträgt.

Da wir nur den Kopf des Tieres sehen und keinen Kontext kennen, wissen wir nichts über den Grund der Aggression. Bedroht uns der Hund oder reagiert er auf eine Bedrohung? Gänzlich aus einem inhaltlichen Zusammenhang gerissen, bleibt die Aussage offen, wird die gewaltvolle Körperhaltung zur Geste und Attitüde, zum bloßen Zeichen des Bösen.

Das Bild trägt den Titel "Khaver". Da mir dieses Wort unbekannt war, habe ich ein bisschen gegoogelt und bin auf das jüdische Wort khaver (chaver, haver) gestoßen, das mit "Freund" oder "Kamerad" übersetzt wird. Vielleicht ist auch der Bildtitel ein zusätzlicher Hinweis darauf, dass uns Moritz Stumm -  wie auch in seinen anderen Tuschezeichnungen - dazu einlädt, unsere Sehgewohnheiten und Kategorisierungen zu hinterfragen.

Mit dieser Absicht passt er jedenfalls gut in die Ausstellung "Neue Schwarze Romantik", in der dieses Werk zur Zeit zu sehen ist. Denn dort treiben die Künstler und Künstlerinnen möglicherweise mit den Ängsten und Fantasien ihres Publikums spielend

 

mit ihren Werken ein listiges Spiel mit der Wahrnehmung. Ganz bewusst erwecken die Bilder, Objekte und Videos den Anschein dunkler Geheimnisse, indem sie Realität und Surrealität vermischen. Dadurch wird ein Klima der Verunsicherung, des Zweifels und des Ungefähren erzeugt.

 

Die 34 ausgewählten Künstlerinnen und Künstler aus Europa und den USA sprechen verschiedenste dunkle Themen an.

 

Die Gewöhnlichkeit des Bösen. Die kriminelle und zugleich distinguierte Art der Macht. Die glatten Oberflächen der Begierden. Die finster in den Untergrund gebetteten Geschäfte und amoralischen Netzwerke. (vgl. Stadtgalerie Kiel)

 

Moritz Stumm (* 1981 in Marburg/D) bekam bereits als Musikvideoregisseur internationale Anerkennung, bevor er Bildende Kunst an der Universität der Künste Berlin studierte. Er setzt er sich multimedial mit Video, Skulptur und Installation auseinander, arbeitet auch weiterhin als VJ und betreibt das Label Flippig the Coin, das musikalische Arbeiten Bildender Künstler veröffentlicht. Moritz Stumm lebt und arbeitet seit 2003 in Berlin.

Die Ausstellung "Neue Schwarze Romantik" wird in der Stadtgalerie Kiel noch bis zum 31. Oktober 2017 gezeigt. Sie ist eine Kooperation mit dem Künstlerhaus Bethanien (Berlin) und seinem Geschäftsführer & Kurator Christoph Tannert.

 

Ausstellung, Zeichnung
12. Oktober 2017 - 8:17

Der Kopf des Mopses scheint aus dem Skizzenbuch herauszukommen, der kleine Hund auf der Unterlage zu liegen. Die Zeichnungen sind derart realistisch, dass ich am liebsten hingreifen will, um mich zu vergewissern, dass der Schein trügt. Diese Diskrepanz zwischen der zweidimensionalen Zeichnung und der dreidimensionalen Wirkung ist es auch, die den Betrachter und die Betrachterin fröhlich stimmt und schmunzeln lässt.

 

Drawing of Elsje! © Nicolas V. Sanchez

My big boy © Nicolas V. Sanchez

 

Chichi © Nicolas V. Sanchez

 

Nur mit ein paar Kugelschreibern zeichnet der in New York ansässige Künstler Nicolas V. Sanchez diese meisterhaften Porträts in seine kleinformatigen Skizzenbücher. Mit seiner präzisen und gekonnten Anwendung von Höhungen und Schattierungen erzeugt er einen nuancenreichen plastischen Eindruck. Dabei baut er die Form durch mehrere Schichten Kreuzschraffur auf. Da er kaum mit Bleistift vorzeichnet, muss er diszipliniert und fehlerlos arbeiten: Sein Werkzeug erlaubt keine Korrekturen.

Nicolas V. Sanchez hat mit diesen kleinen themenorientierten Büchern in Internet-Blogs eine große Bekanntheit erlangt. Aber er kann noch viel mehr! Er arbeitet in verschiedenen Medien und unterschiedlichen Größen. Auf seiner Homepage finden sich Beispiele seiner Auftragsarbeiten: (Hunde-) Porträts mit Kugelschreiber, aber auch Kohlezeichnungen und naturalistische sowie abstrahierende Ölgemälde.

 

colored ballpoint pen © Nicolas V. Sanchez

colored ballpoint pen © Nicolas V. Sanchez

colored ballpoint pen © Nicolas V. Sanchez

colored ballpoint pen © Nicolas V. Sanchez

colored ballpoint pen © Nicolas V. Sanchez

colored ballpoint pen © Nicolas V. Sanchez

 

In einem Interview spricht der Künstler über die Bedeutung der Materialien für seine Arbeit und wie verschiedene Themen und Ideen unterschiedliche Herangehensweisen erfordern, um zum wirkungsvollsten künstlerischen Ergebnis zu kommen.

Sanchez ist in Michigan aufgewachsen und hat sowohl dort als auch in New York studiert. Seine Arbeiten geben noch einen Einblick in diese bäuerliche Welt und ländliche Kultur mit ihren Kühen, Ziegen und - seinem Lieblingsmotiv – Schafen. Eine ganz kleine Auswahl dieser sensiblen Tierporträts möchte ich Ihnen keinesfalls vorenthalten!

 

Bridgman goat, colored ballpoint pen, 3.5 x 5.5 in, 2013 © Nicolas V. Sanchez

El Ojo, oil on panel, 6 x 6 in, 2014 © Nicolas V. Sanchez

Petro, oil on canvas, 24x30in, 2017 © Nicolas V. Sanchez

oil on panel, 6x6in, 2016 © Nicolas V. Sanchez

Summer rotation, oil on canvas, 24x30in, 2017 © Nicolas V. Sanchez

Bound, oil on board, 18 x 18 in, 2012 © Nicolas V. Sanchez

Backwoods flock 3, oil on canvas, 24x30in, 2017

 

Nicolas V Sanchez lebt und arbeitet in New York.

Weitere Arbeiten auf der Facebook- und Instagram-Seite des Künstlers

alle Bilder © Nicolas V. Sanchez

Auch dieser Blogbeitrag geht auf eine Anregung von Andrea Antoni zurück, vielen Dank dafür!

 

4. Oktober 2017 - 7:59

Hunde mit violettem Teppich, 2017 © Verena Crow

 

Gibt es ein Bild einer Hündin, das Mutterglück besser ausdrücken kann als dieses? Noch ein bisschen unsicher, aber ganz entspannt blickt die Hundemutter in Erwartung dessen, was noch auf sie zukommen wird. Nur nicht bewegen, damit das Kleine, das sich in den Raum zwischen Kopf und Vorderbeinen schmiegt und gleichzeitig abstemmt, nicht aufwacht!

Wie gut passt auch der komplementärfarbene, fröhliche Teppich dazu, der die stille Heiterkeit und Freude in seinem Muster aufnimmt.

Ein kleines Dilemma tut sich im unteren Bild auf: Der aufmerksame und besorgte Blick richtet sich auf den nur wenig entfernt liegenden Welpen, während die Mutter in der selbstgewählten Ruhe und schutzgewährenden Regungslosigkeit verharrt.

 

Hunde auf blauem Hintergrund, 2017 © Verena Crow

Hundefamilie violett, 2017 © Verena Crow

Welpen mit rotem Teppich, 2017 © Verena Crow

Hunde-Siesta, 2017© Verena Crow

3 Welpen, 2017 © Verena Crow

4 Welpen barock, 2017 © Verena Crow

4 Welpen auf Gelb, 2017 © Verena Crow

Hündin mit Welpen, 2017 © Verena Crow

Hunde zinkoxyd, 2017 © Verena Crow

 

Der Künstlerin gelingt es, für ganz basale Empfindungen wie Fürsorge, Zuneigung und Zufriedenheit erfrischend unkomplizierte Kompositionen zu finden. Die Unbefangenheit und Arglosigkeit der Welpen findet in der einfachen, fast naiv anmutenden Formensprache eine Entsprechung. Inhalt und Form stehen wunderbar im Einklang miteinander.

Verena Crow hat am Salzburger Mozarteum und an der Akademie der bildenden Künste in Wien studiert. Sie lebt und arbeitet in Klosterneuburg.

Vom 20. bis 22. Oktober 2017 nimmt Verena Crow an der Gemeinschaftsausstellung "sagt in süssen schmertzen..." teil, die am Freitag, dem 20. Oktober um 19.30 Uhr mit einem Konzert im Kulturhaus Alter Pfarrhof, Kirchplatz 2, in St.Andrä-Wördern/Niederösterreich eröffnet wird.

alle Bilder © Verena Crow

 

Ausstellung, Malerei