25. Februar 2021 - 12:33

Nach und nach werden immer mehr Künstlerinnen wiederentdeckt und mit Werkschauen präsentiert. Eine davon ist Ottilie W. Roederstein, deren strenge Selbstporträts mein Interesse weckten. Da sie auch ein paar Hunde gemalt hat, Grund genug, sie im Blog zu zeigen.

Ottilie W. Roederstein (*1859 in Zürich/Schweiz, gest. 1937 in Hofheim am Taunus/D) widmete ihr ganzes Leben der Kunst.

 

Mein ganzes Interesse war Arbeit und Arbeit. Ihr widmete ich mein ganzes Sein. (Ottilie W. Roederstein)

 

Als freischaffende Malerin gehörte sie zu den erfolgreichsten Künstlerinnen ihrer Zeit. Sie fand nicht nur in der Schweiz und Deutschland großen Zuspruch und Anerkennung für ihre Porträts und Stillleben, sondern auch in Paris, wo sie seit 1883 ihre Gemälde ausstellte. Der Erfolg sicherte ihr finanzielle Unabhängigkeit, sodass sie sich gesellschaftliche Freiräume erobern und sich nach ihrem Lebensentwurf entfalten konnte, was den meisten ihrer Zeitgenossinnen verwehrt war.

Als einzige Künstlerin vertrat sie 1912 die Schweiz bei der "Internationalen Kunstausstellung des Sonderbundes" in Köln - neben männlichen Kollegen wie Ferdinand Hodler und Giovanni Giacometti. Trotz ihrer einst internationalen Wertschätzung ist Roederstein fast unmittelbar nach ihrem Tod in Vergessenheit geraten.

In ihrem umfangreichen, in thematischer und stilistischer Hinsicht vielfältigem Œuvre spiegeln sich die modernen Entwicklungen des europäischen Kunstgeschehens, wobei sich Ottilie W. Roederstein zeitlebens im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne bewegte und nie zur künstlerischen Avantgarde gehörte.

Ein Jahr nach ihrem Tod wurden ihr 1938 in Erinnerung an ihr künstlerisches Vermächtnis und an ihr unermüdliches Engagement als Mittlerin zwischen der Schweiz und Deutschland in Frankfurt, Zürich und Bern Gedenkausstellungen ausgerichtet.

Durch die Zäsur des Zweiten Weltkriegs und die allgemeine Fokussierung des Kunstbetriebs auf abstrakte Malerei geriet Roedersteins Werk jedoch in Vergessenheit. Nun, nach über 80 Jahren, ist ihr Werk in einer monografische Werkschau im Kunsthaus Zürich wiederzuentdecken.

 

Ottilie W Roederstein, Jeanne Smith mit Hund, 1889

 

Roederstein, die gegen den Widerstand ihrer gutbürgerlichen Familie Künstlerin wurde, musste sich ihren Lebensunterhalt als freischaffende Künstlerin selbst verdienen. Dementsprechend arbeitete sie gezielt für den Kunstmarkt und hielt sich in ihren frühen Jahren an die malerischen Konventionen und Erwartungen des jeweiligen Auftragsumfeldes. Sie bediente den Geschmack des bürgerlichen Publikums, das ihre Bilder kaufen sollte.

Dies zeigt sich zu Beginn ihrer Karriere durch den Einsatz einer dunkeltonigen Farbpalette sowie durch die Wahl ihrer Bildsujets: den Porträts und Stillleben.

Im Porträt der "Jeanne Smith mit Hund" von 1889 sehen wir ein melancholisches Damenbildnis in altmeisterlichen Hell-Dunkel-Inszenierung. Der Setter wird an der kurzen Leine gehalten und scheint sich gegen den ausgeübten Druck zu stemmen. Im Gegensatz zu dem seelenvollen Blick von Jeanne sieht er uns missmutig und unwirsch an.

In ihrem späteren Werk nahm Roederstein zunehmend Elemente anderen Kunstrichtungen auf. Auch die Temperamalerei, die sie ab 1910 (wieder) einsetzte, übte einen Einfluss auf ihren Stil aus, bevor sie in den 1920er-Jahren zu der ihr eigenen sachlich-nüchternen Bildsprache fand.

 

Ottilie W. Roederstein, Elisabeth H. Winterhalter mit Schäferhund, 1912

 

1912 entstand das Gemälde "Elisabeth H. Winterhalter mit Schäferhund". Es stellt Roedersteins Lebenspartnerin - eine Gynäkologin und erste deutsche Chirurgin - dar, mit der sich die Künstlerin 1909 im ländlichen Hofheim am Taunus niedergelassen hatte. Roederstein und Winterhalter unterstützten sich gegenseitig, stießen in traditionell Männern vorbehaltene Disziplinen vor und machten in Kunst und Medizin Karriere.

Im Porträt sind schon Nüchternheit und Realismus angedeutet; die Künstlerin sollte sich später mehr und mehr dem Stil der Neuen Sachlichkeit nähern. Sowohl die Temperamalerei als auch die intensive Beschäftigung mit der italienischen Zeichenkunst der Renaissance erzeugten einen plastischen und fast linearen Stil in heller getrübter Farbigkeit. Allerdings greift Roederstein nicht auf die Idealisierung der Renaissance zurück. Ohne jede Idealisierung hat sie nicht nur sich in zahlreichen Selbstporträts, sondern auch die Erscheinung ihrer Freundin gemalt. Die Dargestellte schaut ihre BetrachterInnen skeptisch, kritisch, ja mit nahezu abschätzigem Blick an.

Dem ergebenen Schäferhund wird nicht so viel (künstlerische) Aufmerksamkeit zuteil, sein Kopf ist flächig-expressiv gestaltet und hat mit der schlichten Kleidung und dem einfachen Hintergrund malerisch mehr gemeinsam als mit Elisabeths Gesicht.

 

Ottilie W. Roederstein, Zwillinge mit Wolf und Peitsche, 1916

 

Die "Zwillinge mit Wolf und Peitsche" von 1916 sind sorgfältig durchkomponiert, sie bilden eine Dreiecksform, wobei das Kleid des rechten Mädchens wegsteht, um den symmetrischen Aufbau nicht zu gefährden. Peitsche und Federn verstärken die Vertikalität. Während das rechte Kind durch seinen abwesenden Gesichtsausdruck und seine unsichere Handhaltung auffällt, ist der kritische Blick ihrer Schwester direkt zum Betrachtenden gerichtet. Auch der schmale "Wolf" schaut ernst. Mit der monochromen Farbgestaltung ist Roederstein hier auf der sicheren Seite.

Sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz war Roederstein eine feste Größe im Kulturbetrieb. Die vielbeschäftigte Porträtmalerin förderte durch Ankäufe für ihre eigene Sammlung andere Kunstschaffende, unterstützte Ausstellungen moderner französischer und Schweizer Kunst und setzte sich für deren Verbreitung ein.

Bis zum 5. April 2021 ist sie im Kunsthaus Zürich zu sehen, dann kommt die Ausstellung unter dem Titel "Frei schaffend" ins Staedel Museum nach Frankfurt am Main (zu sehen vom 19. Mai bis zum 5. September 2021).

Quellen: Wikipedia, Kunsthaus Zürich, Staedel Musem, ARTinWORDS

Fotos von hier

 

Ausstellung, Malerei

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