Video

2. Oktober 2012 - 8:11

Hugo Fortes, Vigia 1

Hugo Fortes, Vigia 2

Hugo Fortes, Vigia 3

 

Ein Hund kämpft gegen den Schlaf und bemerkt doch alles, was um ihn herum vorgeht. Schließlich schläft er ein und träumt. Das ist der Inhalt eines Videos, das in nur einer Einstellung und in Realzeit aufgenommen wurde. Der Betrachter ist aufgefordert kleinste Veränderungen wahrzunehmen, die im täglichen Leben unbemerkt bleiben.

Das Video "Vigia" stammt vom Brasilianer Hugo Fortes und dem Dackel Brioche. Fortes - er ist bildender Künstler, Kurator, Designer und Professor an der Universität von São Paulo - war von 2004 bis 2006 im Rahmen eines akademischen Austauschprogramms in Berlin. Sein Video gehört zu den wenigen Werken, in dem ein Hund auch als (künstlerisch schaffendes) Subjekt angenommen wird und nicht Objekt der Darstellung bleibt.

Es wurde 2009 bei der Ausstellung "Tier-Perspektiven" im Georg-Kolbe-Museum in Berlin gezeigt. Die Ausstellung beschäftigte sich mit dem Phänomen des tierischen Standpunkts. Die teilnehmenden Künstler und Künstlerinnen versuchten die Betrachter mit einem spezifischen Tierindividuum und dessen Blick zu konfrontieren.

Jessica Ullrich, eine der Kuratorinnen, äußerte sich in einem Gespräch mit Dorota Lagodzka über "Vigia":

[...] Auch das völlig unspektakuläre Video des brasilianischen Künstler Hugo Fortes, das seinem verstorbenem Dackel Brioche quasi ein Denkmal setzt gefällt mir sehr, weil es die Hündin nicht als Symbol oder Metapher approrieert, sondern die uns verschlossen bleibende, individuelle, animalisch Perspektive fokussiert und damit die Absolutheit des anthropozentrischen Blicks hinterfragt. Im Video sieht man im Grunde über 25 Minuten in einer einzigen Kameraeinstellung nichts anderes als das Gesicht eines gegen den Schlaf kämpfenden Dackels. Durch die Bezeichnung der Arbeit "Hundeperformance von Brioche" wird darüber hinaus die Ko-Autorschaft des Hundes anerkannt.

2011 wurde das Video abermals bei der internationalen Konferenz "Animals and Aesthetics“ an der Universität der Künste Berlin gezeigt.

Ich glaube das Video noch vor ein paar Monaten im Internet gesehen zu haben, jetzt finde ich allerdings nur mehr die drei Standbilder auf Fortes' Homepage. Der Dackel alleine schaut und schläft so allerliebst, dass ich ihn Ihnen nicht vorenthalten will.

Website von Hugo Fortes

 

Video
24. August 2012 - 10:30

Ich habe mich mit der Dogumenta äh Documenta 13 nicht besonders beschäftigt, es vielmehr immer aufgeschoben, ist es doch ein riesieger Brocken sich das aus der Ferne im Feuilleton anzulesen: Hunde und Kunst, Hunde als Kunstrezipienten, als Besucher und so fort... Aber das konnte Wolf Kahlen, der deutsche Pionier der Videokunst, schon 1977 ohne weiteres toppen!

Zuerst stieß ich auf die Beschreibung des Werks, die schon für sich genommen amüsant zu lesen war:

 

(...) Nicht so wie Kahlen's andere Einzelausstellung HUNDE-TERRITORIUM im Jahr 1977 in der Galerie Repassage in Warschau, zu der nur Hunde geladen waren (die acht verschiedene Geruchswahrnehmungen als unsichtbare 'Geruchsskulpturen“ im für den Besucher uneinsichtigen Raum begeisterten) und deren Herrchen in einem Warteraum per Videoüberwachung das Verhalten ihrer 'Kinder' nur auf dem Live-Monitor unter dem Tisch auf den Knieen beobachten konnten: Die Galerie wurde danach geschlossen und der Galerist musste daraufhin das Land, wie er sich schon immer gewünscht hatte, verlassen. Wer mehr wissen will, siehe Katalog: Wolf Kahlen: Foto, Video, Performances, Kunstverein Freiburg/Br., 1978 etc.  (Text von der Mailing-Liste Rohrpost 2001)

 

Dann stieß ich auf die Erwähnung des Werks in Jessica Ullrichs "Die gewalttätige Bildwerdung des Animalischen. Tiere als Medien von Gewalt" in kunsttexte.de von 2004 (S 9f)

 

Wolf Kahlen hingegen schuf 1990 mit "Hunde-Territorium" eine ganze Kunstausstellung für Hunde, die für den menschlichen Besucher ganz und gar sinnlos war. (...) Kahlens nur für Hunde konstituierter Raum hingegen war bis auf eine kleine Öffnung, durch die nur Hunde passten, zur Menschenwelt ganz und gar abgeschlossen. Drinnen waren in Form von Duftmarken "Geruchsskulpturen" installiert. Über eine Kamera konnte der Hundebesitzer zwar beobachten, wie sein Haustier völlig absorbiert von den aufregenden Sinneseindrücken den Raum ablief, blieb aber von dessen innerm Erleben vollkommen ausgeschlossen. So versinnbildlicht diese Arbeit die absolute Trennung der Welt der Menschen und der Tiere.

 

Ullrich gibt als Jahreszahl der Performance 1990 an, anscheinend wurde sie bei der Ausstellung "Animalia - Stellvertreter" im Haus am Waldsee/Berlin erneut aufgeführt.

 

Erst nach langem Suchen habe ich eine Abbildung in Kahlens Werkverzeichnis (Video Tapes 1969-2010) gefunden. Das Werk hat übrigens die Nummer 40: in Kahlens Schreibweise AAvAA # 40 (Alle Arbeiten von Anfang An).

 

 

aus Wolf Kahlen, Videotapes

 

Mir fällt zum Ausstellen von vermeintlicher Leere auch Yves Klein ein, der Im April 1958 in einer Galerie seine Sensibilität ausgestellt hat. Laut Wikipedia kamen damals 3000 Besucher, die in den Ausstellungsräumen seine Sensibilität suchten oder vorfanden. Wahrscheinlich zeigen beide Veranstaltungen die Grenzen der menschlichen Wahrnehmung auf. Wenn Kahlen wirklich Duftmarken gelegt hat, waren diese Geruchsskulpturen für Hunde durchaus erfahrbar, während die menschlichen Beobachter nur Leere wahrnahmen.

Das Wolf Kahlen Museum - Intermedia Arts Museum, 2005 in Bernau eröffnet, ist dem Lebenswerk des Medienpioniers Wolf Kahlen gewidmet. Dort sind auch Zeichnungen zum "Hunde-Territorium", Warschau 1977, ausgestellt.

2010 fand eine umfassende Retrospektive seines Werks im ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe statt.

 

Installation, Performance, Video
3. August 2012 - 10:40

Zu meinen liebsten täglichen Tätigkeiten gehört das Abrufen meiner Feeds. Ganz besonders neugierig bin ich immer auf Moira's Dog Art Today Blogbeiträge. Ihr letztes Posting beschäftigte sich mit Kitsch und wie Kitsch in der Kunst und der Kunst mit Hunden immer ernster genommen und teurer gehandelt wird - ich sage nur Jeff Koons! Sie stellt ein herzerwärmend kitschiges Musikvideo von den wahren Hundefreunden Real Estate: It's real vor. Die beste Gelegenheit also, mich mit einem Musikvideo zu revanchieren, das ich schon länger in petto habe. Der Tipp dazu kam von der Katzen- und Petrafreundin Michaela Reichel.

Ganz wohl ist mir aber nicht dabei, weil ich nicht weiß, wie die Hunde trainiert wurden. Ich hoffe, ohne Stress und mit viel Leckerlis. Im Abspann des Videos wird auf Tierschutz und Tierrettung aufmerksam gemacht, deshalb will ich nur das Beste annehmen.

Hier also: OK Go's White Knuckles

 

 

Im Video kommen viele Kübel vor und immer, wenn ich einen Kübel sehe, muss ich an Erwin Wurms One Minute Sculptures denken. Uff, ich hoffe damit ist der Kunstbezug geschafft.

 

Musik, Video
6. April 2012 - 9:26

Zur Zeit ist in Wien der Film "Shame" des britischen Regisseurs Steve McQueen zu sehen. Nun, er interessiert mich thematisch nicht wirklich (Das Leben eines jungen sexsüchtigen New Yorkers gerät durch den Besuch seiner Schwester durcheinander). Allerdings ist dergleiche Steve McQueen auch für ein paar wunderschöne, poetische Filmaufnahmen von Hunden verantwortlich, die ich Ihnen unten als Filmstills zeige.

 

Zufällig war gestern im TV auf Arte Steve McQueens Film "Hunger" (2008) zu sehen, ein Film über das IRA-Mitglied Bobby Sands, das 1981 während eines Hungerstreiks im Gefängnis starb. Spätestens mit diesem Film wurde Steve McQueen einem breiteren Publikum bekannt. Ursprünglich begann er als bildender Künstler, 1999 erhielt er für seine Fotografien und Installationen den Turner Prize.

2009 vertrat Steve McQueen Großbritannien bei der Biennale in Venedig mit dem Film „Giardini“. Er drehte den melancholischen, winterlichen Film in der städtischen Gartenanlage um die 30 Biennale-Pavillions. Zu einer Zeit in der die Pavillions geschlossen und verwaist und die Wege und Wiesen vermüllt sind. Die Giardini werden in ihrer Alltäglichkeit gezeigt, die aber auch typisch für Venedig ist. Steve McQueen sagte dazu bei der Eröffnung der Biennale: „Turner does not own sunsets, and he doesn't own Venetian sunsets."

 

Steve McQueen, Giardini, 2009

Steve McQueen, Giardini, 2009

 

Die Schönheit des Films liegt in der Vorstellung und Darstellung dessen, dass es eine Wirklichkeit neben der Biennale gibt, in der das eigentliche Leben stattfindet: Der Film handelt von sonst kaum beachteten Dingen: Käfern, Würmern, zwei Männern, die sich in der Nacht treffen, nicht zuletzt von streunenden Windhunden, die wie ein Leitmotiv durch den Film streifen. Hunde und Katzen werden gefüttert und dem Tod entrissen: "They are racing greyhounds that would otherwise be shot but are looked after by a charity", sagte McQueen. „The point is that they ought to be dead – and are thus a kind of ghostly presence“.

 

Steve McQueen, Installation mit Filmstills
Foto Prudence Cuming 
© The British Council
Courtesy Marian Goodman Gallery, New York and Paris; Thomas Dane Gallery, London

 

"Giardini": Ein Film über Beobachten und Hinhören, der in zwei Projektionen nebeneinander gezeigt wurde, die sich visuell und poetisch ergänzten.

 

Mehr von Steve McQueens Arbeit: Thomas Dane Gallery, Marian Goodman Gallery, Biennale-Seite des British Council.

Die Zitate stammen von der Biennale-Berichterstattung des Guardian.

 

Nachdem ich den Blogbeitrag fertig geschrieben hatte, kam ich noch auf die Idee, auf youtube nach dem Fim zu suchen. Naiv wie ich diesbezüglich anscheinend bin, habe ich mir vorgestellt, Steve McQueen sei mit seiner Kamera im Gebüsch auf der Lauer gelegen, um die scheuen Streunerhunde nicht zu verschrecken und habe - einem heimlichen Beobachter gleich - die Aufnahmen gemacht. Auf youtube fand ich dann einen Beitrag, der, obwohl ich nicht Italienisch kann, anscheinend so etwas wie das "Making of" von "Giardini" ist. Die gecasteten Hunde werden mit dem Boot zu den Gärten gebracht, ihre edlen Halsbänder werden abgenommen und die Hundemäntel ausgezogen...

 

 

 

Film, Installation, Video
7. März 2012 - 16:14

Martin Creed, Work 748

Martin Creed, Work 1094

Martin Creed, Work No. 1095

 

Was wie ein kleines Musikvideo daherkommt, ist ein ausgewachsenes Stück Kunst. Kommt es doch vom Konzeptkünstler Martin Creed, der beides ist - bildender Künstler und Bandleader - und der beides gleich wichtig und ernst nimmt.

 

 

Sparky, ein Chihuahua, und Orson, ein irischer Wolfshund, repräsentieren im Video Thinking und Not Thinking. In einem Interview vergleicht Creed das Denken mit dem Versuch wichtig zu sein, was zu dem kleinen Sparky passt, und das Nicht-Denken mit dem eher ungeschickten Orson. Die beiden kommen ins Bild und verlassen das Bild, ganz so wie es der Liedtext und der eingängige Beat vorgeben.

Creed stieß in Los Angeles zufällig auf die Hunde und fand, dass sie wie ein Ready-made, wie eine Skulptur aussahen. Da Creed immer wieder mit Gegensätzen gearbeitet hatte (Licht an/aus, schwarz/weiß ...) und die Hunde größenmäßig an den beiden Enden der Rasseskala standen, nahm er Filmmaterial mit ihnen auf. Erst als er den Song hatte, fügte er Lied und Film zusammen und fertigte dieses stimmige Werk.

 

Martin Creed, Cover, 2011

 

 

Martin Creed, Inlay, 2011

 

 

Der in Glasgow aufgewachsene Künstler verwendet eine Vielzahl von Medien für seine Kunst: Malerei, Film, Video, Skulptur, Installation usw. Seit 1987 nummeriert er seine Kunstwerke, Thinking/Not Thinking ist Nummer 1090. 2001 gewann er - nicht unumstritten - den Turner-Preis mit einer sehr minimalistischen Idee: Das Licht in einem leeren Raum geht an und aus. Seine gesamte Kunst ist im minimalistischen und konzeptuellen Bereich angesiedelt und als Kunst schwer verständlich. Für viele Kritiker thematisiert Creed das Lächerliche in der zeitgenössischen Kunst, für andere zeigt er den lächerlichen Zustand, den die zeitgenössische Kunst erreicht hat. Sein Werk Nummer 88 z.B. ist ein zum Ball zerknülltes A4 Blatt (natürlich "künstlerisch" zusammengeknüllt und in einer von Creed selbst entworfenen Verpackung in geschredderten Papierstreifen aufgehoben).

 

Martin Creed, Work No. 88, A sheet of A4 paper crumpled into a ball, 1995

Martin Creed, Work No. 88, A sheet of A4 paper crumpled into a ball, 1995
Martin Creed: Work No. 88,
A sheet of A4 paper crumpled into a ball, 1995

 

Sparky, der kleine Hund ist inzwischen tot. Orson setzte sich auf ihn und brach ihm ein Bein. Bei der Operation kam es zu Komplikationen. Seit ich das gelesen habe, kann ich mir das Video nicht mehr unbeschwert anschauen. Musste hier ein Hund sterben, weil ein Mensch mit einem skurrilen Hundepärchen leben wollte?

 

Die CD & DVD können Sie (ebenso wie das zerknüllte Papier) im Online-Shop auf Martin Creeds Homepage erwerben.

 

alle Bilder © Martin Creed

 

 

Fotografie, Film, Musik, Video