Malerei

21. Februar 2022 - 11:12

Erst vor wenigen Wochen habe ich Ihnen den ghanaischen Künstler Hamid Nii Nortey vorgestellt. Der Zufall will es, dass am 14. Februar 2022 in der Wiener Galerie Kandlhofer seine erste europäische Einzelausstellung "Faith in Strangers" gezeigt wird.

Im ersten Post über Nortey ging es um die beträchtlichen Veränderungen in Accra, der Hauptstadt von Ghana, und um Norteys Darstellung der oberen Mittelschicht in ihren urbanen Häusern, Interieurs und Gärten.

Sein neuestes Werk befasst sich mit den vielfältigen sozio-politischen Verwicklungen der Migration, die von historischen Bezügen über Auswanderung bis hin zu politischer Verfolgung reichen.

Die Ausstellung "Faith in Strangers" ist in zwei Abschnitte gegliedert, wobei sich der erste auf historische und zeitgenössische Aspekte der afrikanischen und afroamerikanischen Migration konzentriert. So beschreibt die Great Migration die Bewegung von sechs Millionen Afroamerikanern aus den ländlichen Gebieten der Südstaaten in die städtischen Gebiete der Nordstaaten zwischen 1916 und 1970. Die Flüchtenden wollten der rassistischen Gewalt entkommen und wirtschaftliche und bildungsbezogene Chancen im Norden wahrnehmen. Der Hund kam natürlich mit!

 

The Great Migration 1, 2021 © Hamid Nii Nortey, Foto Galerie Kandlhofer

The Great Migration 2, 2021 © Hamid Nii Nortey, Foto Galerie Kandlhofer

 

Der zweite Abschnitt konzentriert sich auf die Gegenüberstellung von erzwungener Migration und Freizeitreisen, um die erheblichen Unterschiede zwischen der westlichen Wahrnehmung und der afrikanischen Realität aufzuzeigen.  (vgl. Pressetext der Galerie Kandlhofer)

Die Ausstellung in der Galerie Kandlhofer ist noch bis zum 19. März 2022 zu sehen.

Bilder © Hamid Nii Nortey, Fotos Galerie Kandlhofer

 

Ausstellung, Malerei
14. Februar 2022 - 13:06

Manchen Motiven kann man nicht entgehen: z.B. dem Hund; dem Hund und seinen Spiegelungen in Lacken oder auf regennassen Straßen; dem Hund und seinem Schatten.

 

0145, 2021 © Lorenz Helfer

 

Ein Künstler, den das Motiv Hund gefangen nimmt und der sich daran abarbeitet ist der Vorarlberger Lorenz Helfer. Doch wurde der Hund nicht schon aus-gemalt, zu Ende gemalt, wurde über ihn bildnerisch nicht schon alles "gesagt"?

Unten sehen Sie eine Auswahl seiner über 30 Hundebilder im Format 30x40 cm. Der Künstler ist 2020 dazu übergegangen, seine Bilder zu nummerieren.

 

0163, 2021 © Lorenz Helfer

0166, 2021 © Lorenz Helfer

0172, 2021 © Lorenz Helfer

0174, 2021 © Lorenz Helfer

0175, 2021 © Lorenz Helfer

0178, 2021 © Lorenz Helfer

0180, 2021 © Lorenz Helfer

0182, 2021 © Lorenz Helfer

0185, 2021 © Lorenz Helfer

0188, 2021 © Lorenz Helfer

0190, 2021 © Lorenz Helfer

0193, 2021 © Lorenz Helfer

 

Nochmals: Doch wurde der Hund nicht schon aus-gemalt, zu Ende gemalt, wurde über ihn bildnerisch nicht schon alles "gesagt"? Lorenz Helfer möchte sich dem Motiv unbefangen und neu nähern, alles vergessen, verlernen, was er darüber weiß. Er will den unkontrollierten Zugang zum Motiv. Was ist also näherliegend als gleich mit der Malerei und Farbe zu beginnen: Kein Konzept oder Entwurf, keine Idee oder vorbereitende Skizze wird vorangestellt, sondern der Arm und Pinsel übernehmen die Führung und suchen nach immer neuen Ausdrucksformen. Die Bilder sollen sich beim Malen frei entfalten können: Malen, zurücktreten, schauen, weitermalen, das Bild drehen, malen, verwerfen, drübermalen in einem fortwährend intuitiven Prozess. Zentrales Thema wird die Malerei selbst.

 

0147, 2021 © Lorenz Helfer

0148, 2021 © Lorenz Helfer

0159, 2021 © Lorenz Helfer

 

Lorenz Helfer will die Dynamik der Hunde einfangen, er lässt sie sich in ihrer individuellen Art und Weise frei bewegen, mit ihren Reflexionen überlappen und verbinden. Der Ausdruck der Hunde variiert nur wenig, der Pinselduktus, die Geste ist wesentlicher als die individuelle Mimik des Hundes. Helfers Malprozess erzeugt viele Schichten, Raum und Zeit sind in mehreren Ebenen parallel in einem Bild präsent.

Unten sehen Sie einen Hund aus 2010, den ich in einem alten Blog von Lorenz Helfer gefunden habe. Vor allem die Farbe von Figur und Hintergrund verwendet er hier noch ganz anders und differenzierter. Dem Motiv kommt noch mehr Bedeutung zu, es ist noch nicht nahezu in der Malerei aufgegangen.

 

Hommage an Kathrinka, 2010 © Lorenz Helfer

 

Lorenz Helfer (*1984 in Hohenems/Österreich), studierte zwischen 2002 und 2007 an der Universität für angewandte Kunst in Wien Malerei bei Wolfgang Herzig und Johanna Kandl. Zwischen 2009 und 2016 folgten Atelieraufenthalte in Paliano, Lissabon, Sao Paulo und Bilbao. Seit 2007 ist er in zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland vertreten. Er lebt und arbeitet in Bregenz.

alle Bilder © Lorenz Helfer, Fotos: Günter König

Update am 20. Februar 2022: Bis zum 15. März 2022 sind Lorenz Helfers Hunde im Innsbrucker artdepot zu sehen. Was für ein glücklicher Zufall!

 

Malerei
7. Februar 2022 - 11:32

Alina Sokolova ist eine Malerin und Mixed-Media-Künstlerin, die mit traditioneller Malerei, Video, Performance und Installation zu soziopolitischen Themen arbeitet. Ihre Arbeit setzt sich kritisch mit sozialen und kulturellen Normen auseinander.

Sie beschreibt ihre künstlerische Praxis als eine ausführliche Erforschung von Bewegung. Menschen stehten im Mittelpunkt ihrer Bilder:  ihre Koexistenz, Synergie, Interaktion, ihre gemeinsame kollektive bewusste oder unbewusste Choreographie, ihre zufällige körperliche Nähe.

 

Humans stand at the center of any of my paintings. Their coexistence, synergy, interaction, their joint collective aware or unaware choreography, random bodily proximity. I’m interested in the different manifestations of people’s shared, individual, temporary, or inherent movements as a display of current times and changing social phenomena. Because this movement analysis is a big focus of my interest and I’m more analytical in that approach at times, I embed choreographic elements in my works. (zit. n. bode-projects)

 

Die Künstlerin interessiert sich für die verschiedenen Erscheinungsformen der kollektiven und individuellen, ephemeren oder inhärenten Bewegungen der Menschen. Welche Auswirkungen haben soziale Phänomene oder geänderte kulturelle Normen auf diese Bewegung (z.B. neue Bewegungen bei Arbeitsabläufen; Bewegungen in der geänderten Mensch-Tier-Beziehung)?  
 

 

Humans carrying dogs, 2021 © Alina Sokolova

Dogs carrying humans, 2021 © Alina Sokolova

 

Durch ihre genaue Beobachtung wird sie zur Sammlerin und Archivarin der Bewegungen, die zum Allgemeingut geworden sind und ein Zeugnis ihrer Zeit und des sich ständig verändernden sozialen Klimas darstellen. Zusätzlich zur Bewegungsanalyse baut sie choreografische Elemente in ihre Arbeiten ein, ein Ergebnis ihres Interesses an Tanzpraktiken, das sich über mehrere Jahre hinweg allmählich entwickelt und entfaltet hat.

 

An embrace, 2020 © Alina Sokolova

Dogs wearing masks, 2021 © Alina Sokolova

The whippet, 2021 © Alina Sokolova

 

Beim Betrachten ihrer Bilder entdecken wir Figuren in Gruppen und sozialen Interaktionen, ineinander verschlungene und verzerrte Körper. Ihre Gelenke, Hände und Beine, oft bizarr vergrößert, passen sich einander an und fließen in einer choreografierten Weise ineinander. Die Körper befinden sich zumeist in leeren Innenräumen, die Farbigkeit ist grell, Schatten und Konturlinien werden stark betont.

 

Tröstende Hunde, 2020 © Alina Sokolova

On losing a tail, 2021 © Alina Sokolova

 

Alina Solokova (*1995 in Uzhgorod/Ukraine) hat ihre Ausbildung in unterschiedlichen Ländern absolviert. Der Weg durch die konventionelle akademische Kunststruktur in der Ukraine und die vielen Professoren in Bratislava, Wien und Hamburg mit ihren unterschiedlichen Denkweisen vermittelten ihr ein breites künstlerisches Spektrum. Im Jahr 2021 schloss sie ihr Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien ab, sie lebt und arbeitet in Wien.

Quellen: Galerie Rudol Leeb, BODE, Les Nouveaux Riches Magazine

alle Bilder © Alina Solokova

 

Malerei
31. Januar 2022 - 11:37

Welche Vorstellungen haben Sie vom afrikanischen Kontinent? Welche Bilder verbinden Sie mit Ghana? Kennen Sie afrikanische bildende Künstler (die nicht weiß sind, wie William Kentridge)? Zumindest Daniel Tetthey Nartey ist Ihnen aus meinem Blog bekannt; heute füllen wir eine weitere Leerstelle mit Hamid Nii Nortey.

Er stellt die wachsende florierende Mittel- und Oberschicht in Accra, der Hauptstadt Ghanas dar, die einen immer größeren Anteil an der Bevölkerung ausmacht. Accra hat sich in den letzten Jahrzehnten gesellschaftlich, wirtschaftlich, aber auch architektonisch stark gewandelt. Private und öffentliche Investitionen hatten einen Anstieg der Urbanisierung zur Folge und den Lebensstandard der Bürger erheblich verbessert.

Da davon in der Kunst aber nur sehr wenig dargestellt wird, möchte Hamid Nii Nortey mit seiner Arbeit "der Welt" eine andere Perspektive auf den glamourösen Lebensstil der Afrikaner vermitteln.

In seinen farbenfrohen, figurativen Gemälden ebnet er den Weg für ein neues Narrativ, das lange Zeit von Vorstellungen von Armut, Krankheit und überholten Stereotypen eines "unterentwickelten Afrikas" geprägt war. Er zeigt den BetrachterInnen ein starkes, vielfältiges Bild der afrikanischen Identität und verändert damit die Wahrnehmung des Kontinents.

Nortey gibt uns einen Einblick in den Lifestyle der Glamourösen, Erfolgreichen und Reichen. Er zeigt sie uns modisch gekleidet in den luxuriösen Innenräumen moderner Architektur. In den beiden Gemälden mit Hunden sehen wir von den Interieurs allerdings nichts: Der Hund ist im Außenraum, im Garten präsent.

 

Some Angels choose fur over wings, 2021 © Hamid Nii Nortey

 

Seine Farbpalette spiegelt nicht nur die Wärme und den Reichtum der ghanaischen Landschaften wider, die Farbe bringt auch die Individualität und Identität der Porträtierten zum Ausdruck.

Diese Porträts sind akribische und spielerische Skizzen, die über ihre dekorative Rolle hinaus eine neue Darstellung des "Spektakels des schwarzen Reichtums", wie Nortey sagt, eine Kreuzschraffur des ghanaischen und afrikanischen Wohlstands zeigen  (Cross Hatching Affluence ist der Titel seiner Ausstellung in der ADA \ contemporary art gallery, 2021).

Nortey überzieht die Körper der Figuren mit seiner charakteristischen Schraffurtechnik:  Eng beieinander liegende parallele und gekreuzte Linien ergeben eine raue, lockere organische Textur, die die visuellen und taktilen Qualitäten der Haut vermittelt. Durch die Farbmodulation erhalten die übereinandergelegten Schichten an Linien eine plastische Wirkung, ganz im Gegensatz zu den flachen ornamentalen Bildelementen. Auch das Fell der Hunde ist stark strukturiert.

 

Some Angels choose fur over wings, 2021 © Hamid Nii Nortey

 

Hamid Nii Nortey (*1987 in Accra/Ghana) gibt einen Einblick in die sich schnell entwickelnde Gesellschaft Ghanas und wirft ein Licht auf die verschiedenen Generationen und sozialen Schichten.

Quellen:

ADA, Christopher Moller Gallery, Creative Boom, Metal, Les Nouveaux Riches

alle Bilder © Hamid Nii Nortey

 

Malerei
24. Januar 2022 - 1:00

Pet cuddle © Daniel Tetteh Nartey

 

Der ghanaische Künstler Daniel Tetteh Nartey stellt seine Figuren in alltäglichen Posen dar. An der Körpersprache und den Haltungen zum Tier kann man die Zuneigung und Nähe ablesen, die Personen selbst zeigen keinen sichtbaren Ausdruck oder eindeutige Emotion. Stattdessen führt er eine Linientechnik ein, die Gesichter wiedergibt und ihr Wesen in einem Zustand der Entwicklung festhält. Die Hunde haben keine Gesichtszüge - spricht Ihnen Daniel Tetteh Nartey Entwicklungspotenzial ab?

Er bezeichnet seine Malerei als abstract pop fusion. Den Figuren gemeinsam ist die blaue Hautfarbe. Die flächig aufgetragenen Bereiche kontrastieren mit einer Vielzahl von Texturen, die er z.B. für Gras oder goldene Socken verwendet.

 

In the midst of comfort, 2021 © Daniel Tetteh Nartey

People and pets © Daniel Tetteh Nartey

 

Daniel Tetteh Nartey (*1991/Ghana) beschreibt seinen künstlerischen Prozess als eine Gelegenheit zur Selbstverwirklichung. Er benutzt die Leinwand als Spiegel, um die eigene Gemütsverfassung (state of mind) zu visualisieren.

Er studierte am Ghanatta College of Art and Design, das Künstler wie Amoako Boafo, Otis Qwaku und Kwesi Botchway hervorbrachte.

Seine letzte Ausstellung fand in der Galerie Christopher Moller statt.

Instagram

alle Bilder © Daniel Tetteh Nartey

 

Malerei
17. Januar 2022 - 11:07

Car wash animals © Ricardo Passaporte

 

Das Werk des portugiesischen Künstlers Ricardo Passaporte wird mit der Pop Art in Verbindung gebracht. In Hinblick auf die Wahl seiner Themen ist diese Einschätzung richtig. Wie Andy Warhol, für den Motive wie Kühe, Dollarnoten, Prominente, Suppendosen etc. bei der Darstellung gleichwertig waren, verwendet auch Passaporte Motive der Werbung und Alltagsästhetik sowie Logos und Tiere in seinen Malereien und Installationen.

Oben sehen Sie ein gespraytes Bild, das in seiner letzten Ausstellung "Car Wash Animals" zu sehen war, bei der er verschiedene Tiere zeigte (Hunde, Papageien, Tiger). Als Vorlage wählte er Bilder aus, die er im Internet, in den Printmedien, in der Werbung und in Geschäften und Vitrinen gefunden hatte; ebenso eignete er sich Details von Straßenansichten auf Google Maps an.

Passaporte arbeitete zunächst als Graffiti-Künstler und wurde durch seine vom Discounter Lidl inspirierte Serie von Gemälden bekannt. (Beispiele zeige ich ganz unten). Er schuf auch Skulpturen und Installationen, die sich mit der Ästhetik und Allgegenwärtigkeit von Unternehmensmarken beschäftigten, von Footlocker über Tesco bis hin zur Westminster Kennel Club Dog Show.

Womit wir auf den Hund gekommen wären. Besser gesagt, auf die "Best In Show"!

Die Besten jeder Rasse bei der letzten Westminster Kennel Club Dog Show zeigte Passaporte 2021 in der Galerie Steve Turner in Los Angeles.

 

Babar, 2020 © Ricardo Passaporte

 

Während die gesprühten Porträts von Rumor, Flynn, King, Babar, Miss P und CJ einen einheitlichen blauen Hintergrund haben, ist jeder Hund eine spezifische, identifizierbare Rasse, eine "Marke", die um Popularität, "Likes" und Marktanteile kämpft. Den Hunden fehlen jedoch die üblichen "niedlichen" Eigenschaften, die mit Rassen und Hundeporträts assoziiert werden. Stattdessen hat Passaporte das Klischee durch eine neutrale Qualität ersetzt, die sowohl den Hund als auch den Betrachter von den erdrückenden Auswirkungen von Marketing, Werbung und Konsumismus befreit. (vgl. Steve Turner, übersetzt mit DeepL)

CJ, 2016 © Ricardo Passaporte

Flynn, 2018 © Ricardo Passaporte

King, 2019 © Ricardo Passaporte

Miss P, 2015 © Ricardo Passaporte

 

Rumor, 2017 © Ricardo Passaporte

 

Passaportes Arbeit hat nicht nur mit der Pop Art und deren Warenästhetik zu tun, sondern - durch die häufige Wahl von Sprühfarben - auch mit der Ästhetik der Graffiti-Künstler. Allerdings betont er, dass es einen Unterschied zwischen der künstlerischen Praxis für Galerien und seinen Graffitis gebe und dass seine Kunst keine Weiterentwicklung oder gar "Verbesserung" seiner Praxis als Graffiti-Künstler sei.

Er sprayt die Farbe aus einer gewissen Entfernung auf, was seinen Arbeiten weiches Aussehen und Unschärfe verleiht. Außerdem führt der Abstand zur Leinwand zu einer Unkontrollierbarkeit im Entstehungsprozess, woraus sich unbeabsichtigte Fehler ergeben: Der Raum für Zufall und Überraschung öffnet sich.

 

Best In Show. Installation view, Steve Turner, 2021

Best In Show. Installation view, Steve Turner, 2021

 

Mit der Tiermalerei begonnen hat Passaporte bereits 2020. Auf Mallorca fand seine Ausstellung mit dem wunderbaren Titel "If dogs don’t go to heaven, I want to go where they go", statt.

 

Untitled, 2020 © Ricardo Passaporte

Untitled, 2020 © Ricardo Passaporte

Super cute dog, 2020 © Ricardo Passaporte

6 50 pm, 2020 © Ricardo Passaporte

Good dog, 2020 © Ricardo Passaporte

Two baby poodles, 2020 © Ricardo Passaporte

 

Wie man unschwer an all seinen Arbeiten erkennen kann, ist für Ricardo nicht Brillanz, sondern unbeholfene Darstellung, das weitgehende Fehlen eines "guten" Geschmacks oder der akademischen Gebote von Perspektive und Komposition wesentlich. Er will bei der Kunstproduktion vielmehr Emotionen auf unmittelbare und reine Weise ausdrücken. Deshalb ist er auch von Dingen fasziniert, die auf unprätentiöse Weise entstanden sind wie naive Graffitis oder Kinderzeichnungen. Sein Ziel ist es, vollkommen frei zu malen/sprayen und dem Ergebnis unbekümmert gegenüberzustehen.

Er verwendet verschiedene Medien und Techniken, um zu seinen "naiven" Ergebnissen zu kommen. Seine künstlerische Sprache und Ästhetik sind die Folge eines sehr persönlichen und intimen Prozesses. Seine scheinbare Lockerheit ist darauf zurückzuführen, dass er sich zur Spontaneität zwingt und Raum für Fehler zulässt.

Group of dogs, 2020 © Ricardo Passaporte

Group of dogs, 2020 © Ricardo Passaporte

Poodle with blue background, 2019 © Ricardo Passaporte

Poodle with red background, 2020 © Ricardo Passaporte

 

Mit den Arbeiten zu Lidl wurde Ricardo Passaporte 2016 bekannt. Er setzte sich intensiv mit der Geschichte des Pop auseinander und unterstrich die sich entwickelnde Beziehung zwischen Kunst und Kommerz. Indem er sich diese Logos aneignete, sie abstrahierte und zu seiner persönlichen Sprache machte, unterbrach Passaporte die Beziehung zwischen Marke und Verbraucher.

 

Ausstellungsansicht Galeria Alegria, 2016
Ausstellungsansicht Galeria Alegria, 2016

Ausstellungsansicht Galeria Alegria, 2016

Ausstellungsansicht Ruttkowski;68, 2018
Ausstellungsansicht Ruttkowski;68, 2018

Ausstellungsansicht Ruttkowski;68, 2018

 

Ricardo Passaporte (*1987 in Lissabon/Portugal) lebt und arbeitet in Lissabon.

 

Installation, Malerei, Skulptur
6. Januar 2022 - 11:14

His Master's Virus, 30x50cm, 2021 © Chantalle Demierre

 

Kommt Ihnen das Bild auch surreal vor ? Was kann es bedeuten? Die Hunde stehen wie vor einer Kulisse oder einem Bühnenbild; einer der beiden steckt seine Schnauze in eine Art schwebenden Doppeltrichter!

Unten kommen schon realere Versuche: Tierversuche?

 

His Master's Virus, 30x50cm, 2021 © Chantalle Demierre

Coronadog, 75x90cm, 2020 © Chantalle Demierre

His Master's Virus, 30x50cm, 2021 © Chantalle Demierre

 

Ausnützung des Spieltriebs! Coronaspürhunde stecken ihre Schnauzen in Trichter, in denen sich Stoffstückchen mit dem Schweiß der Testpersonen befindet. Zuvor wurden sie darauf trainiert, Corona anhand des menschlichen Geruchs festzustellen.

 

Trainiert werden die Hunde ähnlich wie für die Suche nach Drogen oder Vermissten: Man präsentiert ihnen zuerst den Geruch, den sie sich merken sollen. Später sollen sie ihn wiedererkennen. Gelingt das, werden sie belohnt. Im Falle der Virensuche laufen sie an einer Apparatur mit negativen und positiven Proben entlang und schnüffeln sie nacheinander ab. Sobald sie den gesuchten Duft identifizieren, setzen sie sich hin. Bei einem Treffer gibt es eine Belohnung.
(zit. n. ZEITonline, Seite 1)

 

Die Trainingsapparatur hat die Künstlerin in kalten Farben und sehr steril und artifiziell anmutend widergegeben. Vorlagen dazu fand sie in analogen und digitalen Medien und auf YouTube.

 

Trackingdog, 130x165cm, 2020 © Chantalle Demierre

 

Das Interesse der Künstlerin an Hunden und Wölfen hält seit vielen Jahren unverändert an, wenngleich sie auch vermutet, dass sie als Künstlerin weniger ernst genommen wird, weil sie sowohl gegenständlich als auch Tiere malt.

Da Chantale Demierre zurzeit ohne eigenen Hund lebt, borgt sie sich manchmal den braunweißen Mischling eines Freundes aus, der früher als mazedonischer Straßenhund lebte. "Arbeitslos" schläft er eingerollt.

 

Schlafender Hund, 40x40cm, 2020 © Chantalle Demierre

 

Die Bieler Künstlerin nimmt zurzeit an der "Cantonale Berne Jura" (2021/22) teil, einem Zusammenschluss von zehn Ausstellungsinstitutionen, die das Kunstschaffen der Kantone Bern und Jura in einer gemeinsamen Jahresausstellung  präsentieren. Ihre Arbeiten sind im Kunsthaus Interlaken und in der Kunsthalle Bern zu sehen.

Chantale Demierre (*1982 in Biel/Schweiz) hat von 2003-2006 an der Hochschule der Künste Bern Kunst studiert und 2013-2015 ihren Master an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel gemacht. Sie lebt und arbeitet in Nidau.

Quellen zu den Coronaspürhunden: FAZ, ZEITonline, Deutsche Apotheker Zeitung

alle Bilder © Chantale Demierre

 

Ausstellung, Malerei
3. Januar 2022 - 10:44

Wie reagiert ein Hund, wenn ein neuer in das Rudel kommt, der vielleicht nicht die gleiche "Sprache" spricht wie die etablierte Gruppe? Die Rudelmentalität kann zu Angst oder Aggression führen, wenn der Hund auf Unterschiede trifft.

 

Imposter, 2013 © Helen Cann
"Imposter", lackiertes Acryl und Tinte auf MDF

 

Die in Brighton lebende Malerin und Illustratorin Helen Cann interessiert sich für dieses Verhalten und hat es in "Imposter" charmant umgesetzt.

Ich habe dieses "Doppelporträt" zufällig im Internet gefunden und der in das Quadrat gepresste Terrier hat mich sofort für sich eingenommen. Im Hintergrund raufen gemalte Hundeumrisse. Wer ist der "Imposter" (der Betrüger, Schwindler, Hochstapler)? Der gefaltete Papierhund der Gattung Origami?

Es ist das einzige Hundebild der Künstlerin, die aber eine Affinität zu Hunden haben dürfte, da sie dieses Werk 2013 bei einer Charity-Ausstellung für Streunerhunde ausgestellt hat.

Ich besitze sogar ein Buch von der Künstlerin, wie ich bei meinen Recherchen bemerkt habe, nämlich "Maps!" (Haupt Verlag 2017). In ihrer Tätigkeit als Illustratorin ist sie auf handgezeichnete Karten spezialisiert. Helen Cann gibt regelmäßig Workshops zum Gestalten von Plänen, Karten und Skizzen in Galerien und Museen.

Imposter © Helen Cann

 

Malerei
25. November 2021 - 10:19

Drei Mädchen beugen sich zu einem Hund, der sie freudig begrüßt und an einer der jungen Frauen hochspringt. Ein Mädchen umfasst den Hund mit manieriert gedehnten Armen.

 

Adolf de Haer, Drei Mädchen mit Hund, um 1919 © Adolf de Haer
Adolf de Haer, Drei Mädchen mit Hund, um 1919

 

Das Bild vereint Merkmale des Kubismus und Expressionismus. Expressiv ist die Farbgestaltung, die durch den Komplementärkontrast (gelb-blau) bestimmt wird. Die gelbgrüne Hautfarbe der Mädchen ist lichtdurchflutet, ihr Haar glänzt blau. Kubistisch ist die Zerlegung der Körper und Kleidung in kristalline Dreiecksformen. Der Hintergrund geht in eine flächige rhythmische abstrakte Komposition über. Vieles ähnelt dabei dem Werk der Expressionisten Franz Marc und Ernst Ludwig Kirchner, den Kompositionen Lyonel Feinigers oder erinnert an den Futurismus.

 

Meine Erlebnisse und Visionen suchte ich in ein tektonisches Bildprinzip zu bannen. Mit den primitivsten (geometrischen) Formen baute ich meine Bilder. (Adolf de Haer zit.n.hier)

 

Adolf de Haer, Drei Mädchen mit Hund, Detail, um 1919 © Adolf de Haer
 

Adolf de Haers (*1892 in Düsseldorf/D, gest. 1944 bei Osnabrück/D) bedeutendste Werke datieren zwischen 1919 und 1921, in der Zeit entstanden auch seine großartigen kubistisch-expressiven Holzschnitte, Radierungen und Lithografien. In den nächsten zwei Jahrzehnten nimmt er eine Entwicklung von der Abstraktion zur Gegenständlichkeit. Nach Expressionismus und impressionistischen Tendenzen arbeitet er in einem immer schlichter werdenden Naturalismus der weiblichen Akte und Blumenstillleben. Dieses Spätwerk macht verständlich, warum er als Künstler der zweiten Reihe in Vergessenheit geriet.

Obwohl de Haer schon Mitte der zwanziger Jahre die kubistisch-expressionistische Abstraktion aufgegeben hatte, wird das frühe Werk Adolf de Haers 1937 aus dem Kunstmuseum Düsseldorf von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und als entartet eingestuft. Vielleicht erklärt sich auch dadurch seine späte Hinwendung zu einer sehr gefälligen, konventionellen Malerei: Der Schock der Verfemung von 1937 war möglicherweise zu stark.

Seine "Drei Mädchen mit Hund" sind vom 19. September 2021 bis 23. Januar 2022 im Sauerland-Museum in der Ausstellung "Im Westen viel Neues: Facetten des rheinisch-westfälischen Expressionismus" zu sehen.

Die Ausstellung rückt die vielfältigen Facetten des Expressionismus im Rheinland und in Westfalen in den Mittelpunkt und beleuchtet damit den Westen als ein wichtiges künstlerisches Zentrum neben Berlin und München. Eine neue Generation von Kunstschaffenden empfindet Formzertrümmerungen und leuchtende Farben als passende Ausdrucksmittel für die existentiellen Erfahrungen und Wirren der Zeit.

Unten sehen Sie das Ausstellungsplakat. Aus Sicht der Hundefreunde und -liebhaberinnen gänzlich misslungen, fehlt doch der Hund! Unklar ist nun, worauf die jungen Mädchen blicken, Aussage und Sinn des Werks sind unter der Typografie verloren gegangen.

 

Ausstellungsplakat
Plakat von hier
 

 

Ausstellung, Malerei
6. Juni 2021 - 9:28

Aus unerfindlichen Gründen habe ich auf Facebook eine Gruppe "Masculinity in male portraits" vorgeschlagen bekommen, wo dieses interessante Porträt "Hans und George" vom australischen Künstler Robert Hannaford gepostet wurde.

 

Hans und George © Robert Hannaford

 

Interessant deshalb, weil der Hund von hinten zu sehen ist, was ich wirklich ungewöhnlich finde. Zweifellos wäre es dem geübten Porträtisten möglich gewesen, den Hund auch von vorne zu erfassen.

Schauen Sie den Hund auf dem unteren Gemälde "Bill" an: Dieser Blick! Welch weichen, melancholischen, sensiblen, gar sprechenden Ausdruck er hat; ganz im Gegensatz zu seinem Halter, einem Jackaroo mit eher martialischer Miene und harten Zügen. Sie werden mir sicher zustimmen, dass die Darstellung des Hundes den Cowboy in den Schatten stellt.

Peter Jacobsen beschreibt auf The Varnished Culture Hannafords Arbeitsprozess:

 

“Whereas many work from photographs, he demands that you sit. And sit. And sit. He props you on a little stage he constructs (he’s a far better painter than carpenter), sticks his easel beside you, spreads out a drop sheet, kicks off his shoes, stands back five yards, stares at you intently – and charges. Literally. He makes a brushstroke, just one, and retreats…And this goes on and on for days.” (zit. n. The Weekend Australian Magazine, June 2016)

"Während viele nach Fotos arbeiten, verlangt er, dass man sitzt. Und sitzen. Und sitzen. Er stellt Sie auf eine kleine Bühne, die er selbst gebaut hat (er ist ein viel besserer Maler als Schreiner), stellt seine Staffelei neben Sie, breitet ein Bettlaken aus, zieht seine Schuhe aus, tritt fünf Meter zurück, starrt Sie aufmerksam an - und stürmt los. Buchstäblich. Er macht einen Pinselstrich, nur einen, und zieht sich zurück... Und das geht tagelang so weiter."

 

Wenn ich davon ausgehe, dass die Rückenansicht des Hundes nicht darin begründet ist, dass er von vorne nicht ruhig sitzen und sitzen und sitzen wollte, hat sie vielleicht einen formalen, in der Komposition liegenden Grund: Der Rücken des Hundes bildet eine formidable Parallele zum Bein von Hans. Und Bills Hund hat vor dem Hocker keinen Platz.

Beide Porträtierten sehen uns direkt und frontal an. Sie sind nicht in ihrer Beziehung zum Tier dargestellt, es gibt weder Blickkontakt noch Berührung. Die Hunde sind bloß weitere Elemente, die den Dargestellten näher charakterisieren, ebenso wie Hans´ Stock und Schiebermütze oder Bills Zigarette und Cowboyhut.

Mir gefällt das intensive und ergreifende Porträt des alten Hans, der in all seiner Unvollkommenheit, mit eingefallenen Wangen und Mund, dargestellt wird. Das satte Grün des Pullovers und das Blau der Hose unterbrechen die Monochromie der braunen Ödnis und verleihen seinem Träger etwas Modernes und Zeitgenössisches.

 

Bill © Robert Hannaford

 

Robert Hannaford malt Stillleben, Landschaften, aber vor allem Porträts und Selbstporträts. Letztere erinnern mich von der Bildauffassung und dem Blickwinkel stark an Lucian Freud. Die Porträts sind einer naturalistischen Tradition verpflichtet, er stellt bewusst die Repräsentation über die Abstraktion. Dabei arbeitet er nach dem Modell und nicht nach Fotos, mit dem Ziel das Wesen seiner Subjekte einzufangen. Für ihn ist der Prozess des Porträtierens eine Erforschung das Charakters, der über die Fotografie hinausgeht. Durch das Modellstehen über einen langen Zeitraum hinweg erhält der Künstler Einblick in verschiedene Emotionen der Porträtierten, die im Gemälde spürbar werden.

Als einer der bedeutendsten Porträtkünstler Australiens, hat er bereits Hunderte von Porträts gemalt. Dabei genießt er einerseits die Disziplin, die ihm ein Auftrag auferlegt, ist aber andererseits auch offen für die Ideen seiner AuftraggeberInnen, hinsichtlich darauf, wie sie dargestellt werden möchten. Deren Ideen führen ihn oft zu neuen Sichtweisen und Kompositionen.

Robert Hannaford (*1944 in Riverton/Australien) wuchs im ländlichen Südaustralien auf, arbeitete als politischer Karikaturist beim 'Adelaide Advertiser', ab Ende der 1960er Jahre wendet er sich als Autodidakt ganz der Malerei und Skulptur zu. Nach Jahren in Melbourne, Adelaide und Sydney lebt und arbeitet er heute mit seiner Frau, der Künstlerin Alison Mitchell, wieder in der Nähe von Riverton.

alle Bilder © Robert Hannaford

 

Malerei