12. August 2024 - 10:59

Polka, 2021 © Kelly Tissot, Foto Claude Barrault

 

2021 zeigte suns.works "Polka", eine Einzelausstellung von Kelly Tissot mit einer skulpturalen Installation sowie auf Fotografie basierende Arbeiten, die sich um eine gleichnamige tierische Protagonistin drehten. Tissots Arbeiten, die sich hauptsächlich mit Skulptur und Fotografie befassen, haben ihren Ursprung in verschiedenen Themen und Motiven rund um den ländlichen Raum und landwirtschaftliche Arbeit; sie entführen den Betrachter nicht in eine historische, pittoreske ländliche Utopie, sondern in eine abstrahierte und fragmentierte Peripherie zwischen Natur und Kultur, Zugehörigkeit und Isolation.

 

Polka, 2021 © Kelly Tissot, Foto Claude Barrault

 

Die Künstlerin ist in einer abgelegenen Gegend der Haut-Savoie in Frankreich aufgewachsen und spürt in ihrem Werk ihrer ländlichen Heimat nach. Mit großformatigen analogen Schwarz-Weiß-Fotografien und Stahlobjekten baut sie Raumsituationen auf, die im Widerspruch zum romantisierten Bild, zur pastoralen westlichen Ikonografie des Landlebens stehen.

 

Polka, 2021 © Kelly Tissot, Foto Claude Barrault

Polka, 2021 © Kelly Tissot, Foto Claude Barrault

Polka, 2021 © Kelly Tissot, Foto Claude Barrault

Polka, 2021 © Kelly Tissot, Foto Claude Barrault
Kelly Tissot Polka (I-VI), 2021 Digital UV-Druck auf Aluminium, Tannenholz,
150×110 cm (jeweils) Installationsansichten: suns.works, Zürich (CH) Fotos: Claude Barault

 

Seit 2016 blickt Kelly Tissot auf Widersprüchlichkeiten zwischen Kulturellem und Natürlichem, Häuslichkeit und Wildnis sowie Abgeschiedenheit und Gemeinschaft. Heuer wurde sie als siebte Preisträgerin mit dem Paul Ege Kunstpreis ausgezeichnet.

 

Ausstellungsansicht, Kelly Tissot, PEAC Museum, 2024, Foto Roland Krieg Fotodesi
Ausstellungsansicht, Kelly Tissot, PEAC Museum, 2024, Foto Roland Krieg Fotodesign

 

Die international besetzte Jury lobte ihren virtuosen Umgang mit unterschiedlichen analogen fotografischen Techniken, die Spuren der Landflucht und der Deindustrialisierung in ihrer französischen Heimat im Département Haute-Savoie zeigen: Ansichten von aufgegeben Werkstätten und Ställen, traurig dreinblickende Mischlingshunde, ausgediente Landmaschinen und anderen Überbleibsel einst besserer Zeiten. Sie zeigt, was der Mensch tagtäglich benutzt, zähmt und zu kontrollieren versucht. Menschen sind in ihren Fotografien und Raumkörpern allein durch die Maßstäblichkeit sowie durch Spuren der Zivilisation präsent.

 

The act of living, 2023 © kelly Tissot, Foto Finn Curry
The act of living, 2023 , Kunsthalle Basel, Foto Finn Curry

 

Ihr Werk ist weder romantisch, noch wird es in erster Linie von Umweltbelangen angetrieben, sondern es offenbart die sozialen Strukturen des Hof- und Landlebens.

 

The act of living, 2023 © kelly Tissot, Foto Finn Curry
The act of living, 2023 , Kunsthalle Basel, Foto Finn Curry

 

Ausstellungsansicht von Relics from an imaginary friend, Tara Downs, New York, 2
Ausstellungsansicht von Relics from an imaginary friend, Tara Downs, New York, 2024

 

Die Künstlerin befragt unsere eigene Beziehung zum Ländlichen, nicht selten ist die Antwort beunruhigend.

Kelly Tissot (*1995 Annecy/FR) absolvierte ihren Bachelor 2018 an der Ecole Cantonale d’Art in Lausanne und 2020 ihren Master in Fine Arts an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel, wo sie derzeit lebt und arbeitet.

Quellen: Tara Downs, suns.works, Kunsthaus Baselland, PEAC

alle Bilder © Kelly Tissot

 

Fotografie
29. Juli 2024 - 15:10

Olfactory Landscape for Dogs, 2023 © Lisa Korpos

 

Oben sehen sie Lisa Korpos' Entwurfszeichnung zu einer speziell für Hunde angefertigten olfaktorischen Skulptur. Die pyramidenförmigen Körper besitzen röhrenartige Öffnungen, beides in den für Hunde sichtbaren Farben blau und gelb. Das Innere der Objekte kann nicht eingesehen, aber erschnüffelt werden. Steckt ein Hund seine Spürnase in die Öffnung, entfalten sich für ihn verschiedene Gerüche, die von Federn, Gräsern, Moos, Kräutern, Schafwolle, Knochen oder Leckerlis stammen. Auf die für sie passende, artgerechte Weise können die Hunde die Skulpturen erkunden. Das Kunstwerk mit seinen olfaktorischen Reizen avanciert somit zugleich zum Hundespiel- und -übungsplatz.

Zu sehen und erfahren war die Skulptur 2023 in der Kunsthalle Darmstadt, die mit der Ausstellung "Animalia. Streifzüge von Los Angeles bis Mumbai" einen neuen Zugang zur Mensch-Tier- Beziehung in der Kunst ausprobierte.

 

Ausstellung Darmstadt, Foto Michael Schick

 

Olfaktorischen Versuchsanordnungen gibt es auch beim Hundetraining und Hundespiel, um die Tiere nicht nur wie üblich physisch durch Bewegung, sondern auch kognitiv zu fordern und auszulasten. Insofern war mein erster Impuls Lisa Korpos' Skulptur unter einem künstlerischen Aspekt gering zu schätzen. Allerdings hat meine nähere Recherche gezeigt, dass die Einfachheit den Ansatz der Künstlerin widerspiegelt: Die Verspieltheit ihrer Kunstprojekte soll als Einstieg in produktive Dialoge über wichtige gesellschaftliche Themen wie Nachhaltigkeit, ökologische Interdependenz, Ethik und Biopolitik dienen. Mit ihrer partizipativen und sozial engagierten Kunst möchte sie dazu beitragen, Mitgefühl und Fürsorge für alle lebenden, empfindungsfähigen Wesen zu stärken und Achtsamkeit gegenüber uns umgebende Ökosysteme zu erhöhen.

 

Hunde können an den pyramidenförmigen Aufbauten der Installation schnüffeln,

 

Sie spricht sich auch dezidiert gegen einen produktorientierten Perfektionismus und für eine Konzentration auf den künstlerischen Prozess aus:

 

"Ja, ich habe meinen Perfektionismus losgelassen! Oft betrachten wir das künstlerische Schaffen als eine Möglichkeit, uns selbst zu beweisen oder unsere Kompetenz, unseren Wert oder unsere Würde zu demonstrieren. Diese Sichtweise wird als Leistungsdenken bezeichnet, und sie ist nicht sehr gesund, weil sie sich so sehr auf die Belohnung und nicht auf den Prozess konzentriert. Wenn man eine wachstumsorientierte Einstellung hat, lernt man, sich am Prozess des Übens zu erfreuen und nicht am Endergebnis. Man lernt, die kleinen Entdeckungen auf dem Weg zu schätzen, produktiv zu scheitern und offen für neue Möglichkeiten zu bleiben." (Lisa Korpos zit. n. Saturday Academy)

 

Lisa Korpos ist eine interdisziplinäre Künstlerin, in deren Arbeit es um die Erforschung der nichtmenschlichen Wahrnehmung und Kognition geht und um die Gemeinsamkeiten, die die unterschiedlichen Spezies miteinander verbinden: körperliche Verletzlichkeit, ursprüngliche Emotionen und Kommunikationsstrategien.

Ihre forschungsbasierte Kunstpraxis ist in den kognitiven und ökologischen Wissenschaften verwurzelt und ihre Projekte nehmen die Form von interaktiven Installationen, multisensorischen Skulpturen, Videos, kreativem Schreiben und Zeichnungen an. Die Zusammenarbeit mit menschlichen und nicht-menschlichen Körpern ist ein integraler Bestandteil ihres Prozesses, wobei so unterschiedliche Lebewesen wie Bienen, Hunde, Laborratten, Forscher und Große Tümmler als Subjekte, Mitgestalter und Teilnehmer ihrer Arbeit fungieren.

Ihre Inspiration findet sie in Interaktionen mit ihren Haustieren, mit wilden Tieren oder mit Wissenschaftlern, deren Forschung für sie prägend oder in irgendeiner Weise katalysierend war. Dafür liest sie Forschungspapiere, kommt mit den Forschern ins Gespräch, verbringt Zeit im Labor und "schürft" ihr Wissen für künstlerische Umsetzungen.

Zu ihren bisherigen Projekten gehören eine radikale Tierarztpraxis für Bestäuber, eine erkundbare Landschaft, die für die sensorischen Systeme von Hausratten konzipiert wurde, und ein Sprachübersetzer von Englisch in die Sprache der Präriehunde. Auf ihrer Hompage hat die Künstlerin diese Projekte ausführlich fotografisch und mit Texten dokumentiert, ein Besuch lohnt sich allemal!

Ihre Kunstpraxis, das künstlerische Vermitteln von Wissenschaft, entwickelte sie während ihres Studiums an der Univercity of California San Diego, wo sie sowohl Studio Art als auch kognitive Neurowissenschaften studierte. Nach ihrem Bachelor-Abschluss erwarb sie auch ihren Master of Fine Arts am Department of Visual Arts der UCSD, mit dem Schwerpunkt Speculative Design.

Im September 2024 wird Lisa Korpos an der Gruppenausstellung "Start Sniffing" im Wiener WUK teinehmen. Kuratiert wird die Schau von Lena Lieselotte Schuster, die ich bereits 2013 in diesem Blog vorgestellt habe.

alle Bilder © Lisa Korpos

 

22. Juli 2024 - 10:01

 

 

Dieses wunderbare Video der australischen Künstlerin Susan Flavell von 2016 zeigt ihren inzwischen verstorbenen Kelpie-Mix Dotness. Es ist Teil ihrer Werk-Serie "The Dog's Artist". Er sitzt auf einem Sofa, dessen Überwurf seinem Fellkleid ähnelt. Sein durchdringender Blick und seine Mimik laden dazu ein, ihn offen zu betrachten. Es fällt schwer, von diesem Wesen nicht vollkommen eingenommen zu sein!

"The Dog's Artist" umfasst Videoporträts, Porzellan- und Steingutskulpturen sowie Fotografien von Dotness. Die Künstlerin bringt uns ihre Liebe zu ihrer Gefährtin nahe. Da sie auch Hundetrainerin ist, beschäftigt sie sich nicht nur in künstlerischer Hinsicht intensiv mit dem Lesen von Gesichtszügen, Ausdrücken und Stimmungen von Hunden.

Sie hat Dotness auch in mehreren Büsten verewigt. Seit der Antike sind Büsten Teil der Erinnerungskultur und drücken private Wertschätzung aus. Die Büsten von Dotness fordern uns auf, genau hinzuschauen und den Hund - ebenso wie das kunstgeschichtlich vertrautere Subjekt Mensch - als individuelles Wesen zu begreifen.

 

The Dog's Artist © Susan Flavell

The Dog's Artist © Susan Flavell

The Dog's Artist © Susan Flavell

The Dog's Artist © Susan Flavell

The Dog's Artist © Susan Flavell

The Dog's Artist © Susan Flavell

The Dog's Artist © Susan Flavell

 

Auf den Fotografien ist Dotness mit Perlen geschmückt, wie ein königliches Subjekt der Anbetung, das wehmütig, in eine Aura der Traurigkeit gehüllt, in die Ferne blickt.

Viel konnte ich über Susan Flavell (*1964) nicht in Erfahrung bringen, nur dass sie 1985 ihren Bachelor of Arts (Fine Arts) an der Curtin University machte.

alle Bilder und Video © Susan Flavell

Fotofrafie, Skulptur, Video
15. Juli 2024 - 10:59

Dog Days Bite Back, 2023 © Oliver Ressler

 

Ein Aggression und Angst verkörpernder Hund steht vor einem brennenden Hintergrund. Wie kein anderes Bild kommentiert die Fotomontage mit dem Titel "Dog Days Bite Back" auf eindringliche und dramatische Weise die Klimakrise. Sie war ein Leitmotiv von Oliver Resslers Werkschau im Belvedere 21 im Rahmen der Klima Biennale Wien.

Der Titel des Fotos sowie der Ausstellung bezieht sich auf eine Aussage des UNO-Generalsekretärs António Guterres zum Sommer 2023 als heißestem seit Messbeginn:

 

"The dog days of summer are not just barking, they are biting."

 

In Filmen, Installationen, Arbeiten im Außenraum und dem Medium Ausstellung thematisiert Oliver Ressler seit etwa drei Jahrzehnten dringliche Aspekte von Ökonomie, Demokratie, Migration, Klimakrise, Widerstandsformen und gesellschaftlichen Alternativen, um strukturelle Ursachen, aber auch Widerstandsformen und Handlungsoptionen aufzuzeigen. Seiner künstlerisch-aktivistischen Praxis liegt die Überzeugung zugrunde, dass gesellschaftliche Verhältnisse nicht gegeben, sondern vielmehr veränderbar sind. Gesellschaftliche Alternativen denkbar zu machen, ist dabei ein zentrales Motiv.

In seinen kämpferischen, engagierten dokumentarischen Arbeiten bezieht er als dezidiert positionierter Beobachter Stellung. Gleichzeitig reflektiert er dabei seine Rolle eines involvierten Teilnehmers und künstlerischen Forschers.

Oliver Resslers (*1970) Arbeiten wurden bereits in Tausenden Veranstaltungen sozialer und aktivistischer Bewegungen, Kunstinstitutionen und Filmfestivals gezeigt.

Bild © Oliver Ressler

 

Ausstellung, Fotografie
12. Juli 2024 - 10:09

Old Dog, 2019 © Franca Franz

 

Wer einen alten Hund hat, erkennt die Qualität dieses Bildes! Auf den ersten Blick spürt man die Stimmung des Hundes, seinen "mood": Er scheint zu überlegen und zu keinem Ergebnis zu kommen. Wo bin ich, was mach ich hier? Wer will etwas von mir?

Und hier kommen die zwei kleinen blauen Hügel am unteren Bildrand ins Spiel. Was sollen sie? Es sind die Knie der Künstlerin Franca Franz, mit denen sie uns ihre Perspektive zeigen möchte, den Blick, von dem aus sie den Hund skizziert oder fotografiert hat.

Das und andere Bilder begleiten (nicht illustrieren) die Gedichte von Michael Hüttenberger in der Ausstellungsbroschüre "Die Schafe sind gezählt". Leider liegt mir der Band nicht vor. Ich wurde von Sofie Morin darauf aufmerksam gemacht. Danke, liebe Sofie, für das Teilen des wunderbaren Gemäldes!

 

Ausstellungsbroschüre

 

Zurück zum Bild: Ob sich die kleine Szene außen oder innen abspielt, ist erst auf den zweiten Blick zu klären. Der Hund scheint draußen auf einer festen Decke zu liegen, die säulenartigen Bäume begrenzen einen Nachthimmel mit funkelnden Sternen, der Horizont halbiert Vorder- und Hintergrund. Der "old dog" strahlt aus innen heraus, nichts Rationales oder Naturwissenschaftliches bedingt oder rechtfertigt sein Leuchten.

Franca Franz wurde 1986 in Darmstadt geboren. Sie studierte Malerei an der Royal Academy of Fine Arts Antwerpen bei Bruno Van Dyck und Malerei/Druckgrafik an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig bei Professor Annette Schröter. Franca Franz lebt und arbeitet in Leipzig.

Michael Hüttenberger, geboren 1955 in Offenbach, studierte Germanistik, Politik, Pädagogik und Soziologie in Frankfurt, promovierte zum Dr. phil. und war bis 2008 Schulleiter in Darmstadt. Seitdem arbeitet er als freier Autor und Journalist in Darmstadt und Stedesdorf/Ostfriesland, seit 2020 in Michelstadt.

Quelle: Echo

Bild © Franca Franz

 

Buch, Malerei
5. Juli 2024 - 21:15

Irina Bartels, Julia Belot, Eberhard Bitter, Piot Brehmer, Hagga Bühler, Julija Burdack, Ankalina Dahlem, Claudia Dermutz, Anja Flügel, Sieglinde Gros, Claudia Grünig, Prof. Ottmar Hörl, Susana Infurna Buscarino, Ewald Janz, Heike Jeschonnek, Andrea Legde, Petra Meyer, Sibylle Möndel, Kerstin Römhild, Welf Schiefer, Dorothea Schüle, Antje Vega, Elke Vogelsang, Elizabeth Weckes, Viola Welker, Sandra Wörner, Dagmar Wolf-Heger, Ulrike Zimmermann:

Das ist die umfangreiche Liste der ausstellenden deutschen und osteuropäischen Künstler und Künstlerinnen beim Kunstsommer Burg Wertheim, organisiert vom Galeristen Axel Schöber und unterstützt durch die Stadt Wertheim. Vom 7. Juli bis zum 18. August 2024 widmet sich das Neue Archiv ganz dem Hund: "DOGS – zwischen Instinkt und Zuneigung" beleuchtet die Bandbreite, die im Titel angesprochen wird, anhand von Druckgrafik, Fotografie, Malerei, Objekt, Skulptur und Zeichnung.

Um Ihnen einen kleinen Vorgeschmack zu geben, habe ich mir vier Künstlerinnen ausgesucht, die ich kurz vorstelle:

Sibylle Möndel (*1959 in Stuttgart/D) verbindet die Technik des Siebdrucks mit gestischer Malerei in stiller zurückhaltender Farbigkeit. Dazu bearbeitet die Künstlerin Fotografien oder Fotofragmente auf dem Computer, die dann in der Technik des Siebdrucks auf die Leinwand gedruckt werden. Aus dem einfachen flachen Druck eines Schäferhundes erzeugt Sibylle Möndel mit wenigen groben informellen horizontalen und vertikalen Pinselstrichen eine mehrschichtige Landschaft mit Tiefe. Der Hund scheint etwas zu betrachten, was für uns im Verborgenen liegt: Rätselhaftigkeit entsteht.

 

o.T., Siebdruck, Ölfarbe auf Leinwand © Sibylle Möndel

 

Julia Belot möchte nur das Gute und Schöne malen und das Liebenswerte ergründen. Alles Negative bleibt im Verborgenen. Ihrer Absicht wird sie durchaus gerecht. Um das Positive noch mehr hervorzuheben, setzt sie eine über die Natur hinaus gehende, in ihrer Intensität gesteigerte Farbigkeit ein. "Traumland" heißt eine ihrer Serien, und im Traumland ist es so schön und friedlich, wie es nur die kindliche Fantasie imaginieren kann und Mensch und Tier märchenhaft nebeneinander existieren.

 

Iza und zwei Wölfe, 2015 © Julia Belot

 

Elizabeth Weckes (*1968 in Willich/D) steuert Foxy bei! Er ist Teil einer Serie, die angeleinte Hunde beim Gassigehen zeigen. Unwichtiges wie Frauchen und Herrchen sind im Bild angeschnitten und bloß als ausschreitendes Beinpaar präsent.

 

Foxy, Red Handbag, 2024  © Elizabeth Weckes

 

Vielleicht sehen Sie im Neuen Archiv erstmals eine Hunderudel-Skulptur von Sieglinde Gros (*1963 in Darmstadt/D), deren Werk bisher auf die menschliche Figur und Figurengruppen ausgerichtet war. Die Bildhauerin arbeitet mit Kettensäge und Stemmeisen, lässt die Arbeitspuren und den Holzblock als Ausgangsmaterial sichtbar. Wie lust- und energievoll die Befreiung der "Meute" aus dem Holz vor sich geht! Diese Hunde zögern nicht!

 

Meute, 2024 © Sieglinde Gros

 

Die Vernissage findet am 7. Juli 2024 um 11:30 Uhr mit einer Einführung des Kurators Axel Schöber statt. Im Rahmenprogramm wird er selbst über Kunst und Künstliche Intelligenz referieren, Ottmar Hörl spricht über den Kunstmarkt, Dagmar Wolf-Heger über Wölfe im Schutzraum. Am letzten Tag der Ausstellung können die Besucher und Besucherinnen eine Künstlerin beim Schaffensprozess beobachten: Sandra Wörner wird vor dem Publikum zeichnen.

Die Öffnungszeiten und Termine des Rahmenprogramms können Sie hier nachlesen.

 

Ausstellung, Malerei, Skulptur
24. Juni 2024 - 10:56

Rostige Nägel, Metallteile, Zwirnspulen, Bürsten als Mähnen, Kämme als Geweih: Das sind neben Treibholz die Hauptbestandteile der liebenswerten Tierskulpturen der Britin Kirsty Elson.

 

Pudel © Kirsty Elson

 

Für Kirsty Elson ist ein Stück Treibholz oder ein Metallstück mehr als Schutt oder Abfall. Sie sieht in ein paar alten Nägeln die dünnen Beinchen eines schleichenden Fuchses; leere Garnspulen werden zu Rädern des Skatboards eines kecken Hundes, dessen rostige Metallohren im Windkanal flattern. Gegen den Fahrtwind wärmt ein Mantel aus einem grünen Stofffetzchen.

 

Hund auf Skateboard © Kirsty Elson

Hund © Kirsty Elson

Promenadenmischung © Kirsty Elson

 

Kirsty Elson sammelt am Strand von Cornwall nach Treibholz und  haucht den alten Teilen neues Leben ein, verwandelt sie auf erstaunliche Weise in skurrile, verspielte und humorvolle Tierskulpturen. Dabei geht sie nicht von der Idee zu einem Tier aus, sondern lässt sich vom gefundenen, einzigartigen Material anregen, die Formen, Farben und Texturen sind der Ausgangspunkt für ihre recycelten "Kleinode".

 

“The great thing about driftwood is that each piece is very different. I tend to let the materials lead me, rather than having an idea in my head and trying to find a piece to fit my idea. I let the materials do the work really.” (vgl. Playjunkie)

„Das Großartige an Treibholz ist, dass jedes Stück sehr unterschiedlich ist. Ich neige dazu, mich von den Materialien leiten zu lassen, anstatt eine Idee im Kopf zu haben und zu versuchen, ein Stück zu finden, das zu meiner Idee passt. Ich lasse die Materialien wirklich die Arbeit machen.“

 

 

Hund mit Ball © Kirsty Elson

Hund mit Pullover © Kirsty Elson

Dackel © Kirsty Elson

Dackel (Detail) © Kirsty Elson

Hundekopf © Kirsty Elson

Bär © Kirsty Elson

Pferd © Kirsty Elson

Elch © Kirsty Elson

Elefant © Kirsty Elson

Fuchs © Kirsty Elson

 

Kirsty studierte Illustration und Druckgrafik an der Cambridge School of Art. Nach der Geburt ihres ersten Kindes zog ihre Familie nach Cornwall, wo sie heute lebt und arbeitet. Sie begann mit der Gestaltung und Herstellung von Grußkarten aus winzigen Treibholzsplittern, dann konzentrierte sie sich auf die Gestaltung kleiner Strandhäuschen, Leuchttürme und idyllische Küstenszenen. Erst in letzter Zeit konzentriert sie sich ganz auf ihre Tierskulpturen.

alle Bilder © Kirsty Elson

 

Skulptur
17. Juni 2024 - 10:00

Der US-amerikanische Künstler Zak Kitnick vergrößert Bilder aus einem Satz von Hunde- und Katzenpostkarten und überträgt sie auf schwarze pulverbeschichtete Stahlregale. Dafür scannt er die Postkarten ein und vergrößert die Bilder jeder Katze oder jedes Hundes so, dass die Höhe auf eine drei Fuß große Platte passt. Er verwendete je nach Bedarf ein bis vier Regalplatten, um die unterschiedlichen Breiten der Tiere zu berücksichtigen.

 

Ausstellungsansicht Galerie Clearing, New York, 2016 © Zak Kitnick

Ausstellungsansicht Galerie Clearing, New York, 2016 © Zak Kitnick

 

Die Bilder erhalten durch diese Größenänderung eine eigentümliche Qualität: Hunde und Katzen werden fast gleich groß, Tigerkätzchen und Terrier schwellen auf die Größe von Deutschen Doggen an. Durch den Wechsel vom Postkartenformat zur 3x2 Fuß großen Stahlplatte wird sichtbar, dass jedes Tier aus Ben-Day-Punkten zusammengesetzt ist. Bei der Ben-Day-Dots-Drucktechnik entstehen aus kleinen farbig gedruckten Punkten Flächen einer anderen Farbe. Je nachdem, welchen Effekt man erzielen will, werden die Punkte nahe aneinander oder überlappend gedruckt.

 

Ausstellungsansicht Galerie Clearing, New York, 2016 © Zak Kitnick

C & D (Dogs) 1, 2, 3, 2016 © Zak Kitnick

C & D (Cats) 1, 2, 3, 2016 © Zak Kitnick

 

Kitnick braucht 45 Stahlregale für jede Spezies, die er in gleichmäßiger Folge entlang des Bodens der Galeriewände anordnet. Sie bilden eine fortlaufende Reihe von Tieren, die an die zeitliche Abfolge eines Filmstreifens erinnern, wobei der Betrachter die Dauer der Rezeption durch das Tempo des Abschreitens bestimmt. Durch den Weg und die Dauer des Abschreitens bzw. durch ihre Vergrößerung und Anordnung bekommen die Stahlregale einen Bezug zu Raum und Zeit. Ein Paar niedriger Schwingtüren markiert den Ein- und Ausgang in den nächsten Raum und führt eine physische Pause ein, bevor sich die die Sequenz visuell fortsetzt.

 

One is None, 2016 © Zak Kitnick

 

Die Vielfalt der Hunderassen bietet Kitnick die Möglichkeit, seine Interessen an Systemen der Taxonomie mit Strukturen der Bildproduktion und -ausstellung zu verbinden. Die den Postkarten inhärente visuelle Sprache als singuläres flaches Bild wird demontiert und in andere Kontexte und Medien übertragen. Durch die Vergrößerung beginnt sich das Tier als Subjekt aufzulösen, durch die serielle Anordnung kommen oben erwähnte Eindrücke von Raum und Zeit dazu.

 

Ausstellungsansicht Galerie Clearing, New York, 2016 © Zak Kitnick

Ausstellungsansicht Galerie Clearing, New York, 2016 © Zak Kitnick

 

Zak Kitnick hat diese Arbeit mit dem Titel C & D 2016 in der Galerie Clearing präsentiert. Zur Ausstellung erschien ein sehr lesenswerter Essay von Ed Halter, der umfassend auf die Beziehung des Werks zum Film eingeht und von der Galeriehomepage heruntergeladen werden kann.

Zak Kitnick (*1984 in Los Angeles, Kalifornien/USA) lebt und arbeitet in Brooklyn, New York. Er erhielt seinen BA vom Bard College und seinen MFA von der Milton Avery Graduate School of the Arts, New York. Viele Einzel- und Gruppenausstellungen in den USA und Europa.

alle Bilder © Zak Kitnick

 

Fotografie, Installation
10. Juni 2024 - 10:33

Was haben die Bilder der amerikanischen Künstlerin Sophie Larrimore gemeinsam? Richtig! Einen oder mehrere Pudel! Dabei ist sie keine Hundeliebhaberin. Sie malt Pudel, da sie an ihnen Form, Textur und Farbe erforschen kann. (vgl. It's Nice That)

 

August, 2017 © Sophie Larrimore

 

Ihre Entwicklung zur eigenen Bildsprache nahm fast fünfzehn Jahre in Anspruch, in denen die Perfektionistin die Gewohnheit, Bilder zu imitieren, ablegte. Vorher malte sie Hundeporträts unterschiedlichster Rassen und schaute sehr viele Vorlagen und Referenzen an, die sie einengten. Heute malt sie stilisierte, erfundene Pudel:

 

"Poodles are naturally anthropomorphic and that slightly human, slightly alien quality I find really beautiful." (zit n. Four&Sons)

"Pudel sind von Natur aus anthropomorph, und diese leicht menschliche, leicht außerirdische Qualität finde ich wirklich schön." (übersetzt mit DeepL)

 

In ihren Statements zeigt sich Larrimores Interesse an den formalen Aspekten der Malerei: Ihr Werk ist nicht inhaltlich bestimmt, sondern formal, es geht ihr in erster Linie um die Komposition.

 

"Much of my interest is in the shapes created, the color relationships, the surface, the edges, the tension between flat and illusionistic space." (zit. n. New American Paintings)

"Ein Großteil meines Interesses gilt den geschaffenen Formen, den Farbbeziehungen, der Oberfläche, den Rändern, der Spannung zwischen flachem und illusionistischem Raum." (übersetzt mit DeepL)

 

Der Pudel ist demzufolge wie eine Blaupause, eine basale Idee, auf der sie ihr Können kühn und fantasievoll entfalten kann.

 

Puddle, 2017 © Sophie Larrimore

 

Sophie Larrimores seltsamen und spielerischen Gemälde scheinen keinen Freiraum zu besitzen, alles ist ins Bild hineingepresst, hineingezwängt. Von den Rändern her kommen Finger, Hände, Arme, Brüste, Zehen und Füße ins Bild.

Die Künstlerin konzentriert sich in ihrer Bildsprache auf einen faszinierenden Wechsel zwischen Figuration und Abstraktion, die Komposition wechselt zwischen Aufriss und Grundriss, d.h. manches ist von vorne zu sehen, auf anderes sieht man von oben herab. Die Hundekörper laden den Betrachter dazu ein, immer wieder hinzuschauen und sich zu fragen, was die Pudel eigentlich tun und wie ihre Körper überhaupt funktionieren.

"White Rope" (unten) zeigt die wohlgeformte Gestalt eines vorwitzigen Hundes, der mit dem Hintern nach oben auf einem roten Handtuch am Pool posiert. Sein Körper erscheint eigentümlich verdreht. Die Hände schieben sich zwischen mehrere Bildebenen.

 

White Rope, 2017 © Sophie Larrimore

Untitled, 2017 © Sophie Larrimore

 

Immer wieder wird ihr Werk als fauvistisch beschrieben, da die Fauvisten die Farbe nutzten, um die Malerei über das traditionelle Modell der Lokalfarbe hinaus voranzutreiben. Richtigerweise sieht sich Sophie Larrimore mit den Fauvisten nur insofern verwandt, als auch sie die Farbe als Ausdrucksfarbe verwendet, um einen tieferen emotionalen Zustand zu suggerieren.

 

"The challenge now is working with a lot of colour without making it arbitrary. I see my work in dialog with those painters in that I too am concerned with making a painting in which colour and form are just as important as subject."
(zit.n. Four&Sons)

"Die Herausforderung besteht nun darin, mit viel Farbe zu arbeiten, ohne sie willkürlich einzusetzen. Ich sehe meine Arbeit im Dialog mit diesen Malern, denn auch mir geht es darum, ein Gemälde zu schaffen, in dem Farbe und Form ebenso wichtig sind wie das Thema." (übersetzt mit DeepL)

 

Ich finde den Vergleich mit den Fauvisten (den "Wilden") weit hergeholt. Lediglich die Lokalfarbe durch  Ausdrucksfarbe zu ersetzen, die Farbe von der Natur befreien, quasi farbenfroh zu malen, macht die Malerei noch nicht "wild". Larrimores Malweise ist nicht expressiv, sondern  - au contraire - verhalten und exakt!

Auch der Pointilismus muss immer wieder herhalten, um ihr Werk zu beschreiben. Ihre Punkte sind aber nicht die kleinsten Elemente einer Theorie, in der sich die Farbe erst im Auge mischt, sondern ein Mittel, um die lockig-flauschige Beschaffenheit des Hundefells darzustellen. Die Punkte sind ebenso Struktur, wie die Wellen auf der blauen Fläche. Nicht überall, wo Punkte drauf sind, ist Pointilismus drin!

Wenn schon die Kunstgeschichte bemüht werden soll, dann erinnern mich ihre sanft geschwungenen Formen der Frauen und Pudel formal eher an Fernand Léger und seinen "Tubismus". Die Figuren sind aus einfachen, gerundeten Formen und Rohren (franz. "tubes") zusammengesetzt. Sophie Larrimore nimmt diesen und andere Einflüsse auf und bringt sie mit ihrem eigenen Stil in Einklang, der einen hohen Wiedererkennungswert besitzt.

 

Untitled, 2017 © Sophie Larrimore

 

"Evening" (unten) entzieht sich jedem erkennbaren Raumgefühl, indem es gleichzeitig eine Vogelperspektive (atemberaubenden blau-grünen Strom) und eine Frontalansicht (drei Pudel, flach wie gestaffelte Schablonen) bietet. Die Tiefe ihrer Werke wird durch die geschickte Überlappung von Formen vermittelt. Links oben bricht der Mond durch die Hecke.

 

Evening, 2017 © Sophie Larrimore

 

In "Pastel Towel" sehen wir eine Frau, die einen Pudel streichelt und gleichzeitig von seiner Pfote berührt wird. Nackte Frauen treten in Larrimores Werk häufig in einen visuellen Dialog mit Hunden. Für Sophie Larrimore ist dies eine natürliche Paarung, die trotzdem eine faszinierende Zweideutigkeit und Spannung erzeugt. (vgl. Four&Sons)

 

Pastel Towel, 2017© Sophie Larrimore

 

Ihre Gemälde werden zunehmend komplexer, ornamentaler und erzählerischer. Der Witz der früheren Arbeiten wird zugunsten einer Ernsthaftigkeit aufgegeben und bei näherer Betrachtung zeigt sich eine subtile Beunruhigung. Schwermütige skulpturale Frauendarstellungen in versteinerter Manier werden mit Pudeln, Vögeln, Felsen, Pflanzen und Wasserläufen ergänzt. Viele der Bäume sind blattlos oder gefällt. Diese Ausstattung nimmt die ganze Bildfläche ein und wiederholt sich auf jeder Leinwand in immer neuer Zusammensetzung, wobei es keine Hierarchie zwischen Motiv und Grund  gibt. Die Bildoberfläche erscheint durch den Einsatz von Wiederholungen und Ornamenten verflacht.

Diese Figuren, ob in Gruppen angeordnet oder als einzelne Elemente isoliert, zeichnen sich durch eine bewusste Ökonomie der Gestaltung aus und erinnern an die visuelle Einfachheit von Hieroglyphen oder flachen Reliefs. Weiters lassen die Kompositionen an den Reichtum von Mosaiken und Wandteppichen denken sowie - durch den Verzicht auf Linearperspektive und Hinwendung zur Bedeutungsperspektive - an die Bildsprache der Vorrenaissance. (vgl. Venus Over Manhattan)

 

Bordering Magic, 2021 © Sophie Larrimore

Horizontally Speaking, 2021 © Sophie Larrimore

Alternate Side, 2021 © Sophie Larrimore

 

Die Werke lassen sich nicht in eine bestimmte Zeit oder einen bestimmten Ort einordnen: Die Umgebung erinnert an ursprüngliche und unberührte Landschaft, während die grelle Farbpalette und die zweideutigen Formen auf ein postatomares Terrain hindeuten. Zusammengenommen deuten diese Elemente auf einen sich abzeichnenden apokalyptischen Hintergrund hin und suggerieren eine Welt, die sich mit dem beunruhigenden Gespenst eines tiefgreifenden Wandels auseinandersetzt (vgl. Venus Over Manhattan). Diese Interpretation ist wohl dem Zeitgeist geschuldet, die überall die Thematisierung der Klimakrise sieht.

Ab den 2020er Jahren schmücken aufwändige Rahmen die Gemälde. In Anlehnung an die Maler der Vorrenaissance, die ihre Andachtsbilder mit aufwendigen Rahmen schmückten, um deren Heiligkeit zu unterstreichen, setzt Larrimore ihre Gemälde in massive, handgefertigte Rahmen, die an den unverwechselbaren Stil der Tramp Art erinnern. Die Tramp Art ist eine Methode der Holzbearbeitung, die in Amerika in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden ist und bei der in billiges, verfügbares Holz (aus Zigarren- und Versandkisten) geschnitzt wird. Die Herstellung erfolgte durch einfache Werkzeuge. (vgl. Wikipedia)

 

Perennial Crush, 2021 © Sophie Larrimore

Magic Touch Too Much, 2021 © Sophie Larrimore

How Will I Know, 2021 © Sophie Larrimore

4 Heads, 2023 © Sophie Larrimore

3 Trees, 2023 © Sophie Larrimore

Car Camping, 2023 © Sophie Larrimore

 

Sophie Larrimore beginnt zwar mit einem Konzept für ein fertiges Werk, trotzdem entwickelt sich das Gemälde im Prozess der Entstehung selbst. Jeder hinzukommende Teil eines Gemäldes wird im Verhältnis zum Ganzen betrachtet, und alle Elemente müssen zusammenpassen, damit das Werk gelingt.

 

“The mark of a good painting is one which changes and reveals itself the longer you look.” (zit.n. Four&Sons)

"Ein gutes Bild zeichnet sich dadurch aus, dass es sich verändert und sich offenbart, je länger man es betrachtet."
(übersetzt mit DeepL)

 

Ihre Arbeiten erfordern vom Betrachter einen doppelten, wenn nicht dreifachen Blick, um alle Feinheiten und Details zu erkennen, wobei ihm die Künstlerin die Interpretation der Symbole und Metaphern überlässt.

 

Nothing Without the Crack, 2023 © Sophie Larrimore

 

Sophie Larrimore (*1980 in Annapolis, Maryland/USA) erhielt 2004 einen B.F.A-Abschluss in Malerei und Druckgrafik von der Cooper Union for the Advancement of Science and Art, New York. Larrimores Arbeiten waren Gegenstand mehrerer Einzel- und Gruppenausstellungen in NY. Larrimore lebt und arbeitet in Brooklyn, New York.

Quellen: Four&Sons, Kate Werble Gallery, Venus Over Manhattan, It's Nice That

alle Bilder © Sophie Larrimore

 

Malerei
27. Mai 2024 - 10:48

Six Thirty, Ausstellungsansicht Hanley Gallery New York © Elizabeth Jaeger,  Fot

 

Das  Werk der amerikanischen Künstlerin Elisabeth Jaeger, die vor allem poetische Skulpturen und Keramikobjekte zu Installationen zusammenführt, konzentriert sich auf figurative Darstellungen und ihre komplexen Beziehungen. Sie geht dabei oft von einer persönlichen Erfahrung, etwas bewusst Erlebtem oder der Beobachtung einer Situation aus. Auf zwei ihrer Installationen, "6:30" von 2014 und "Prey" (Beute) von 2023 möchte ich näher eingehen, weil Hunde darin vorkommen.

Die menschliche Figur hat die Künstlerin schon immer interessiert, weil sie in der Lage ist, Gesten zu zeigen, Bewegung anzudeuten und dadurch Kommunikation anzuregen und Emotionen auszulösen. Da sie allerdings in besonderem Maße von künstlerischen Qualitäten wie etwa der Materialität ablenkt, beginnt Jaeger mit anderen Formen zu arbeiten: Hunde, Vögel, Fische und Gefäße, um nur einige zu nennen.

Wesentlich für die Figuration, für die Körper im Raum ist auch deren Beziehung zur Umgebung, die sich in Gesten oder Blicken äußert. Dies gilt auch für die Arbeiten mit Tieren: Die Vögel, Hunde, Ratten blicken alle nach außen und implizieren eine Welt um sie herum. Wenn der Betrachter ihren Blicken begegnet, entsteht für einen Moment eine gemeinsame Welt, eine gleichzeitig reale und imaginäre Welt.

Unten sehen Sie Installationsansichten zu "6:30" aus der Galerie Hanley in New York.

 

Six Thirty, Ausstellungsansicht Hanley Gallery New York © Elizabeth Jaeger,  Fot

Six Thirty, Ausstellungsansicht Hanley Gallery New York © Elizabeth Jaeger,  Fot

Six Thirty, Ausstellungsansicht Hanley Gallery New York © Elizabeth Jaeger,  Fot

Six Thirty, Ausstellungsansicht Hanley Gallery New York © Elizabeth Jaeger,  Fot

 

"6:30": Morgengrauen oder Abenddämmerung? Eine Installation im Grenzbereich zwischen Anfang oder Ende des Tages. Spärliche Einrichtungsgegenstände aus geschweißtem Metall, darunter ein Kinderbett mit Resten von Tierhaar, Regale, leere Sessel und ein Waschbecken befleckt von einer verdunsteten Flüssigkeit, bilden ein häusliches Tableau, das auf eine flüchtige Erzählung anspielt. Ein Rudel weißer Windhunde aus Keramik und Hydrocal steht Wache, ihre Leinen schleifen über den Boden und weisen auf die abwesende menschliche Existenz hin.

Die Hunde sehen den Betrachter an, ja fixieren ihn, sodass es unmöglich ist, ihre Blicke nicht zu erwidern. Ihr wissender Blick lässt unsere eigenen tragischen Dramen vorausahnen, bevor wir in der Lage sind, das Geschehene zu erkennen und zu artikulieren. Das Gefühl der Verletzlichkeit, das sich wie ein roter Faden durch Jaegers Wek zieht, macht sich breit. Was ist in diesem Raum passiert? Was ist schiefgegangen? Ein starkes und mysteriöses Gefühl der Beunruhigung und subtilen Unheimlichkeit entsteht, das trotz der scheinbaren Vertrautheit mit der Figürlichkeit der Objekte Jaegers Werk inhärent ist.

 

Six Thirty, Ausstellungsansicht Hanley Gallery New York © Elizabeth Jaeger,  Fot

Six Thirty, Ausstellungsansicht Hanley Gallery New York © Elizabeth Jaeger,  Fot

Six Thirty, Ausstellungsansicht Hanley Gallery New York © Elizabeth Jaeger,  Fot

Dog, 2014  © Elizabeth Jaeger, Foto Adam Reich

Dog, 2014  © Elizabeth Jaeger, Foto Adam Reich

Dog, 2014  © Elizabeth Jaeger, Foto Adam Reich

Louie (Dog9), 2014 © Elisabeth Jaeger, Foto Adam Reich

 

Hunde blicken uns mit beredter Präsenz an! Zugleich ist ihre emphatische Schönheit und Würde offensichtlich. Als hätten sie die Fähigkeit zum Ausharren und ein ihnen innewohnendes Wissen, das über ihre Stille hinausgeht.

 

Dog 1, 2014  © Elizabeth Jaeger, Foto Adam Reich

 

Wie bei "6:30" geht es auch bei "Prey" um die Erfahrung des Schauens und Angeschautwerdens. In einer besiedelten Umgebung zu leben, bedeutet, dass man gesehen wird, während man andere ansieht und dass man intime Momente mit Fremden austauscht. In "Prey" haben die Menschen den Tieren Platz gemacht, die sich gegenseitig und uns beobachten.

Wenn unser Blick oft ein Machtverhältnis impliziert - der Mensch blickt das Tier an -, dann verschieben Jaegers Objekte die erwarteten Hierarchien zwischen Beobachter und Beobachteten. Und während ein menschenzentrierter Blick von der Vorstellung einer einzigen Welt ausgeht, die von einer Hierarchie von Lebewesen bewohnt wird, könnten wir stattdessen die Perspektiven anderer Lebensformen in Betracht ziehen.

Normalerweise haben wir das Gefühl, dass Tiere und Insekten in unserer Welt leben. Elizabeth Jaeger gibt uns zu verstehen, dass es nicht "unsere" Welt ist, sondern dass wir in ihrer Welt leben, dass wir in eine "natürliche", wenn auch fremde Umgebung eindringen, die alleine - ohne den Menschen - funktioniert und die Verbundenheit aller Lebewesen in den Mittelpunkt stellt.

 

Prey © Elisabeth Jaeger, Ausstellungsansicht Galerie Mennour, Paris 2023

 

Wir sehen eine unbewegliche, aber sehr lebendige Szene: Schnecken krabbeln auf den Wänden und hinterlassen eine Schleimspur, Hunde sind entweder schlafend oder wachsam, schwarze Vögel hocken an den Wänden, Ratten beobachten die Szene aus sicherer Entfernung. Wenn wir ihren Blicken folgen, können wir kleine Dramen zwischen Raubtier und Beute beobachten. Schilf wächst aus einem Sumpf heraus.

 

Prey © Elisabeth Jaeger, Ausstellungsansicht Galerie Mennour, Paris 2023

Prey © Elisabeth Jaeger, Ausstellungsansicht Galerie Mennour, Paris 2023

Prey © Elisabeth Jaeger, Ausstellungsansicht Galerie Mennour, Paris 2023

Prey © Elisabeth Jaeger, Ausstellungsansicht Galerie Mennour, Paris 2023

 

Exkurs: "Im Zuge des animal turn ist ein interdisziplinäres Interesse daran geweckt worden, sich konkreter mit der philosophischen Frage auseinanderzusetzen, wie die Begriffe "Mensch", "Person" und "Tier" miteinander zusammenhängen und ob eine Erweiterung des Personenbegriffs in die Sphäre des Tierlichen hineingreifen kann" (Ina Karkani in Tierstudien 25, S 83). So untersucht z.B. der zeitgenössische italienische Philosoph Giorgio Agamben in "The Open" die Art und Weise, in der der "Mensch" entweder als eine besondere und überlegene Art von Tier oder als eine Art von Wesen, das sich wesentlich vom Tier unterscheidet, betrachtet wurde.

Wie er ausführt, "bewegen sich die Fliege, die Libelle und die Biene, die wir an einem sonnigen Tag neben uns fliegen sehen, nicht in derselben Welt wie die, in der wir sie beobachten, noch teilen sie mit uns - oder miteinander - dieselbe Zeit und denselben Raum". (vgl. Giorgio Agamben, zit. n. Marie Catelano, Press Release Galerie Mennour, übersetzt mit DeepL)

 

(...) “the fly, the dragonfly, and the bee that we observe flying next to us on a sunny day do not move in the same world as the one in which we observe them, nor do they share with us—or with each other—the same time and same space.”

 

So ist es auch im Sumpf von Jaegers Installation, wo eine Vielzahl von Welten artenübergreifend nebeneinander existieren. Die dualen Umgebungen, aus denen sich "Prey" zusammensetzt, ermöglichen es, uns eine Welt vorzustellen, in der wir nicht mehr im Mittelpunkt stehen, sondern vielmehr in einer Ökologie von Lebewesen eingebunden sind, die uns beobachten.

Wir sehen Dinge, aber wir spüren, dass etwas anderes passiert, zu dem wir keinen Zugang haben. Es ist beunruhigend und auf eine vage Weise bedrohlich. Eine Möglichkeit Zugang zur fremden Welt zu erlangen, ist die Empathie, ein Gefühl, das über die Grenzen der Sprache hinausgeht. Unsere Einfühlung wird dergestalt integraler Bestandteil des Werks selbst.

 

Prey © Elisabeth Jaeger, Ausstellungsansicht Galerie Mennour, Paris 2023

 

Ihre intimen Kontemplationsräume, die diffuse Emotionalität erzeugen, sind mit Objekten bewohnt bzw. bevölkert, deren Fragilität durch dunkle Materialität und die Härte und Strenge des Materials gebrochen wird. Amorphe Formen sowie Formen aus Flora und Fauna werden mit geometrischen Stahlkonstruktionen kombiniert, es entsteht eine Ambivalenz zwischen vertrauter Form und abstrakter Brechung.

Ihre Materialien sind einfach, aber haptisch: Ton, Keramik, Gips, Stahl, Seide und Glas zeigen und bewahren den "Abdruck", der Künstlerhand. Sie sind Mittel, um ein neues visuelles Vokabular zu schaffen, das seltsam vertraut und doch magisch aufgeladen erscheint.

Hier sehen sie Hedy mit der von Jessica Ullrich herausgegebenen Fachzeitschrift "Tierstudien". Die interdisziplinären Tierstudien widmen sich im Kontext der neu entstandenen Animal Studies dem Verhältnis von Mensch und Tier, indem sie vor allem, aber nicht nur aus kultur- und geisteswissenschaftlicher Perspektive kulturell und historisch bedingte Vorstellungen, Bilder und Repräsentationen von Tieren, aber auch aktuelle Praktiken und Theorien der Tier-Mensch-Beziehung untersucht.

 

Hedy mit Tierstudien, Foto Petra Hartl

Hedy mit Tierstudien, Foto Petra Hartl

 

Einen schönen Gedanken der Künstlerin möchte ich ans Ende stellen. Auf die Frage nach ihren Einflüssen, nennt sie neben der Künstlerin Louise Bourgeois einen abstrakten Begriff:

 

"The word “simultaneous” and the sense of how large and diverse and multifaceted the world is. Whether it's by physical (or social media-haha) travel, meeting another person with no shared spoken language but a deep mutual affinity, finding another artist’s work from a completely different time and/or place and really feeling like you understand it, or sharing an inexplicable meaningful moment with an animal - these give me hope of the possibility of real communication and love, and with that the possibility of peace." (zit. n. Sonam Khetan)

"Das Wort "simultan" und das Gefühl, wie groß, vielfältig und facettenreich die Welt ist. Ob man nun physisch (oder über soziale Medien - haha) reist, eine andere Person trifft, die keine gemeinsame Sprache spricht, aber eine tiefe gegenseitige Verbundenheit empfindet, das Werk eines anderen Künstlers aus einer völlig anderen Zeit und/oder an einem anderen Ort entdeckt und wirklich das Gefühl hat, es zu verstehen, oder einen unerklärlich bedeutungsvollen Moment mit einem Tier teilt - all das gibt mir Hoffnung auf die Möglichkeit echter Kommunikation und Liebe und damit auf die Möglichkeit von Frieden." (übersetzt mit DeepL)

 

Lost dog, 2021 © Elisabeth Jaeger
Foto von Klemm's

 

Elizabeth Jaeger (*1988 in San Francisco, USA) besuchte das Lewis and Clark College in Portland, Oregon, die School of the Art Institute of Chicago und die École Nationale Supérieur des Arts in Nancy. Sie lebt und arbeitet in New York. Ihr Werk reicht von der Bildhauerei über die Herstellung von Büchern und Kleidung bis zur Seidenmalerei. Elizabeth Jaeger hat ihre Arbeiten in Galerien und Zeitschriften in den gesamten Vereinigten Staaten ausgestellt und veröffentlicht. Gemeinsam mit Sam Finn hat sie den Verlag Peradam gegründet, der handgefertigte Künstlerbücher herstellt.

 

Quellen: Galerie Mennour Paris, Galerie Klemm's Berlin, Sonam Khetan, Berlin Art Link, Jack Hanley Gallery New York, Elisabeth Jaeger Instagram

alle Bilder (außer Hedy) © Elisabeth Jaeger

 

Installation, Skulptur