Untitled (God Lived as a Devil Dog), 2013 © James Siena
Formal ist diese Arbeit von James Siena ein schönes Stück visueller Poesie. Über die Bedeutung des Satzes "God Lived as a Devil Dog" müssen Sie nicht lange grübeln, denn auch der Inhalt ist formal determiniert. Es handelt sich um ein Satz-Palindrom.
Palindrome müssen nicht immer einen Sinn ergeben, die Zeichenkette muss allerdings von vorne nach hinten und von hinten nach vorne bezüglich der Reihenfolge der verwendeten Zeichen übereinstimmen. (Quelle: Wikipedia)
James Siena (*1957in Oceanside, California/USA) ist ein ungegenständlicher Zeichner, Druckgrafiker, Maler und Bildhauer. Mit den Schreibmaschinen-Zeichnungen begann er 2013 während eines Rom-Aufenthalts. Dort schrieb er aus therapeutischen Gründen auf einer alten Olivetti, um sein verletztes Handgelenk zu trainieren. Daraus ging die Untersuchung des Potenzials des anachronistischen Relikts "Schreibmaschine" zur Kunsterzeugung hervor. (Diese prosaische Darstellung findet sich jedenfalls im Online-Ausstellungskatalog).
Mehr Typewriter Drawings von James Siena bei Hiram Butler.
Diese Arbeit der Künstlerin Tanja Fender berührte mich schon auf den ersten Blick und ich brauchte eine Weile, um mir klar darüber zu werden, warum. Der Gegensatz zwischen dem nahezu skelettiert dargestellten Hund und dem fröhlichem Brettchen auf dem er steht, könnte kaum stärker sein. Ungeachtet dessen, was die Künstlerin mit dieser Arbeit intendiert hatte, ist sie für mich eine Kritik an der für Tiere meist unheilvollen Allianz von Tier und Kind. Unzählige Hamster, Meerschweinchen, Kaninchen etc. fristen ein qualvolles Dasein in Einzelhaft und in Kinderzimmern. Auch Hunde müssen oft als Spielzeug herhalten, werden weggeworfen und ausgesetzt, wenn die Lust an ihnen verlorengeht. "Erzähl mir ein Märchen" nennt Tanja Fender diese Mixed-Media-Skulptur, die ihrerseits vom Tier als Spielzeug, als Ware, als Konsumartikel erzählt.
Die Malerin und Bildhauerin schafft zumeist intuitiv erfassbare Arbeiten von Beziehungen zwischen Tieren oder zwischen Mensch und Tier. Dabei reflektiert sie die Mensch-Tier-Beziehung kritisch und thematisiert in ihren Werken beider Sehnsüchte, Schmerz, Verzweiflung und Einsamkeit. Existenzielle Gefühle des menschlichen Daseins - Liebe, Geborgenheit, Angst, Trauer, Tod oder Gewalt - werden an Hand von Tierskulpturen sichtbar gemacht. Tanja Fender glaubt, dass das, was sie sagen will, durch Tiere vermittelt, vom Betrachter, der Betrachterin leichter aufgenommen wird.
Erst vor kurzem zeigte die Künstlerin im Kunstverein Ebersberg tierisch-menschliche Mischwesen - Bär, Maus, Hund, Häsin oder Hyäne - die in Körperhaltung und Mimik menschliche Emotionen und Bedürfnisse offenbaren. Menschenähnliche Figuren nehmen Eigenschaften von Tieren an und Tiere verkörpern menschliche Züge. Fenders Interesse gilt dabei besonders der Ambivalenz von Verhaltensweisen.
Hasenmilch, Installationsansicht Galerie Christa Burger, München, 2013
"Zu oft vergessen wir, dass der Mensch auch ein Tier ist. Vor allem vergessen wir, dass ein Tier zu sein nicht heißt, primitiv zu sein", gibt Tanja Fender in einem Interview zu bedenken. Das Instinktive und Animalische des Menschen und das Gefühlvolle der Tiere macht sie durch das Zeigen der Tierhybride sichtbar.
Vor ihrem Kunststudium hast Tanja Fender eine Ausbildung zur Glasmalerin gemacht. Ihr "Embryo" besteht aus Glas und unterstreicht damit die Zerbrechlichkeit.
Neben Glas, aus dem fragile, kleinformatige Skulpturen gefertigt sind, verwendet Tanja Fender für Ihre Bodenplastiken auch Silikon, das spontanes Arbeiten ermöglicht und durch die variablen optischen Eigenschaften seiner Oberfläche besticht.
Mit der zweiköpfigen Skulptur "Pawlowscher Hund" schuf sie das Sinnbild einer ohnmächtigen Kreatur, die uns mit den Gräuel konfrontiert, die der Mensch dem Tier zufügt. Sofort ist man an die Experimente des russischen Chirurgen Wladimir Petrowitsch Demichow in den 1950er Jahren erinnert, in denen er den Kopf oder Oberkörper eines ausgewachsenen Hundes an den Körper eines anderen nähte. Die längste post-operative Lebensdauer eines Zweiköpfers oder einer Chimära - nach den Mischwesen der griechischen Mythologie benannt - waren 32 Tage. Heute sind Xenotransplantationen, die Übertragung ganzer Organe oder Körperteile zwischen verschiedenen Spezies, auf dem Vormarsch (vgl. vice)
Ein interessierter Ausstellungsbesucher, Foto von ars canis
Derselbe interessierte Ausstellungsbesucher? Foto von flachware
Ausstellungsansicht mit Tanja Fender, Foto: Peter Hinz-Rosin
Ausstellungsansicht mit Tanja Fender, 2013, Foto: Natalie Grenzhäuser
Präzise Tierbeobachtung, psychologischem Wissen und zeichnerische Meisterschaft zeigt sich in ihren kleinen Skizzen und Aquarellen.
Tanja Fender (*1973 in Winogradar/Kirgisien) schloss in München eine Lehre als Glasmalerin mit dem Gesellenbrief ab und studierte dort von 2002-2009 an der Akademie der Bildenden Künste. Sie lebt in München.
Leider hat die Künstlerin keine eigene Homepage, sodass es nicht einfach war, einen Überblick über ihr Werk zu erlangen. Wollen Sie ihrer Arbeit weiter nachspüren empfehle ich die Homepage der Galerie Christa Burger sowie die Flachware-Homepage. Vor allem Ihre großartigen, sensiblen Zeichnungen sind hier versammelt, die mir noch besser gefallen als die Skulpturen, denen durch den unterschiedlichsten Materialgebrauch manchmal etwas (Kunst)Handwerkliches anhaftet. Ich hoffe, man erfährt bald mehr über diese interessante Künstlerin!
Auf sie aufmerksam wurde ich übrigens durch die Homepage ars Canis – Kunst und Kultur rund um den Hund, die ich Ihnen wärmstens ans Herz legen will. Die Kunsthistorikerin Dr. Karin Dohrmann präsentiert dort Kunst, Design, Kulturerlebnisse, Kultur-, Buch- und Ausstellungstipps rund um den Hund.
William Faulkners Zitat "The past is not dead, it is not even past" könnte als Leitgedanke über der Kunst von Sarah McRae Morton stehen. Auch für sie ist die Vergangenheit nicht vergangen, sondern sickert in ihre Malerei ein. Dabei verbindet sie persönliche Geschichten und Erzählungen mit Szenen der Kunstgeschichte, wobei sie neue Inhalte und Bedeutungen generiert.
The Battle ground of Paint Creek and all the wishes under foot -
my 2015 annual Self Portrait 2015 © Sarah McRae Morton
Sarah McRae Morton malt erfundene Porträts ihrer Vorfahren oder historischer Personen, porträtiert Personen aus ihrem Umfeld oder von ihren Reisen, lässt sich von Fotografien, Büchern und Erzählungen anregen. Dabei mischt sie die Fragmente der realen Welt - die Menschen, Tiere und Gegenstände - mit fantasievollen, märchen- und traumhaften Elementen.
Jenseits der Fakten dringen Erlebnis und Erfahrung in ihre Malerei ein, die von Geschichte, Erinnerung und Bedeutung durchwoben scheint. Sie bedient sich an unserem ikonischen Bildspeicher, verwendet das Vokabular der abendländischen Kunstgeschichte. Ihr besonderes Interesse gilt dabei der Malerei des Barock, der französischen Revolution und der Pariser Salonmalerei des 19. Jahrhunderts. Ihre markantesten Werke erscheinen wie eine fantastische Wiederaufnahme des kunstgeschichtlichen Kanons, wie das Wandeln auf den Spuren ihrer künstlerischen Vorfahren.
Vielleicht aber wäre die Beschreibung ihrer Malerei als "analoges Mashup" nicht nur kürzer, sondern auch prägnanter.
A Horse Named Pilgrim 2015 © Sarah McRae Morton
Green Keys of Golden Locks 2014 © Sarah McRae Morton
Napoleon's Colic 2012 © Sarah McRae Morton
The Blue Pocket Captive 2012 © Sarah McRae Morton
Unten sehen Sie einen barocken Innenraum mit Velazquez "Las Meninas" im Hintergrund, vorne Mortons Schwester Mary Caperton. Der Dalmatiner findet sich auch im Bild oben.
Mary Caperton wrangles an alligator in the grand stair hall of Kingston Lacy 2012
© Sarah McRae Morton
The Studio Practice 2008 © Sarah McRae Morton
When All The World Was Young 2012 © Sarah McRae Morton
God sees doG 2007 © Sarah McRae Morton
Immer wieder wildert Sarah McRae Morton motivmäßig bei den Tieren des Waldes (Bären, Wölfe), finden sich Hunde oder Pferde in ihren Gemälden - oft in fantastischem Kontext. Das Ergebnis ist wild und romantisch, detailliert und temperamentvoll, erdig und energisch, theatralisch und poetisch.
The Sobriquet "Pilot" 2015 © Sarah McRae Morton
The Wind of the West and the Heartbreak of Natural History 2015 © Sarah McRae Morton
In "The Crown Carved of Graphite and Gallows Under Beeches" vertieft sich Morton in die Geschichte ihres Vorfahren William Bankes, eines wohlhabenden und bemerkenswerten Entdeckers, der auf Grund seine Homosexualität im Jahr 1841 verbannt wurde. Wenn ich mich nicht täusche, schaut ein Hund über seine Schulter.
The Crown Carved of Graphite and Gallows Under Beeches 2015 © Sarah McRae Morton
"A Day Behind the Wolf Trapper, Tussa and Evelynn" geht auf eine Fotografie von Evelyn Cameron zurück, die das tägliche Leben im Montana des frühen 19. Jahrhunderts dokumentierte. Ich habe diese Fotografie, die als Impuls diente, hier gefunden und zeige sie Ihnen unten.
A Day Behind the Wolf Trapper, Tussa and Evelynn 2015 © Sarah McRae Morton
Eunice Gipson mit Evelyn Camerons zahmen Wolf, Foto: Evelyn Cameron
Werfen Sie unbedingt einen Blick auf die Blick auf Homepage der Künstlerin, der wir diese wundervollen Werke mit dem stürmischen Pinselstrich verdanken. Sie finden dort nicht nur einen Überblick über das umfassende Oeuvre der noch jungen Künstlerin - die Bilder mit Hund sind nur ein kleiner Teil - sondern auch viel über ihren künstlerischen Werdegang.
Das Bild mit den acht Ferkeln musste unbedingt in den Blog. Mindestens eine Leserin ist eine erklärte Schweine-Liebhaberin.
The Eight Charms Between the Hatfields and McCoys 2015 © Sarah McRae Morton
Sarah McRae Morton wuchs in einer Künstlerfamilie im ländlichen Pennsylvania auf, wo sie auch heute noch über den Pferdeboxen ihrer Familie ein Atelier am Heuboden hat. Sie studierte an der Kunstakademie und der Universität von Pennsylvania, erhielt mehrere Stipendien, unter anderem für Rom und Norwegen; sie lebt in Köln/Deutschland.
Zum Abschluss noch ein paar Fotos von Sarah, ihrem Hund und dem ländlichen Atelier:
The Ridge of All Minerals 2014 © Sarah McRae Morton
Where the "Movable Feast of Strasburg" was born 2014 © Sarah McRae Morton
Fletcher in the fort 2014 © Sarah McRae Morton
Weitere Informationen zur Künstlerin und ihrem Werk auch auf den Seiten der Dowling Walsh Gallery und der Red Raven Art Gallery.
Der Schweizer Bildhauer Severin Müller interessiert sich für die dreidimensionale Umsetzung von zweidimensionalen Fotografien oder Malereien, die Ausgangspunkt für seine Interpretationen sind. Im Zentrum seiner künstlerische Tätigkeit steht die Holzskulptur: Alltagsgegenstände, Figuren in ihrem täglichen Umfeld, aber auch Werke der Kunstgeschichte werden aus dem Holz geholt. Bei der Umsetzung von Velasquez "Las Meninas" als Mobile baumelt der Hund von der Decke. (Das Mobile ist aus nachvollziehbaren Gründen allerding nicht aus Holz, sondern aus Papier.)
Doch meist arbeitet Severin Müller mit der Kettensäge und der Schleifscheibe, manche Motive werden mit der Axt aus Holzplatten gehauen.
Immer wieder "befreit" er auch Tiere aus ihren Holzstämmen, ab 2012 vor allem Hunde; müde Hunde, die sich räkeln, zusammenrollen und auf dem Rücken liegend entspannen.
Den groben Holzhunden wohnt ein spielerisches Moment inne, das sich z.B. in der Bemalung der Hunde offenbart. Gleichzeitig zeigt dieser humorvolle Umgang des Künstlers mit seinen Werken, die Lust an seiner eigenen Kunst.
Der Hund ist ein Hund und keine Metapher, könnte Severin Müller sagen - derart hat er sich sinngemäß über seine Katzenskulpturen geäußert - und er soll in seiner unmittelbaren Sinnlichkeit und heiteren Unbeschwertheit verstanden und gemocht werden.
Unten noch ein Foto mit dem Künstler, hier sieht man sehr gut, dass die Skulpturen etwas größer sind als ihre lebenden Vorbilder.
Severin Müller (*1964 in Glarus/Ch) hat an den Kunsthochschulen in Zürich, Budapest und Berlin studiert und arbeitet als freischaffender Bildhauer in Zürich. Er ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Zürcher Bildhauer im Gaswerkareal in Schlieren.
Fotos © Severin Müller
Unglaublich eigenartig und eigenwillig sind die wunderbaren Keramikarbeiten von Erika Sanada. Vögel, Ratten ud Hunde bevölkern ihr künstlerisches Universum - alleine oder in friedlichen und feindlichen symbiotischen Beziehungen. Jede Skulptur scheint, vor allem in Verbindung mit den aussagekräftigen Werktiteln, eine Geschichte zu erzählen.
Die Skulpturen lösen ganz unterschiedliche, ambivalente Gefühle aus: Unbehagen und Besorgnis, Grauen und Angst, Trauer und Hoffnungslosigkeit, aber auch Beschützerinstinkt und Freude.
Allen Kreaturen gemeinsam ist, dass sie keine Pupillen haben. Sind sie blind oder können sie dennoch alles "sehen"? Auch ohne Blick besitzen die Hunde eine ausdrucksstarke Mimik, lässt die Stellung der Ohren Rückschlüsse auf deren Befindlichkeit zu. Ohne Zweifel ist Erika Sanada eine gute Hunde-Beobachterin.
Einerlei ob es sich um die leeren Augen, die menschenähnliche Haut mit fein eingeritzten Texturen oder die physischen Anomalien handelt, erscheinen uns die Tiere sowohl liebenswert als auch beunruhigend in ihrem Leiden und ihrer Fremdheit. Oft erkennt man das Grauenhafte erst auf den zweiten Blick. Zu sehr evoziert das glatte Material und die zarte Farbakzentuierung der blassen Geschöpfe eine sensible Stimmung.
Sehr offen beschreibt die Künstlerin die psychischen Verletzungen ihrer Kindheit, die Hänseleien durch MitschülerInnen, ihre kummervolle Persönlichkeit und lähmende Ängstlichkeit. Die künstlerische Arbeit half ihr die Angst zu erforschen, zu kanalisieren und sich ihrer dunklen Seite zu stellen: Traumata werden skulptural überwunden.
"My work reflects the weird and the creepy; I am fascinated with the dark side. “Odd Things” is my current body of work and I use ceramic for making bizarre creatures. They have extra body parts such as multiple arms, legs, teeth and ears. These are how I express my sensitive mind. There are two reasons I create misshapen and abnormal work. One is my bitter childhood and the second is my constant anxieties.
When I was young, my friends ignored and bullied me. As a result, I stayed indoors and watched supernatural movies and animations. They helped me escape from reality and gave me power. These movies showed main characters using magic to turn others into freakish animals and insects. This transformation inspired me to make work that reflected the images that I saw in those movies and animations.
I have had an anxious personality since I was a child. I worry about everything, even tiny things. Anxiety drags my mind to the dark side, which is more powerful and intense than my bright side. Sometimes I can’t move forward because I am emotionally paralyzed. I decided to go face-to-face with my anxieties by creating irregular and eerie creatures representing my dark side. As a result, these creatures show my twisted mind as I try to overcome anxiety through my creation." (Artist Statement)
Um mit den Ängsten in ihrer Kindheit fertig zu werden, bekam Erika Sanada von ihren Eltern einen Hund, der ihr großer Begleiter wurde. Einzig die Beziehung zu diesem Hund und das Anschauen von Filmen mit Superhelden halfen ihr, die Zeit durchzustehen. In ihrer Arbeit stehen deshalb die Hunde für die Freude im Leben. Doch dieses Glück wird durch das surreale Aussehen der Hunde (zusätzliche Zähne oder Ohren) unterlaufen, das die andauernde Ängstlichkeit in ihrem Leben symbolisiert. Dergestalt kämpft ihre Arbeit - wie auch die Künstlerin selbst - um ein Gleichgewicht zwischen Freude und Leid.
Die folgenden Fotos, die einen Einblick in den Entstehungsprozess geben, stammen vom Hi-Fructose Magazin.
Erika Sanada (*1978 in Tokio) hat Studienabschlüsse in Communication Design und Bildhauerei. In Tokio arbeitete sie als Werbegrafikerin und Maskenbildnerin beim Film. Inzwischen lebt und arbeitet sie in San Francisco.
Gehen sie unbedingt auf Erika Sanadas Homepage, dort sehen sie jedes Werk von mehreren Seiten fotografiert, was einen umfassenden Blick auf jede Skulptur erlaubt. Auch auf den Seiten der Modern Eden Gallery und der Galerie Abmeyer + Wood finden sie viele Arbeiten und Informationen zu ihren Ausstellungen.
Flussüberquerung, 2002 © Surat Osathanugrah
Surat Osathanugrah (1930-2008) wurde 2002 mit der Ausstellung seiner Fotoserie "Vanishing Bangkok" als Fotograf bekannt. Er wandte sich erst mit 70 Jahren der Fotografie zu, zuvor war er unter anderem Geschäftsmann, Minister und Gründer der ersten privaten Universität Thailands. Während seiner Zeit als Fotograf publizierte er mehrere Fotobücher und stellte in Thailand, aber auch international aus - zum Beispiel 2005 im Wiener WestLicht - Schauplatz für Fotografie. Bei einem Fotobuchabverkauf fiel mir das wunderschöne Buch in die Hände.
Klassenunterschiede, 2002 © Surat Osathanugrah
Voyeur, 2002 © Surat Osathanugrah
Das Wasser geht, der Hund kommt, 2002 © Surat Osathanugrah
Kind küsst Hund, 2002 © Surat Osathanugrah
Der Titel der Ausstellung und des Buches "Vanishing Bangkok" bezieht sich auf das Verschwinden der traditionellen Lebensweisen in Bangkok. Surat Osathanugrah dokumentiert mit seinen poetischen Schwarz-Weiß-Fotografien diese vergehende Welt für zukünftige Generationen: charmant, humorvoll und mit einem Sinn dafür, im formal passenden Moment abzudrücken.
Ich habe versucht, die Komplexität des sich stets wandelnden Bangkok einzufangen, eine schwierige, aber auch angenehme Aufgabe. So viel von Bangkoks psychischer und sozialer Landschaft wird ständig transformiert und so vieles geht dabei auch verloren. Ich gehe hinaus auf die Straßen und Kanäle, ausgerüstet mit einigen Fotoapparaten, auf der Suche nach dem friedlichen, lächelnden Bangkok, das ich früher gut kannte. Hier sind die Ergebnisse. Es ist noch da! Man muss nur genauer hinschauen. (Surat Osathanugrah)
Dieses friedliche, lächelnde Bangkok ist natürlich auch ein Bangkok der Hunde!
Unten sehen Sie Hedy mit dem Buchcover. Das Buch ist - befürchte ich - nur schwierig erhältlich. Da ich Ihnen aber alle Fotografien mit Hunden zeigen wollte, habe ich die folgenden Bilder aus meinem Exemplar herausfotografiert – die Fotografien sind leicht beschnitten. Bitte sehen Sie mir die Qualitätsverluste nach.
Der kranke Hund ist im Tempel zu Hause, 2003
Glücklicher schlafender Hund, 2003
Fotobuch: Surat Osathanugrah: Vanishing Bangkok, 2005 (ISBN: 974-93111-8-3)
Die US-Amerikanerin Kathleen Coy ist eine leidenschaftliche Malerin von Hunde-Porträts. An den Hunden interessiert sie ihre Schönheit, ihre Vielfalt und ihre Verkörperung unserer besten Eigenschaften (Tapferkeit, Freude, Treue, bedingungslose Liebe). Ihre Absicht ist es deshalb, mehr als "nur einen Hund" zu malen. Dieses Mehr versucht sie unter anderem durch Überwindung des Naturalismus mit gestischen und impressionistischen Elementen auszudrücken. Mehr dazu auf ihrer Homepage. Für mich sehen manche Hundeporträts (der Borsoi oder der Wolfhound!) trotzdem wie aus russischen Gemälden des ausgehenden 19. Jahrhunderts entsprungen aus.
Mir gefallen die Porträts am besten, in denen sie die überwiegend monochrome Darstellung zugunsten einer Farbigkeit im Hintergrund verlässt wie z.B. bei "Cloud" oder bei "Bunny in the Clouds" unten.
Ihre Kindheit verbrachte Kathleen Coy (*1967) auf einem Bio-Bauernhof in Iowa. Aus dieser Zeit rührt ihre Wertschätzung für Tiere und die Natur, die sich später in ihren Bildern zeigte. Inzwischen hat sie ihr Repertoire um Landschaften, Stillleben und Porträts erweitert. Kathleen Coy hat Gebrauchsgrafik in Omaha, Nebraska studiert und als Grafikerin gearbeitet. Künstlerisch arbeitet sie mit Aquarell und Acryl, erst 2010 kam die Ölmalerei dazu.
Heute lebt mit zwei Windhunden (Sephiroth and Train), einem Terrier (Cloud) und ihrem Ehemann in Colorado.
alle Bilder © Kathleen Coy
Es ist inzwischen ein paar Wochen her, seit ich beim Wiener Filmfestival "Viennale" Laurie Andersons Film "Heart of a dog" gesehen habe, und ich versuche mich daran zu erinnern, was mir aus diesem wunderbaren filmischen Essay im Gedächtnis geblieben ist: Vor allem die ganz besondere Beziehung, die Laurie Anderson zu ihrem Terrier Lolabelle hatte, die Liebe zu ihm, die den Film wie ein roter Faden durchzieht.
Laurie Anderson hat Lolabelle und ihr Erleben der Welt bei gemeinsamen Spaziergängen mit ernsthaftem Interesse beobachtet. Der Terrier änderte sein Verhalten und richtete es zum Himmel aus, nachdem er einmal von einem Vogel von oben bedroht wurde. In ihrer filmischen Montage vergleicht sie diese Erinnerung an den Hund mit der Aufmerksamkeit der Menschen, die sich nach 9/11 ebenfalls nach oben ausrichte. Persönliche Erinnerungen werden mit dem allgemeinen Stimmung und Lebensrealität in New York verknüpft. Laurie Anderson selbst verließ nach dem Anschlag auf die Twin Towers und der daraus resultierenden Überwachung New York und übersiedelte nach LA.
Die Musikerin hat ihrem Hund das zweipfotige Klavierspielen beigebracht. In einer Szene sehen wir die bereits blinde Lolabelle bei einem Auftritt für eine Tierrechtsorganisation beim Keyboardspielen. Behutsam lenkt Laurie Anderson ihr Spiel. (Ich glaube bemerkt zu haben, dass sie ihr Leckerlis vor die Tasten hält, denen sie nachspürt).
Berührend sind auch die Aufnahmen der kranken Lolabelle, die ihre letzten Tage in einer Tierambulanz verbringt, bevor sie von Laurie Anderson zum Sterben nach Hause geholt wird. Auch Hunde wissen, wann sie gehen wollen.
Das große Thema des Films ist die Auseinandersetzung mit Verlust, Tod und Trauer. Nicht nur das Sterben des geliebten Hundes wird erzählt, sondern auch das der Mutter und das Sterben Gordon Matta-Clarks, das ihr Künstlerfreund als Performance inszenierte. An seinem Sterbebett wurde das tibetanische Totenbuch gelesen. Der Tod ihres Ehemanns Lou Reed 2013 bleibt vordergründig ausgespart, ihm ist allerdings der Film gewidmet.
Laurie Anderson entwickelt für ihr filmisches Universum eine hypnotische, visuelle Bildsprache, montiert aus tagebuchartigen Aufzeichnungen mit der Videokamera, 8-Millimeter-Filmen, Animationen ihrer großartigen Kohlezeichnungen, Aufnahmen mit dem Smartphone und Hundefotografien. Oft folgt die Kamera Lolabelles Sicht: Aus ihrer Hundeperspektive erleben wir Hundebegegnungen am Trottoir mit.
Der Trailer gibt einen guten Einblick in Andersons formale Vorgehensweise und in die Stimmung, die der Film vermittelt.
Die US-amerikanischen Musikerin und Performance-Künstlerin, die zweimal an der Documenta teilnahm, erschafft eine sehr persönliche, humorvolle (z.B. wenn sie Pudel, Schäferhunde und Terrier vergleicht), tief bewegende Meditation, die über die Darstellung ihrer Beziehung zu Lolabelle hinausgeht und die existenziellen Dinge berührt. Sie collagiert unterschiedliche Themen und Bilder, Erinnerungen an ihre Kindheit (langer Krankenhausaufenthalt) und Träume zu einem emotionalen Ganzen, das Persönliches und Gesellschaftliches miteinander verbindet.
Ihre omnipräsente und suggestive Stimme, die mit Wärme und Einsicht, mit philosophischen, literarischen und bildnerischen Zitaten (Kierkegaard, Wittgenstein, David Foster Wallace, Goya) assoziierend erzählt, und ihre Musik ergänzen gleichberechtigt die Bilder. Stimme, Musik und Film - aus vielfältigsten Quellen verwoben - bilden solcherart ein ausgewogenes, harmonisches Nebeneinander.
Mir wird schnell langweilig, wenn etwas zu kunstvoll ist - keine Sekunde jedoch dieser melancholischen, herzerwärmenden fünfundsiebzig Minuten war mir zu lang.