2. Oktober 2024 - 11:22

Louise Catherine Breslau, Selbstporträt, 1891 © Musée d’Art moderne et contemp
Louise Catherine Breslau, Selbstporträt, 1891
© Musée d’Art moderne et contemporain de Strasbourg

 

Eine wunderschöne junge Frau blickt uns mit entwaffnender, fast einschüchternder Direktheit an. Es handelt sich um die Künstlerin Louise Catherine Breslau, die zurzeit mit 25 anderen Frauen im Städel Museum im Rahmen der Ausstellung "Frauen - Künstlerinnen zwischen Frankfurt und Paris um 1900" gezeigt wird.

 

"Die Ausstellung zeigt Künstlerinnen, die sich mit großer Eigenständigkeit und Professionalität in einem durch männliche "Künstlergenies" bestimmten Kulturbetrieb durchsetzten. Unter dem Blickwinkel der Netzwerke entsteht ein komplexes Bild der Ausbildungs- und Arbeitssituation von Künstlerinnen in der Moderne: vom Kampf der Wegbereiterinnen im Paris der 1880er-Jahre über die ersten Bildhauerinnen an der Kunstschule des Städel um 1900 bis hin zu einer jungen selbstbestimmten Generation von Künstlerinnen im Neuen Frankfurt der 1920er- und 1930er-Jahre." (zit.n.Städel Museum, Presseinformation)

 

Ich habe für den Blog exemplarisch Catherine Louise Breslau gewählt, da sich in ihren Gemälden immer wieder Hunde finden. Wenn sie Hunde malte, dann porträtierte sie diese wie Menschen und zeigte die emotionale und freundschaftliche Verbundenheit zu ihnen. Bei ihrem Selbstporträt lugt der kleine Hund aus dem eleganten Umhang hervor. Die Darstellung erzählt nicht nur vom Beschütztwerden, sondern zeigt auch das zarte Miteinander der beiden: Die Hand umschließt die Pfote.

"Mes Toutous" von 1881 ist eines der frühesten Pastelle der Künstlerin. Das Pastell erlaubt ein rasches Arbeiten und ermöglicht durch das Verwischen mehrerer Farbschichten eine malerische Wirkung.

 

Louise Catherine Breslau, Mes Toutous, 1881
Louise Catherine Breslau, Mes Toutous, 1881

 

Louise Catherine Breslau spezialisiert sich auf Porträts, die meisten dieser Auftragsarbeiten führt sie in Pastell aus. Sie reduziert bereits jetzt das Interieur auf das Wesentliche. Ab 1910/11 heben sich ihre angedeuteten skizzierten Porträts vor einem neutralen, bisweilen leicht schraffierten Hintergrund ab. Alles wird flüchtig und spontan erfasst, zumeist bleiben ganze Blattpartien offen, wodurch der Bildträger an der Gesamtwirkung teilhat.

 

Louise Catherine Breslau, Portrait de Mademoiselle Adeline Poznanska enfant, 189
Louise Catherine Breslau, Portrait de Mademoiselle Adeline Poznanska enfant, 1891
© Musée d'Orsay

Louise Catherine Breslau, Porträt der Freunde, 1881 © Musée d'art et d'histoir
Louise Catherine Breslau, Porträt der Freunde, 1881
© Musée d'art et d'histoire, Ville de Genève, Foto Flora Bevilacqua

 

Für Louise Catherine Breslau wurde Paris zum Ausgangspunkt ihrer Karriere und zu einem wichtigen Zentrum ihres internationalen Netzwerks. Hier konnte sie sich zu einer erfolgreichen Künstlerin entwickeln. Die Pariser Ausbildungsstätten waren außerdem wichtige Begegnungsorte. Die Ausstellung im Städel Museum präsentiert ihr programmatisches "Porträt der Freunde", das ihre Pariser Wohn- und Frauengemeinschaft abbildet. Die junge Malerin zeigte das Werk 1881auf dem Pariser Salon und wurde schlagartig berühmt. (vgl. Städel Museum Presseinformation)

Wir sehen die die Künstlerin, wie sie die zwei Freundinnen und einen Hund in der gemeinsamen Atelierwohnung malt. Das Gemälde beschreibt die spezifische Situation für Frauen in der damaligen Zeit, in der es gesellschaftlich nicht akzeptiert war, als junge Frau allein zu wohnen. Das Gemälde entstand zudem in Paris, da in Deutschland Frauen der Zugang zu einer künstlerischen Ausbildung weitgehend verwehrt war.

Drei Frauen sitzen gedankenversunken an einem Tisch - eine Szene, die oft genutzt wurde, um die sozialen Verbindungen im späten 19. Jahrhundert darzustellen. Links sitzt Maria Feller, eine italienische Sängerin, in der Mitte die Winterthurer Malerin Sophie Schaeppi und an den rechten Bildrand geschoben die Künstlerin selbst in Rückenansicht, dazwischen ihr geliebter Hund.

Das Gemälde vereint alles, was ihr Frühwerk auszeichnet, sowohl farblich, formal, stilistisch als auch inhaltlich - und was sie konsequent fortführte. Es ist ein Gruppenporträt auf engem Raum, und doch sind es Einzelporträts, bei denen jede Person charakteristisch erfasst ist. Aber ihre geschickte und überlegte Komposition schafft eine formale, vor allem geistige Verbindung zwischen den Dargestellten, die in dem klugen Gefüge eng miteinander verbunden sind, ohne in direktem Kontakt zu stehen. Jede Person hält inne, um sich in Gedanken zu verlieren. Auch der Hund strahlt Ruhe aus und scheint in Gedanken versunken.

Diese Ruhe und In-sich-Gekehrtheit der Modelle zeichnet fast jedes Werk von Louise Catherine Breslau aus. Das Interesse der Künstlerin an der psychologischen Durchdringung ihrer Modelle bewirkte eine allmähliche Vernachlässigung in der Darstellung des Raums, der zunehmend formale Bedeutung erhielt und später oftmals gänzlich verschwand. (vgl. Anne-Catherine Krüger in: Berufswunsch Malerin! Elf Wegbereiterinnen der Schweizer Kunst aus hundert Jahren, FormatOst, 2020, S 51ff)
 

 

Louise Catherine Breslau, Zu Hause oder Intimität, 1885 © Musée des beaux-arts
Louise Catherine Breslau, Zu Hause oder Intimität, 1885
© Musée des beaux-arts de Rouen

 

Das Thema der geistigen Verbundenheit der Menschen und der tiefen Freundschaft bei gleichzeitiger Besinnung auf sich selbst ist auch in "Zuhause oder intimität" anzutreffen. Das Doppelporträt ihrer Mutter und ihrer Schwester Bernhardine gewährt einen Blick in das beseelte Leben der Dargestellten, die niemals in Aktion oder Bewegung sind, sondern auch dann innehalten, wenn sie zuvor einer Tätigkeit wie dem Sticken nachgegangen sind.

Sehr originell ist die Positionierung des Hundes, der am unteren Bildrand angeschnitten ist und fast wie ein Fremdkörper oder nachträglich dazugemalt wirkt.

 

Louise Catherine Breslau, La vie pensive, 1908 © Musée cantonal des Beaux-Arts
Louise Catherine Breslau, La vie pensive, 1908
© Musée cantonal des Beaux-Arts de Lausanne

 

In "La vie pensive" stellt Louise Catherine Breslau eine Szene im Salon ihres Hauses in Neuilly-sur-Seine, einem Vorort von Paris, dar. Sie malt sich selbst, einen Brief in der Hand haltend, in sitzender Rückenansicht, nur ihr markantes Profil ist zu sehen. Im Vordergrund sitzt ihre Partnerin Madeleine Zillhardt, die ihr Muse, Modell, Vertraute und Förderin ist, und berührt gedankenverloren einen Barsoi. Ein Gefühl der Spannung und Verzagtheit geht von ihr aus, das wohl auch der sensible Hund wahrgenommen hat: Er legt tröstend und mitfühlend seinen Kopf in ihren Schoß und scheint selbst zu wissen, dass er zu seinem Menschen nicht durchdringen kann.

Das große Gemälde ist mit schnellen Pinselstrichen im Stil der impressionistischen Malerei eines Edgar Degas gemalt. Auf dem weißen Tischtuch in der Mitte des Gemäldes stehen eine Reihe von Elementen, die häufig in Stillleben zu finden sind, wobei sich opake und transparente Texturen abwechseln: ein Blumenstrauß, ein Obstkorb, eine Karaffe mit Glas und ein Porzellanteller. Ein Messer, das auf einen Pfirsich gerichtet ist, symbolisiert die fleischliche Leidenschaft der beiden Frauen füreinander.

Obwohl Louise Breslau in Paris eine führende Persönlichkeit der Schweizer Kunstszene war, musste sie sich die Anerkennung in ihrem Heimatland hart erarbeiten. Das Gemälde wurde erst an der neunten nationalen Kunstausstellung in Basel angenommen, nachdem sich die Künstlerin beim Bundesrat über die Frauenfeindlichkeit des Schweizerischen Maler- und Bildhauervereins beschwert hatte, der Ferdinand Hodler gefolgt war und für die Ablehnung von Frauen gestimmt hatte. (vgl. MCBA)

 

Louise Catherine Breslau, Jeune fille avec un Borzoi, 1912
Louise Catherine Breslau, Jeune fille avec un Borzoi, 1912

 

Wie nur wenigen Künstlerinnen ihrer Zeit war es Louise Catherine Breslau (*1856 in München/D, gest. 1927 in Neuilly-sur-Seine/F) aus eigener Kraft gelungen eine selbstständige Position als Frau und Künstlerin zu erarbeiten. Sie ließ sich in einem damals für Frauen üblichen Bereich ausbilden: dem Porträt. Um eine anspruchsvollere Ausbildung zu erhalten, zog sie 1876 nach Paris, um an der Académie Julian teilzunehmen. Dieses Atelier bot einen alternativen Unterricht zu dem der Ecole nationale des beaux-arts an, die Frauen noch verschlossen war.

Ohne sich einem Impressionismus oder Naturalismus radikal zuzuwenden, griff sie stilistische und thematische Merkmale ihrer künstlerischen Vorbilder auf und gelangte zu einer ihr eigenen Handschrift und Bildauffassung. In Paris wurde sie bald von der Kunstwelt geschätzt und geehrt. Bereits um 1900 war sie eine der gefragtesten Porträtistinnen.

Nach ihrem Tod geriet sie allerdings in Vergessenheit. Erst 1988 wurde Breslau mit einer Monografie und einem kritischen Werkverzeichnis Gegenstand einer wissenschaftlichen Untersuchung, welche die Aufmerksamkeit erneut auf die Künstlerin lenkte.

Eine ausführliche Biografie von Louise Catherine Breslau finden Sie im großartigen e-Kunstmagazin ARTinWORDS.

Die Ausstellung im Städel-Museum ist noch bis zum 27.10.2024 zu sehen.

 

Ausstellung, Malerei
23. September 2024 - 11:22

Drachenjagd, 2023 © Susannah Martin

 

Susannah Martins großformatige, figurative, ja hyperrealistisch anmutende Ölgemälde zeigen uns das klassische Sujet des Akts in der Natur zeitgenössisch interpretiert und handwerklich brillant. In zahlreichen Interviews (gut dokumentiert auf ihrer Homepage) und in ihrem künstlerischem Statement erklärt die Künstlerin, wieso es ihr tiefer Wunsch ist, "die menschlichste, aber gleichzeitig am stärksten eingeschränkte Kunstform, die es gibt, den Akt, in die Gegenwart zu holen". (vgl. hier)

Sie möchte den Akt, wie wir ihn aus der gesamten Kunstgeschichte kennen und der in erster Linie ein Produkt des männlichen Blicks mit seinen ästhetischen Kriterien ist, durch eine andere nicht sexuell orientierte Perspektive ersetzen.

Doch gelingt ihr das mit ihren Frauenkörpern, die wenig divers sind und wie Hochglanzmodelle wirken? Die makellosen Körper scheinen eher wie eine Verkörperung des heutigen Schönheits- und Jugendwahns zu sein, dem sich viele Frauen unterwerfen (vgl. heliumcowboy). Allerdings sind sie in ihrem Tun unabhängig, befreit und genießen ihr Leben in der Welt (vgl. dazed digital). Sichtbar wir das durch ihre Aktivität und dass sie bewegt den Raum einnehmen. Kunstgeschichtlich war der weibliche Akt immer mit Passivität und Erotik verbunden (im Gegensatz zur autonomen männlichen Nacktheit). Paradebeispiel dafür ist Giorgiones "Schlafende Venus" (um 1510), die die künstlerischen Konzeptionen bis heute beeinflusst. Sie ist vollkommen in die Natur integriert und ruht in stiller Passivität.

 

The Retrievers, 2023 © Susannah Martin

Paramnesia, 2021 © Susannah Martin

 

Weiters möchte sie mit ihren aktualisierten Aktbildern die heutige Situation der Entfremdung des Menschen von der Natur ansprechen, der in ihren Gemälden nicht wie ein integraler Bestandteil der Natur erscheint, sondern seltsam surreal und fremd, laut und schrill.

 

"Bei der Arbeit an meinen ersten Bildern des Aktes in der Landschaft habe ich sehr schnell festgestellt, wie merkwürdig der gegenwärtige Mensch in der freien Natur wirkt. Er schien einfach nicht mehr hineinzupassen, und so wurde dieser Aspekt langsam zu meinem Thema: Die Natur als Un-Heim (Anti-Home) des Menschen." (Susannah Martin zit.n.Felix Brosius in Art.Salon)

 

Der entblößte Mensch ohne jegliche sozialen Indikatoren (Kleidung, Besitz ...) passt nicht mehr in die Landschaft, weil sich in seinem Verhältnis zur Natur die antagonistische Kluft zwischen natürlichem und naturverbundenem Zustand und dem Menschen als Konsumenten oder kulturellem Wesen spiegelt. Den psychischen Kampf gegen diese kulturellen Abhängigkeiten möchte die Künstlerin in ihren Gemälden erforschen. (vgl. Jonathan LeVine Projects)

 

Float, 2018 © Susannah Martin

 

Obwohl es immer wieder Anspielungen an die Kunstgeschichte gibt, sucht man das romantische Verschmelzen von Mensch und Natur in ihren Darstellungen ebenso vergebens wie barocke Liebeleien in einer idealisierten, paradiesischen Landschaft. Susannah Martins Landschaften bestehen meist aus gleichförmigen Bergpanoramen hinter klaren Seen, sie sind lediglich Kulissen für die Menschen und Tiere in Bewegung - Mitte der 80er Jahre arbeitete die Künstlerin tatsächlich als Kulissenmalerin.

 

Bavaria, 2016 © Susannah Martin

The Day I Quit, 2014 © Susannah Martin

Hero's journey, 2012 © Susannah Martin

 

So viel sie über ihre Menschendarstellungen spricht, so wenig erfahren wir über die Bedeutung der Tiere, der Hunde.

 

"The people in my paintings are certainly distant relatives of the salon. Rather, they indulge in the midst of our contemporary culture: We have the impression that they rather block and disturb the view of the landscape than they peacefully coexist with nature as they did then in the forest of Fountainebleau. As I try to maintain a romantic landscape, they fall into this landscape as individuals who have to cope with the ever-increasing virtual reality. They bring their dogs with them, the best friends of man and their only remaining connection to nature.” (zit.n. NJP)

„Die Menschen auf meinen Bildern sind sicherlich entfernte Verwandte des Salons. Vielmehr schwelgen sie mitten in unserer zeitgenössischen Kultur: Man hat den Eindruck, dass sie eher den Blick auf die Landschaft versperren und stören, als dass sie friedlich mit der Natur koexistieren wie damals im Wald von Fountainebleau. Während ich versuche, eine romantische Landschaft zu erhalten, fallen sie als Individuen in diese Landschaft hinein, die mit der immer größer werdenden virtuellen Realität zurechtkommen müssen. Sie bringen ihre Hunde mit, die besten Freunde des Menschen und ihre einzige verbliebene Verbindung zur Natur.“ (übersetzt mit DeepL)

Mit "Salon" meint die Künstlerin den "Salon de Paris", der ebenso wie die "Académie francaise" gegründet wurde, um als eine Art Ästhetik-Polizei französisches Kulturgut zu beobachten, zu fördern, zu kritisieren und zu beschützen. Die Realisten forderten in der Mitte des 19. Jahrhunderts deren Vorherrschaft heraus. (vgl. künstlerisches Statement)

 

Die Hunde verbinden also den Menschen mit der Natur! Kommen wir über ihre Arbeitsweise der Bedeutung der Hunde noch näher?

Nachdem Susannah Martin eine klare oder auch nur grobe Vorstellung davon hat, was sie vermitteln möchte, fotografiert sie befreundete Modelle, die ihre Ideen aufgreifen und auf sehr individuelle und persönliche Weise mit ihrer Umgebung interagieren.

Bei jedem Fotoshooting macht sie Tausende von Fotos, Dann arbeitet sie eine Komposition in Form einer Collage aus und beginnt auf die grundierte Leinwand zu zeichnen.  Oft greift Martin dabei nur einzelnen Elemente aus einem Bild heraus, kombiniert diese mit dem Setting eines anderen Fotos, fügt weitere Bildelemente hinzu und erarbeitet so ihre Bildwelten, die dichter und voluminöser ausfallen, als es ein reales Motiv je sein könnte.

Die Kompositionen sind bei Martin stets von beeindruckender Opulenz, mit einer ins Surreale gehenden Verdichtung, die Mitbringsel der Menschen aus der Zivilisation (Gummitiere, Plastikballons in Drachenform...) meist hyperrealistisch herausgearbeitet. Erst nachdem sie die Zeichnung mit Acrylfarbe gesichert hat, beginnt sie mit der Ölmalerei. Das geht über viele Schichten und Wochen, bevor sie das Niveau erreicht, mit dem sie zufrieden ist.

 

Salon Dogs Meet the Death Worm, 2015 © Susannah Martin

 

Die Hunde sind oft angeschnitten, springen ins Bild hinein oder aus dem Bild heraus. Damit lässt die Künstlerin die fotografische Perspektive durchscheinen, sie weist eigens darauf hin, dass sie die Welt durch die Kameralinse betrachtet. Dennoch erscheinen sie nicht fremd oder gar artifiziell, denn unser Bildverständnis ist bereits vorausgeilt und hat sich nach Jahren der digitalen Retusche längst erweitert. Das Spektrum dessen, was wir als Abbild der Realität zu akzeptieren bereit sind, hat sich deutlich verschoben, und so zeigen auch Martins Arbeiten ganz bewusst einen erweiterten Realismus, mit dem sie dem empfundenen Charakter einer Situation näherkommt, als es eine reine Darstellung des Gesehenen ermöglichte.

 

My black dog, 2014 © Susannah Martin

Discipline, 2014 © Susannah Martin

 

Susannah Martin (*1964 in NewYork/USA) studierte an der New York University, Hauptfach Malerei, bei John Kacere, Sherrie Levine, Louise Lawler und Peter Campus und erhielt ihren Bachelor of Science 1986. Nach ihrem Abschluss machte sie sich mit Wandmalerei selbständig und arbeitete als Bühnenbildnerin und Kulissenmalerin.

1991 zog sie nach Berlin und schließlich nach Frankfurt am Main, wo sie heute lebt und arbeitet. Ab 2004 widmete sie sich als freischaffende Künstlerin und Porträtmalerin wieder ihrem Hauptthema, dem Menschen in seinem sozialen Umfeld, danach dem Akt in der Landschaft. Durch wichtige Ausstellungen in den USA und Deutschland wuchs das Interesse öffentlicher Institutionen und privater Sammler an ihrem Schaffen stetig. Ihre Arbeiten wurden unter anderem in American Art Collector, Juxtapoz, High Fructose und der Huffington Post veröffentlicht.

alle Bilder © Susannah Martin

 

Malerei
16. September 2024 - 10:50

Labradore soweit das Auge reicht: blonde, braune, schwarze. Sie sind das jüngste Motiv des thematisch und hinsichtlich der Medien vielfältig arbeitenden Künstlers Sean Landers.

 

Black Lab, 2022 © Sean Landers

 

Er zeigt uns die Hunde als klassische Büstenporträts: Es sind (tierische) Individuen, die wie in Bildnissen der Renaissance präsentiert werden, die den Geist des Humanismus widerspiegelten und den Menschen in den Mittelpunkt der Welt stellten. Viel hat sich seither in unserer Beziehung zum (Haus-)Tier verändert, seine Position in unserem Leben und der Kunst wurde zentraler. Doch sind die Gemälde mehr als Gesellschaftshundeporträts für eine Mittelschicht? (vgl. Border Crossings 162, S 188).

Zweifellos sind die Mimik und der Blick der Hunde anthropomorph: traurig, verloren, sehnsüchtig und wissend blicken sie in die Ferne.

Sean Landers Labrador ist mehr als ein Hund: Er ist in seiner verheerenden Bandbreite an Emotionen ein alter "Seebär", ja, wie Benjamin Klein meint, eine Allegorie "für Amerika selbst und die besten Aspekte seiner alten und ernsthaften Kultur (..), die vom Chaos (symbolisiert durch das Meer) bedroht" wird. (vgl. Border Crossings 162, S 189)

 

Chocolate Lab 2022 © Sean Landers

Red Lab 2023 © Sean Landers

Silver Lab 2023 © Sean Landers

White Lab 2023 © Sean Landers

Yellow Lab 2022 © Sean Landers

 

Dog 2021 © Sean Landers
I used to be a bad boy .... kurz zusammengefasst Sean Landers künstlerischer Schaffensprozess

 

Eine weitere Serie im allegorischen Realismus zeigt Hunde, die in kleinen Holzbooten auf dem Meer sitzen und stehen, umgeben vom gewaltigen Ozean.

Der Künstler griff in seiner langen Karriere  immer wieder auf verschiedene Maltraditionen der europäischen Kunstgeschichte zurück. Er wurde  von William Hogarth, Nicolas Poussin, Théodore Géricault und Édouard Manet beeinflusst, aber auch von René Magrittes "Vache"-Periode. Seine maritimen Gemälde jedoch versprühen den Geist von Winslow Homer. Landers zitiert dabei nicht subtil, sondern in einer offenen und eindeutigen Weise. Schauen Sie auf den "Yellow Dog" (2022) und dann auf Winslow Homers "The Fog Warning" von 1885: Hier wird nichts versteckt oder verborgen!

Homers Seemann erkennt die schrecklichen Vorzeichen am Horizont und die Gefahr heraufdräuen. Auch unser Hund treibt allein in Zeit und Raum, jenseits aller Hoffnung.

In einem Gespräch mit Johanna Fateman beschreibt Landers, dass er ein echtes Gefühl der Verzweiflung darstellen wollte, denn kein Hund sollte allein sein: "Alone, that’s the feeling. There’s a real sense of desolation here because a dog isn’t supposed to be alone." Gleichzeitig steht der hilflose Hund für den Künstler und sein Werk. Ob der "Hund" am Ende gerettet wird oder verloren geht, wissen wir nicht.

 

Yellow Dog 2022 © Sean Landers

Winslow Homer, The Fog Warning, 1885

Fog Dog 2022 © Sean Landers

Night Dog 2022 © Sean Landers

Sunset Dog 2022 © Sean Landers

White Dog at Sunset 2023 © Sean Landers

White Fog Dog 2022 © Sean Landers

Yellow Dog at Dawn 2023 © Sean Landers

 

Seit mehr als einem Jahrzehnt malt er mit Tartan bekleidete Tiere in ländlicher Umgebung. (Ein Tartan ist ein Webmuster für Stoffe, das repräsentativ für die Zugehörigkeit zu einem schottischen Clan genutzt wird.) Landers skurrile Idee geht auf seine Auseinandersetzung mit Magritte zurück. Das Tartan-Element kommt schon in dessen späten "Vache"-Bildern vor, in denen er sich zugunsten von Derbheit und Anzüglichkeit von der surrealistischen Genauigkeit befreit. Der Tartan wurde deshalb für Sean Landers zum Symbol für künstlerische Freiheit und Wachstum. (vgl. Ben Brown Fine Arts)

 

René Magritte, Cripple, 1948
René Magritte, Cripple, 1948

 

Der Tartan  bekleidet die Tiere nicht nur, er hüllt sie schützend ein. Vielleicht dient er auch dazu, sein künstlerisches Schaffen zu beschützen, das ihn im Idealfall lange überleben wird - ein Gedanke, den Sean Landers auch in dieser Werkgruppe erforscht.

Diese ikonischen, akribisch gestalteten, metaphorisch kodierten Gemälde verkörpern Landers' Einfallsreichtum, seine Werke gleichzeitig mit Humor, Selbstoffenbarung, Künstlichkeit, Ernsthaftigkeit und existenzieller Reflexion zu durchdringen.

 

El Lobo 2015 © Sean Landers

Proximate Strangers (Coyote and Crow) 2014 © Sean Landers

What You Are 2013 © Sean Landers

Wolf Pup, 2015 © Sean Landers

 

In der unteren Serie von Bildern, die in Bäume geschnitzte Texte darstellen, ist Sean Landers zu seinen selbstironischen Wurzeln zurückgekehrt. Sein ganzes Werk ist gekennzeichnet von einem Wechsel von figurativen Bildern und reinen Textbildern, manchmal vermischen sich diese Bereiche auch, wenn Sean Landers glaubt, mehr von seiner Seele in das Bild stecken zu müssen. In einem Interview mit Paul Laster erzählt er, dass die Schnitzereien in den Bäumen tatsächlich von einer Lichtung mit stark geschnitzten Bäumen inspiriert sei, die er in der Nähe des Prado-Museums in Madrid entdeckte.

 

“However, the trees in my paintings are Aspens, which are linked underground by their roots, which I find to be a wonderful metaphor for an artist’s body of work.“

Allerdings sind die Bäume in meinen Gemälden Espen, die durch ihre Wurzeln unterirdisch verbunden sind, was ich für eine wunderbare Metapher für das Gesamtwerk eines Künstlers halte. (übersetzt mit DeepL)

 

Glimpse of Life, 2024 © Sean Landers

Notes To Self 2023 © Sean Landers

Yours Truly 2023 © Sean Landers.jpeg

 

Sean Landers (*1962 in Palmer/Massachusetts/USA) erwarb 1984 einen BFA am Philadelphia College of Art und 1986 einen MFA an der Yale University School of Art. Obwohl er heute als Maler bekannt ist, studierte er in den 1980er Jahren Bildhauerei am Philadelphia College of Art und später in Yale, wo Vito Acconci sein Lehrer war. Seit den 1980er Jahren - einem Jahrzehnt, das für Konzeptkunst und Minimalismus stand - beschäftigt er sich in New York mit der anachronistischen Malerei und Schreibprojekten. Neben seinen textbasierten Kompositionen schafft er Cartoons, Skulpturen, Videos und figurative Gemälde von Tieren und Menschen, die extreme Stilwechsel aufweisen.

Sein gesamtes Werk geht der Frage nach, was es heißt, ein zeitgenössischer Künstler zu sein, und was es bedeutet, etwas zu schaffen, das über die Lebenszeit des Künstlers hinaus Bestand hat. In diesem Sinne kann seine Karriere als eine langanhaltende Erkundung derselben Frage betrachtet werden, wodurch sein Werk zu einem dynamischen Ganzen wird.

Er lebt und arbeitet in New York.

alle Bilder © Sean Landers

 

Malerei
12. August 2024 - 10:59

Polka, 2021 © Kelly Tissot, Foto Claude Barrault

 

2021 zeigte suns.works "Polka", eine Einzelausstellung von Kelly Tissot mit einer skulpturalen Installation sowie auf Fotografie basierende Arbeiten, die sich um eine gleichnamige tierische Protagonistin drehten. Tissots Arbeiten, die sich hauptsächlich mit Skulptur und Fotografie befassen, haben ihren Ursprung in verschiedenen Themen und Motiven rund um den ländlichen Raum und landwirtschaftliche Arbeit; sie entführen den Betrachter nicht in eine historische, pittoreske ländliche Utopie, sondern in eine abstrahierte und fragmentierte Peripherie zwischen Natur und Kultur, Zugehörigkeit und Isolation.

 

Polka, 2021 © Kelly Tissot, Foto Claude Barrault

 

Die Künstlerin ist in einer abgelegenen Gegend der Haut-Savoie in Frankreich aufgewachsen und spürt in ihrem Werk ihrer ländlichen Heimat nach. Mit großformatigen analogen Schwarz-Weiß-Fotografien und Stahlobjekten baut sie Raumsituationen auf, die im Widerspruch zum romantisierten Bild, zur pastoralen westlichen Ikonografie des Landlebens stehen.

 

Polka, 2021 © Kelly Tissot, Foto Claude Barrault

Polka, 2021 © Kelly Tissot, Foto Claude Barrault

Polka, 2021 © Kelly Tissot, Foto Claude Barrault

Polka, 2021 © Kelly Tissot, Foto Claude Barrault
Kelly Tissot Polka (I-VI), 2021 Digital UV-Druck auf Aluminium, Tannenholz,
150×110 cm (jeweils) Installationsansichten: suns.works, Zürich (CH) Fotos: Claude Barault

 

Seit 2016 blickt Kelly Tissot auf Widersprüchlichkeiten zwischen Kulturellem und Natürlichem, Häuslichkeit und Wildnis sowie Abgeschiedenheit und Gemeinschaft. Heuer wurde sie als siebte Preisträgerin mit dem Paul Ege Kunstpreis ausgezeichnet.

 

Ausstellungsansicht, Kelly Tissot, PEAC Museum, 2024, Foto Roland Krieg Fotodesi
Ausstellungsansicht, Kelly Tissot, PEAC Museum, 2024, Foto Roland Krieg Fotodesign

 

Die international besetzte Jury lobte ihren virtuosen Umgang mit unterschiedlichen analogen fotografischen Techniken, die Spuren der Landflucht und der Deindustrialisierung in ihrer französischen Heimat im Département Haute-Savoie zeigen: Ansichten von aufgegeben Werkstätten und Ställen, traurig dreinblickende Mischlingshunde, ausgediente Landmaschinen und anderen Überbleibsel einst besserer Zeiten. Sie zeigt, was der Mensch tagtäglich benutzt, zähmt und zu kontrollieren versucht. Menschen sind in ihren Fotografien und Raumkörpern allein durch die Maßstäblichkeit sowie durch Spuren der Zivilisation präsent.

 

The act of living, 2023 © kelly Tissot, Foto Finn Curry
The act of living, 2023 , Kunsthalle Basel, Foto Finn Curry

 

Ihr Werk ist weder romantisch, noch wird es in erster Linie von Umweltbelangen angetrieben, sondern es offenbart die sozialen Strukturen des Hof- und Landlebens.

 

The act of living, 2023 © kelly Tissot, Foto Finn Curry
The act of living, 2023 , Kunsthalle Basel, Foto Finn Curry

 

Ausstellungsansicht von Relics from an imaginary friend, Tara Downs, New York, 2
Ausstellungsansicht von Relics from an imaginary friend, Tara Downs, New York, 2024

 

Die Künstlerin befragt unsere eigene Beziehung zum Ländlichen, nicht selten ist die Antwort beunruhigend.

Kelly Tissot (*1995 Annecy/FR) absolvierte ihren Bachelor 2018 an der Ecole Cantonale d’Art in Lausanne und 2020 ihren Master in Fine Arts an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel, wo sie derzeit lebt und arbeitet.

Quellen: Tara Downs, suns.works, Kunsthaus Baselland, PEAC

alle Bilder © Kelly Tissot

 

Fotografie
29. Juli 2024 - 15:10

Olfactory Landscape for Dogs, 2023 © Lisa Korpos

 

Oben sehen sie Lisa Korpos' Entwurfszeichnung zu einer speziell für Hunde angefertigten olfaktorischen Skulptur. Die pyramidenförmigen Körper besitzen röhrenartige Öffnungen, beides in den für Hunde sichtbaren Farben blau und gelb. Das Innere der Objekte kann nicht eingesehen, aber erschnüffelt werden. Steckt ein Hund seine Spürnase in die Öffnung, entfalten sich für ihn verschiedene Gerüche, die von Federn, Gräsern, Moos, Kräutern, Schafwolle, Knochen oder Leckerlis stammen. Auf die für sie passende, artgerechte Weise können die Hunde die Skulpturen erkunden. Das Kunstwerk mit seinen olfaktorischen Reizen avanciert somit zugleich zum Hundespiel- und -übungsplatz.

Zu sehen und erfahren war die Skulptur 2023 in der Kunsthalle Darmstadt, die mit der Ausstellung "Animalia. Streifzüge von Los Angeles bis Mumbai" einen neuen Zugang zur Mensch-Tier- Beziehung in der Kunst ausprobierte.

 

Ausstellung Darmstadt, Foto Michael Schick

 

Olfaktorischen Versuchsanordnungen gibt es auch beim Hundetraining und Hundespiel, um die Tiere nicht nur wie üblich physisch durch Bewegung, sondern auch kognitiv zu fordern und auszulasten. Insofern war mein erster Impuls Lisa Korpos' Skulptur unter einem künstlerischen Aspekt gering zu schätzen. Allerdings hat meine nähere Recherche gezeigt, dass die Einfachheit den Ansatz der Künstlerin widerspiegelt: Die Verspieltheit ihrer Kunstprojekte soll als Einstieg in produktive Dialoge über wichtige gesellschaftliche Themen wie Nachhaltigkeit, ökologische Interdependenz, Ethik und Biopolitik dienen. Mit ihrer partizipativen und sozial engagierten Kunst möchte sie dazu beitragen, Mitgefühl und Fürsorge für alle lebenden, empfindungsfähigen Wesen zu stärken und Achtsamkeit gegenüber uns umgebende Ökosysteme zu erhöhen.

 

Hunde können an den pyramidenförmigen Aufbauten der Installation schnüffeln,

 

Sie spricht sich auch dezidiert gegen einen produktorientierten Perfektionismus und für eine Konzentration auf den künstlerischen Prozess aus:

 

"Ja, ich habe meinen Perfektionismus losgelassen! Oft betrachten wir das künstlerische Schaffen als eine Möglichkeit, uns selbst zu beweisen oder unsere Kompetenz, unseren Wert oder unsere Würde zu demonstrieren. Diese Sichtweise wird als Leistungsdenken bezeichnet, und sie ist nicht sehr gesund, weil sie sich so sehr auf die Belohnung und nicht auf den Prozess konzentriert. Wenn man eine wachstumsorientierte Einstellung hat, lernt man, sich am Prozess des Übens zu erfreuen und nicht am Endergebnis. Man lernt, die kleinen Entdeckungen auf dem Weg zu schätzen, produktiv zu scheitern und offen für neue Möglichkeiten zu bleiben." (Lisa Korpos zit. n. Saturday Academy)

 

Lisa Korpos ist eine interdisziplinäre Künstlerin, in deren Arbeit es um die Erforschung der nichtmenschlichen Wahrnehmung und Kognition geht und um die Gemeinsamkeiten, die die unterschiedlichen Spezies miteinander verbinden: körperliche Verletzlichkeit, ursprüngliche Emotionen und Kommunikationsstrategien.

Ihre forschungsbasierte Kunstpraxis ist in den kognitiven und ökologischen Wissenschaften verwurzelt und ihre Projekte nehmen die Form von interaktiven Installationen, multisensorischen Skulpturen, Videos, kreativem Schreiben und Zeichnungen an. Die Zusammenarbeit mit menschlichen und nicht-menschlichen Körpern ist ein integraler Bestandteil ihres Prozesses, wobei so unterschiedliche Lebewesen wie Bienen, Hunde, Laborratten, Forscher und Große Tümmler als Subjekte, Mitgestalter und Teilnehmer ihrer Arbeit fungieren.

Ihre Inspiration findet sie in Interaktionen mit ihren Haustieren, mit wilden Tieren oder mit Wissenschaftlern, deren Forschung für sie prägend oder in irgendeiner Weise katalysierend war. Dafür liest sie Forschungspapiere, kommt mit den Forschern ins Gespräch, verbringt Zeit im Labor und "schürft" ihr Wissen für künstlerische Umsetzungen.

Zu ihren bisherigen Projekten gehören eine radikale Tierarztpraxis für Bestäuber, eine erkundbare Landschaft, die für die sensorischen Systeme von Hausratten konzipiert wurde, und ein Sprachübersetzer von Englisch in die Sprache der Präriehunde. Auf ihrer Hompage hat die Künstlerin diese Projekte ausführlich fotografisch und mit Texten dokumentiert, ein Besuch lohnt sich allemal!

Ihre Kunstpraxis, das künstlerische Vermitteln von Wissenschaft, entwickelte sie während ihres Studiums an der Univercity of California San Diego, wo sie sowohl Studio Art als auch kognitive Neurowissenschaften studierte. Nach ihrem Bachelor-Abschluss erwarb sie auch ihren Master of Fine Arts am Department of Visual Arts der UCSD, mit dem Schwerpunkt Speculative Design.

Im September 2024 wird Lisa Korpos an der Gruppenausstellung "Start Sniffing" im Wiener WUK teinehmen. Kuratiert wird die Schau von Lena Lieselotte Schuster, die ich bereits 2013 in diesem Blog vorgestellt habe.

alle Bilder © Lisa Korpos

 

22. Juli 2024 - 10:01

 

 

Dieses wunderbare Video der australischen Künstlerin Susan Flavell von 2016 zeigt ihren inzwischen verstorbenen Kelpie-Mix Dotness. Es ist Teil ihrer Werk-Serie "The Dog's Artist". Er sitzt auf einem Sofa, dessen Überwurf seinem Fellkleid ähnelt. Sein durchdringender Blick und seine Mimik laden dazu ein, ihn offen zu betrachten. Es fällt schwer, von diesem Wesen nicht vollkommen eingenommen zu sein!

"The Dog's Artist" umfasst Videoporträts, Porzellan- und Steingutskulpturen sowie Fotografien von Dotness. Die Künstlerin bringt uns ihre Liebe zu ihrer Gefährtin nahe. Da sie auch Hundetrainerin ist, beschäftigt sie sich nicht nur in künstlerischer Hinsicht intensiv mit dem Lesen von Gesichtszügen, Ausdrücken und Stimmungen von Hunden.

Sie hat Dotness auch in mehreren Büsten verewigt. Seit der Antike sind Büsten Teil der Erinnerungskultur und drücken private Wertschätzung aus. Die Büsten von Dotness fordern uns auf, genau hinzuschauen und den Hund - ebenso wie das kunstgeschichtlich vertrautere Subjekt Mensch - als individuelles Wesen zu begreifen.

 

The Dog's Artist © Susan Flavell

The Dog's Artist © Susan Flavell

The Dog's Artist © Susan Flavell

The Dog's Artist © Susan Flavell

The Dog's Artist © Susan Flavell

The Dog's Artist © Susan Flavell

The Dog's Artist © Susan Flavell

 

Auf den Fotografien ist Dotness mit Perlen geschmückt, wie ein königliches Subjekt der Anbetung, das wehmütig, in eine Aura der Traurigkeit gehüllt, in die Ferne blickt.

Viel konnte ich über Susan Flavell (*1964) nicht in Erfahrung bringen, nur dass sie 1985 ihren Bachelor of Arts (Fine Arts) an der Curtin University machte.

alle Bilder und Video © Susan Flavell

Fotofrafie, Skulptur, Video
15. Juli 2024 - 10:59

Dog Days Bite Back, 2023 © Oliver Ressler

 

Ein Aggression und Angst verkörpernder Hund steht vor einem brennenden Hintergrund. Wie kein anderes Bild kommentiert die Fotomontage mit dem Titel "Dog Days Bite Back" auf eindringliche und dramatische Weise die Klimakrise. Sie war ein Leitmotiv von Oliver Resslers Werkschau im Belvedere 21 im Rahmen der Klima Biennale Wien.

Der Titel des Fotos sowie der Ausstellung bezieht sich auf eine Aussage des UNO-Generalsekretärs António Guterres zum Sommer 2023 als heißestem seit Messbeginn:

 

"The dog days of summer are not just barking, they are biting."

 

In Filmen, Installationen, Arbeiten im Außenraum und dem Medium Ausstellung thematisiert Oliver Ressler seit etwa drei Jahrzehnten dringliche Aspekte von Ökonomie, Demokratie, Migration, Klimakrise, Widerstandsformen und gesellschaftlichen Alternativen, um strukturelle Ursachen, aber auch Widerstandsformen und Handlungsoptionen aufzuzeigen. Seiner künstlerisch-aktivistischen Praxis liegt die Überzeugung zugrunde, dass gesellschaftliche Verhältnisse nicht gegeben, sondern vielmehr veränderbar sind. Gesellschaftliche Alternativen denkbar zu machen, ist dabei ein zentrales Motiv.

In seinen kämpferischen, engagierten dokumentarischen Arbeiten bezieht er als dezidiert positionierter Beobachter Stellung. Gleichzeitig reflektiert er dabei seine Rolle eines involvierten Teilnehmers und künstlerischen Forschers.

Oliver Resslers (*1970) Arbeiten wurden bereits in Tausenden Veranstaltungen sozialer und aktivistischer Bewegungen, Kunstinstitutionen und Filmfestivals gezeigt.

Bild © Oliver Ressler

 

Ausstellung, Fotografie
12. Juli 2024 - 10:09

Old Dog, 2019 © Franca Franz

 

Wer einen alten Hund hat, erkennt die Qualität dieses Bildes! Auf den ersten Blick spürt man die Stimmung des Hundes, seinen "mood": Er scheint zu überlegen und zu keinem Ergebnis zu kommen. Wo bin ich, was mach ich hier? Wer will etwas von mir?

Und hier kommen die zwei kleinen blauen Hügel am unteren Bildrand ins Spiel. Was sollen sie? Es sind die Knie der Künstlerin Franca Franz, mit denen sie uns ihre Perspektive zeigen möchte, den Blick, von dem aus sie den Hund skizziert oder fotografiert hat.

Das und andere Bilder begleiten (nicht illustrieren) die Gedichte von Michael Hüttenberger in der Ausstellungsbroschüre "Die Schafe sind gezählt". Leider liegt mir der Band nicht vor. Ich wurde von Sofie Morin darauf aufmerksam gemacht. Danke, liebe Sofie, für das Teilen des wunderbaren Gemäldes!

 

Ausstellungsbroschüre

 

Zurück zum Bild: Ob sich die kleine Szene außen oder innen abspielt, ist erst auf den zweiten Blick zu klären. Der Hund scheint draußen auf einer festen Decke zu liegen, die säulenartigen Bäume begrenzen einen Nachthimmel mit funkelnden Sternen, der Horizont halbiert Vorder- und Hintergrund. Der "old dog" strahlt aus innen heraus, nichts Rationales oder Naturwissenschaftliches bedingt oder rechtfertigt sein Leuchten.

Franca Franz wurde 1986 in Darmstadt geboren. Sie studierte Malerei an der Royal Academy of Fine Arts Antwerpen bei Bruno Van Dyck und Malerei/Druckgrafik an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig bei Professor Annette Schröter. Franca Franz lebt und arbeitet in Leipzig.

Michael Hüttenberger, geboren 1955 in Offenbach, studierte Germanistik, Politik, Pädagogik und Soziologie in Frankfurt, promovierte zum Dr. phil. und war bis 2008 Schulleiter in Darmstadt. Seitdem arbeitet er als freier Autor und Journalist in Darmstadt und Stedesdorf/Ostfriesland, seit 2020 in Michelstadt.

Quelle: Echo

Bild © Franca Franz

 

Buch, Malerei
5. Juli 2024 - 21:15

Irina Bartels, Julia Belot, Eberhard Bitter, Piot Brehmer, Hagga Bühler, Julija Burdack, Ankalina Dahlem, Claudia Dermutz, Anja Flügel, Sieglinde Gros, Claudia Grünig, Prof. Ottmar Hörl, Susana Infurna Buscarino, Ewald Janz, Heike Jeschonnek, Andrea Legde, Petra Meyer, Sibylle Möndel, Kerstin Römhild, Welf Schiefer, Dorothea Schüle, Antje Vega, Elke Vogelsang, Elizabeth Weckes, Viola Welker, Sandra Wörner, Dagmar Wolf-Heger, Ulrike Zimmermann:

Das ist die umfangreiche Liste der ausstellenden deutschen und osteuropäischen Künstler und Künstlerinnen beim Kunstsommer Burg Wertheim, organisiert vom Galeristen Axel Schöber und unterstützt durch die Stadt Wertheim. Vom 7. Juli bis zum 18. August 2024 widmet sich das Neue Archiv ganz dem Hund: "DOGS – zwischen Instinkt und Zuneigung" beleuchtet die Bandbreite, die im Titel angesprochen wird, anhand von Druckgrafik, Fotografie, Malerei, Objekt, Skulptur und Zeichnung.

Um Ihnen einen kleinen Vorgeschmack zu geben, habe ich mir vier Künstlerinnen ausgesucht, die ich kurz vorstelle:

Sibylle Möndel (*1959 in Stuttgart/D) verbindet die Technik des Siebdrucks mit gestischer Malerei in stiller zurückhaltender Farbigkeit. Dazu bearbeitet die Künstlerin Fotografien oder Fotofragmente auf dem Computer, die dann in der Technik des Siebdrucks auf die Leinwand gedruckt werden. Aus dem einfachen flachen Druck eines Schäferhundes erzeugt Sibylle Möndel mit wenigen groben informellen horizontalen und vertikalen Pinselstrichen eine mehrschichtige Landschaft mit Tiefe. Der Hund scheint etwas zu betrachten, was für uns im Verborgenen liegt: Rätselhaftigkeit entsteht.

 

o.T., Siebdruck, Ölfarbe auf Leinwand © Sibylle Möndel

 

Julia Belot möchte nur das Gute und Schöne malen und das Liebenswerte ergründen. Alles Negative bleibt im Verborgenen. Ihrer Absicht wird sie durchaus gerecht. Um das Positive noch mehr hervorzuheben, setzt sie eine über die Natur hinaus gehende, in ihrer Intensität gesteigerte Farbigkeit ein. "Traumland" heißt eine ihrer Serien, und im Traumland ist es so schön und friedlich, wie es nur die kindliche Fantasie imaginieren kann und Mensch und Tier märchenhaft nebeneinander existieren.

 

Iza und zwei Wölfe, 2015 © Julia Belot

 

Elizabeth Weckes (*1968 in Willich/D) steuert Foxy bei! Er ist Teil einer Serie, die angeleinte Hunde beim Gassigehen zeigen. Unwichtiges wie Frauchen und Herrchen sind im Bild angeschnitten und bloß als ausschreitendes Beinpaar präsent.

 

Foxy, Red Handbag, 2024  © Elizabeth Weckes

 

Vielleicht sehen Sie im Neuen Archiv erstmals eine Hunderudel-Skulptur von Sieglinde Gros (*1963 in Darmstadt/D), deren Werk bisher auf die menschliche Figur und Figurengruppen ausgerichtet war. Die Bildhauerin arbeitet mit Kettensäge und Stemmeisen, lässt die Arbeitspuren und den Holzblock als Ausgangsmaterial sichtbar. Wie lust- und energievoll die Befreiung der "Meute" aus dem Holz vor sich geht! Diese Hunde zögern nicht!

 

Meute, 2024 © Sieglinde Gros

 

Die Vernissage findet am 7. Juli 2024 um 11:30 Uhr mit einer Einführung des Kurators Axel Schöber statt. Im Rahmenprogramm wird er selbst über Kunst und Künstliche Intelligenz referieren, Ottmar Hörl spricht über den Kunstmarkt, Dagmar Wolf-Heger über Wölfe im Schutzraum. Am letzten Tag der Ausstellung können die Besucher und Besucherinnen eine Künstlerin beim Schaffensprozess beobachten: Sandra Wörner wird vor dem Publikum zeichnen.

Die Öffnungszeiten und Termine des Rahmenprogramms können Sie hier nachlesen.

 

Ausstellung, Malerei, Skulptur
24. Juni 2024 - 10:56

Rostige Nägel, Metallteile, Zwirnspulen, Bürsten als Mähnen, Kämme als Geweih: Das sind neben Treibholz die Hauptbestandteile der liebenswerten Tierskulpturen der Britin Kirsty Elson.

 

Pudel © Kirsty Elson

 

Für Kirsty Elson ist ein Stück Treibholz oder ein Metallstück mehr als Schutt oder Abfall. Sie sieht in ein paar alten Nägeln die dünnen Beinchen eines schleichenden Fuchses; leere Garnspulen werden zu Rädern des Skatboards eines kecken Hundes, dessen rostige Metallohren im Windkanal flattern. Gegen den Fahrtwind wärmt ein Mantel aus einem grünen Stofffetzchen.

 

Hund auf Skateboard © Kirsty Elson

Hund © Kirsty Elson

Promenadenmischung © Kirsty Elson

 

Kirsty Elson sammelt am Strand von Cornwall nach Treibholz und  haucht den alten Teilen neues Leben ein, verwandelt sie auf erstaunliche Weise in skurrile, verspielte und humorvolle Tierskulpturen. Dabei geht sie nicht von der Idee zu einem Tier aus, sondern lässt sich vom gefundenen, einzigartigen Material anregen, die Formen, Farben und Texturen sind der Ausgangspunkt für ihre recycelten "Kleinode".

 

“The great thing about driftwood is that each piece is very different. I tend to let the materials lead me, rather than having an idea in my head and trying to find a piece to fit my idea. I let the materials do the work really.” (vgl. Playjunkie)

„Das Großartige an Treibholz ist, dass jedes Stück sehr unterschiedlich ist. Ich neige dazu, mich von den Materialien leiten zu lassen, anstatt eine Idee im Kopf zu haben und zu versuchen, ein Stück zu finden, das zu meiner Idee passt. Ich lasse die Materialien wirklich die Arbeit machen.“

 

 

Hund mit Ball © Kirsty Elson

Hund mit Pullover © Kirsty Elson

Dackel © Kirsty Elson

Dackel (Detail) © Kirsty Elson

Hundekopf © Kirsty Elson

Bär © Kirsty Elson

Pferd © Kirsty Elson

Elch © Kirsty Elson

Elefant © Kirsty Elson

Fuchs © Kirsty Elson

 

Kirsty studierte Illustration und Druckgrafik an der Cambridge School of Art. Nach der Geburt ihres ersten Kindes zog ihre Familie nach Cornwall, wo sie heute lebt und arbeitet. Sie begann mit der Gestaltung und Herstellung von Grußkarten aus winzigen Treibholzsplittern, dann konzentrierte sie sich auf die Gestaltung kleiner Strandhäuschen, Leuchttürme und idyllische Küstenszenen. Erst in letzter Zeit konzentriert sie sich ganz auf ihre Tierskulpturen.

alle Bilder © Kirsty Elson

 

Skulptur