Leshko, Isa

14. Februar 2013 - 9:40

Obwohl mir Isa Leshko und ihre Fotoserie "Elderly Animals" im Internet immer wieder begegnet ist (Dog Art Today...), hat mich erst der Schweizer Leser Rudi Weber, der meine Liebe zu alten Hunden teilt, dazu gebracht, mich näher mit dieser Künstlerin und ihrem Artist Statement zu beschäftigen. Kennengelernt habe ich nicht nur ein bemerkenswertes Werk, sondern auch dessen Rezeption, die Auskunft über das gängige Mensch-Tier-Verhältnis gibt.

Der Fotoserie vorausgegangen ist die Alzheimerkrankheit von Leshkos Mutter. Sie pflegte sie und begann sich mit Fragen des Alterns, der Angst vor dem Altern und der eigenen Sterblichkeit auseinanderzusetzen. Aus Respekt hat sie ihre Mutter, die dies aufgrund ihrer Krankheit weder ablehnen noch erlauben konnte, nicht fotografiert.

 

Nachdem sie bei Verwandten eine berührende Begegnung mit einem alten Pferd hatte, entschließt sie sich alte Tiere, als Auseinandersetzung mit dem (eigenen, menschlichen) Alter, zu fotografieren. Ausgangspunkt ist also sehr wohl ein Benützen der Tiere für menschliche Zwecke: dem Thematisieren des Alters.

 

Doch wie umgeht man die Respektlosigkeit durch ungefragtes Fotografieren bei Tieren? Wie verhindert man, dass die Tiere in den Tierheimen, Tierasylen und Gnadenhöfen ("sanctuaries"), die jahrzehntelang ausgenutzt wurden, nicht wieder ausgebeutet, als Objekt fotografiert werden?

 

Lesko möchte ein Gefühl für jedes Tier entwickeln und eine Verbindung zu ihm herstellen, deshalb nimmt sie sich Zeit, besucht das Tier öfter, sucht seine körperliche Nähe, legt sich zu ihm, sofern es das Tier erlaubt. Natürlich geben die Tiere kein Einverständnis zum Fotogafiertwerden, aber das Kennenlernen sollte eine Vorbereitung dafür sein, den Tieren - nicht nur mit der Kamera - auf Augenhöhe zu begegnen. Die Tiere - anmutig und würdevoll - sind Subjekte, die mit Leshko zusammenarbeiten.

 

Die für die Serie fotografierten Tiere hatten ganz unterschiedliche Leben und Erfahrungen: Viele wurden für die Massentierhaltung gezüchtet, bevor sie in die Tierasyle kamen, viele wurden vernachlässigt und misshandelt. Manche waren aber auch geliebte und umsorgte Haustiere. Manche schauen noch jugendlich aus, manche sehr alt und gebrechlich.

 

 

 

Blue © Isa Leshko
Blue, Australian Kelpie, 19 Jahre:

 

Für mich schaut Blue eher aus wie ein Welpe, als wie ein Hunde-Methusalem, nur das Aufstützen fällt schon schwer.

 

Blue © Isa Leshko

Blue, Australian Kelpie, 19 Jahre

Kelly © Isa Leshko
Kelly, Irish Wolfhound, 11 Jahre

Red © Isa Leshko
Red, Chow Mix, über 14 Jahre

Kiri © Isa Leshko
Kiri, Great Plains Wolf, 17 Jahre

Handsome © Isa Leshko
Handsome One, Thoroughbred Horse, 33 Jahre

Teresa © Isa Leshko
Teresa, Yorkshire Pig, 13 Jahre

 

Als sechsmonatiges gemästetes Schweinekind wird Teresa von einem konfiszierten Tiertransporter gerettet, es kommt zur Farm Sanctuary in Watkins Glen, N.Y, wo ihm Leshko mehr als ein Jahrzehnt später begegnet. Schaut es nicht verschmitzt aus? Es hat Glück gehabt, doch Glück haben oder nicht, sollte kein Kriterium für Leben oder Sterben sein.

 

 

Phyllis © Isa Leshko
Phyllis, Southdown Sheep, 13 Jahre

 

Obwohl es nicht Leshkos ursprüngliche Absicht war, entwickelt das Projekt eine ethische und politische Dimension. Ist es doch eine Provokation ein paar "Nutztiere“ zu zeigen, die ein natürliches hohes Alter erreichen, wenn nahezu alle anderen bereits nach wenigen Lebensmonaten brutal getötet werden. Fast jeder macht sich daran mitschuldig, durch Wegschauen oder Verdrängen. Die Fotos zeigen, wie Tiere alt werden könnten, würden sie nicht für unser Fleischessen getötet; sie fordern uns auf, das Schwein nicht als Fleischlieferant, sondern als Individuum zu sehen.

 

Isa Leshko will mit ihren Fotos die Menschen auch ermutigen, alte Tiere aus den Tierheimen zu holen. Da die meisten potenziellen neuen Tierhalter Tierbabys bevorzugen, fristen z.B. alte Hunde zu Unrecht ein einsames, übersehenes und ungehörtes Dasein. (Dass viele alte Hunde von  Menschen in Tierheimen abgegeben werden, weil sie mehr Kosten verursachen, krank und hilfsbedürftig werden, gehört für mich zu den traurigsten Tatsachen überhaupt, bedeutet es doch, dass das Tier auch in jungen Jahren nicht geliebt wurde. Diese Tiere haben keinerlei Möglichkeit zu verstehen, wieso sie in einem Zwinger enden, sie sind verwirrt, ängstlich und verzweifelt.)

 

Auf Leskhos Homepage findet sich eine lange Aufistung, wo ihr Werk in gedruckter oder digitaler Form besprochen wurde. Ich habe alles zumindest quergelesen, und mir ist dabei aufgefallen, dass Leshkos Werk zumeist als Statement gegen Altersdiskriminierung und Jugendwahn aufgefasst wird.

 

Dass so wenige alte "Nutztiere" fotorafiert werden, liegt aber nicht daran, dass sie wegen ihrers Alters diskriminiert werden, weil sie hässlich oder uninteressant sind, sondern weil es so wenige gibt. Wo leben alte "Nutztiere"? Wenn es sich nicht um befreite oder freigekaufte aus z.B. der Massentierhaltung handelt, gibt es keine alten "Nutziere": sie werden nur sehr selten alt oder sterben eines natürlichen Todes. Fast alle sterben für unnötiges menschliches Fleischessen.

 

Die UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO schätzt, dass in der Landwirtschaft weltweit jährlich um die 56 Milliarden Tiere getötet werden, das Achtfache der menschlichen Weltbevölkerung. (zit. n. Peter Praschl im SZ-Magazin)

 

Auch dieses Wissen macht Leshkos Fotoserie so berührend, schön und traurig zugleich: Sie zeigt die Überlebenden.

 

Der folgende Film von Walley Films zeigt Isa Leshkos Herangehens- und Arbeitsweise. Er wurde 2011 im Wildlife Rescue & Rehabilitation in Texas aufgenommen. Der Film ist auch auf Leshkos Homepage zu sehen.

 

 

 

Das Projekt "Elderly Animals" war für Isa Leshko emotional, physisch und finanziell eine Herausforderung und gleichzeitig Herzensangelegenheit. Obwohl ihr viele von dem Projekt abrieten, da man mit Tierfotos künstlerisch nicht ernst genommen würde, hat sie nicht aufgegeben.

Dass mir dieses Beitrag sehr am Herzen liegt, haben Sie sicher bemerkt. Ich stelle Ihnen Isa Leshko, die Psychologie und Informatik studiert hat, bevor sie sich ganz der Fotografie widmete, auch deshalb so gerne vor, weil bei ihr Leben und Kunst konsequent ineinandergreifen: Sie lebt vegan!

alle Fotos © Isa Leshko