Ausstellung

25. Februar 2022 - 11:44

Sleeping Child with Dog in a Landscape, 2021 © Sula Rubens
Sleeping Child with Dog in a Landscape, 2021, Wilderness and Civilization
(Homage to "Satyr mourning a Nymph" by Piero di Cosimo in the National Gallery, London

 

Ein Flüchtlingskind schläft an einem Seeufer, hält sein Stofftier schützend im Arm und ist von ornamentalen Tüchern bedeckt. Für die Künstlerin ist ein schlafendes Kind in der Natur unter freiem Himmel gleichbedeutend mit Wildnis. Erst durch die wärmende Decke und den treuen wachenden Hund entsteht Zivilisation. (vgl. Homepage der Künstlerin)

Das Gemälde gehört thematisch zu einer Serie mit dem Arbeitstitel "Kin" (Kinship = Verwandtschaft), an dem Sula Rubens seit fünf Jahren arbeitet. Sie handelt von der aktuellen Vertreibung vieler Menschen und der Traurigkeit, von seinem eigenen Land, seiner früheren Sicherheit und seiner Zivilisation entfernt zu sein. Obwohl es in den Arbeiten keinen direkten Bezug zur Vertreibung und zum Leid der Flüchtlinge gibt, sind einige der porträtierten Menschen Vertriebene, die um ihr Überleben und den Schutz ihrer Verwandten kämpfen. Sie porträtiert sie im Freien, verletzlich gegenüber dem Meer und dem Himmel und manchmal mit Bergen in der Ferne, die ein Gefühl für die fernen Länder vermitteln, aus denen sie gekommen sein könnten. (vgl. Chappel Galleries)

Inspiriert wurde sie von Piero di Cosimos Bild: "A Satyr mourning over a Nymph" von 1495.

 

Piero di Cosimo, A Satyr mourning over a Nymph, 1495, Nationalgalerie London
Piero di Cosimo, A Satyr mourning over a Nymph, 1495, Nationalgalerie London

 

Eine Nymphe - ein mythologischer Naturgeist, den man sich als junge Frau vorstellt - liegt auf einer Grasfläche im Vordergrund, das Blut strömt aus Wunden an Hals und Hand. Ein Satyr, halb Mensch und halb Ziege, kniet neben ihr, streichelt ihr zärtlich über die Stirn und beklagt ihren Tod. Zu ihren Füßen sitzt ein großer Hund, der formal und gegengleich die gebeugte Gestalt des Satyrs aufnimmt und ebenfalls zu trauern scheint, denn er blickt aufmerksam auf das tote Mädchen. Er ist dem mythischen Protagonisten als eigenständige und wichtige Figur gleichgestellt. Sein Anblick rührt zutiefst. Cosimos elegisches Gemälde ist eine ins Visuelle übersetzte Nänie, eine Totenklage.

Das Gemälde stellt vermutlich eine Episode aus den "Metamorphosen" des Ovid dar. In diesem Fall wäre die schöne Nymphe Procris, die versehentlich von ihrem Mann Cephalus getötet wurde. In einer Bearbeitung der Metamorphosen aus dem fünfzehnten Jahrhundert - dem um 1480 geschriebenen Theaterstück Fabula di Cephalo - wurde der Satyr hinzugefügt, der bei Ovid nicht erwähnt wird. Möglicherweise hat Piero di Cosimo dieses Stück als Quelle verwendet und nicht Ovids Original.

Die Abmessungen des Gemäldes lassen vermuten, dass es Teil eines Möbelstücks oder in eine Holzvertäfelung eingefügt war. Piero di Cosimo spezialisierte sich auf die Herstellung solcher Gemälde, die als Spalliere bekannt sind.

 

 

Sula Rubens in ihrem Atelier

 

Sula Rubens hat 1989 die Central/St. Martin's School of Art abgeschlossen und ist seither als Malerin und Grafikerin tätig. Sie hat in zahlreichen Städten gelebt, gearbeitet und ausgestellt und viele Gegenden bereist. Sie wurde vielfach ausgezeichnet und ihr Werk ist in Sammlungen im In- und Ausland vertreten.

Bis zum 27. Februar 2022 ist ihre Ausstellung "Kinship" in den Chappel Galleries, in Chappel/Essex/UK zu sehen.

Der Tipp zu diesem Blogbeitrag kam von Bettina Reiter, einer langjährigen Leserin meines Blogs. Vielen Dank dafür!

 

21. Februar 2022 - 11:12

Erst vor wenigen Wochen habe ich Ihnen den ghanaischen Künstler Hamid Nii Nortey vorgestellt. Der Zufall will es, dass am 14. Februar 2022 in der Wiener Galerie Kandlhofer seine erste europäische Einzelausstellung "Faith in Strangers" gezeigt wird.

Im ersten Post über Nortey ging es um die beträchtlichen Veränderungen in Accra, der Hauptstadt von Ghana, und um Norteys Darstellung der oberen Mittelschicht in ihren urbanen Häusern, Interieurs und Gärten.

Sein neuestes Werk befasst sich mit den vielfältigen sozio-politischen Verwicklungen der Migration, die von historischen Bezügen über Auswanderung bis hin zu politischer Verfolgung reichen.

Die Ausstellung "Faith in Strangers" ist in zwei Abschnitte gegliedert, wobei sich der erste auf historische und zeitgenössische Aspekte der afrikanischen und afroamerikanischen Migration konzentriert. So beschreibt die Great Migration die Bewegung von sechs Millionen Afroamerikanern aus den ländlichen Gebieten der Südstaaten in die städtischen Gebiete der Nordstaaten zwischen 1916 und 1970. Die Flüchtenden wollten der rassistischen Gewalt entkommen und wirtschaftliche und bildungsbezogene Chancen im Norden wahrnehmen. Der Hund kam natürlich mit!

 

The Great Migration 1, 2021 © Hamid Nii Nortey, Foto Galerie Kandlhofer

The Great Migration 2, 2021 © Hamid Nii Nortey, Foto Galerie Kandlhofer

 

Der zweite Abschnitt konzentriert sich auf die Gegenüberstellung von erzwungener Migration und Freizeitreisen, um die erheblichen Unterschiede zwischen der westlichen Wahrnehmung und der afrikanischen Realität aufzuzeigen.  (vgl. Pressetext der Galerie Kandlhofer)

Die Ausstellung in der Galerie Kandlhofer ist noch bis zum 19. März 2022 zu sehen.

Bilder © Hamid Nii Nortey, Fotos Galerie Kandlhofer

 

Ausstellung, Malerei
6. Januar 2022 - 11:14

His Master's Virus, 30x50cm, 2021 © Chantalle Demierre

 

Kommt Ihnen das Bild auch surreal vor ? Was kann es bedeuten? Die Hunde stehen wie vor einer Kulisse oder einem Bühnenbild; einer der beiden steckt seine Schnauze in eine Art schwebenden Doppeltrichter!

Unten kommen schon realere Versuche: Tierversuche?

 

His Master's Virus, 30x50cm, 2021 © Chantalle Demierre

Coronadog, 75x90cm, 2020 © Chantalle Demierre

His Master's Virus, 30x50cm, 2021 © Chantalle Demierre

 

Ausnützung des Spieltriebs! Coronaspürhunde stecken ihre Schnauzen in Trichter, in denen sich Stoffstückchen mit dem Schweiß der Testpersonen befindet. Zuvor wurden sie darauf trainiert, Corona anhand des menschlichen Geruchs festzustellen.

 

Trainiert werden die Hunde ähnlich wie für die Suche nach Drogen oder Vermissten: Man präsentiert ihnen zuerst den Geruch, den sie sich merken sollen. Später sollen sie ihn wiedererkennen. Gelingt das, werden sie belohnt. Im Falle der Virensuche laufen sie an einer Apparatur mit negativen und positiven Proben entlang und schnüffeln sie nacheinander ab. Sobald sie den gesuchten Duft identifizieren, setzen sie sich hin. Bei einem Treffer gibt es eine Belohnung.
(zit. n. ZEITonline, Seite 1)

 

Die Trainingsapparatur hat die Künstlerin in kalten Farben und sehr steril und artifiziell anmutend widergegeben. Vorlagen dazu fand sie in analogen und digitalen Medien und auf YouTube.

 

Trackingdog, 130x165cm, 2020 © Chantalle Demierre

 

Das Interesse der Künstlerin an Hunden und Wölfen hält seit vielen Jahren unverändert an, wenngleich sie auch vermutet, dass sie als Künstlerin weniger ernst genommen wird, weil sie sowohl gegenständlich als auch Tiere malt.

Da Chantale Demierre zurzeit ohne eigenen Hund lebt, borgt sie sich manchmal den braunweißen Mischling eines Freundes aus, der früher als mazedonischer Straßenhund lebte. "Arbeitslos" schläft er eingerollt.

 

Schlafender Hund, 40x40cm, 2020 © Chantalle Demierre

 

Die Bieler Künstlerin nimmt zurzeit an der "Cantonale Berne Jura" (2021/22) teil, einem Zusammenschluss von zehn Ausstellungsinstitutionen, die das Kunstschaffen der Kantone Bern und Jura in einer gemeinsamen Jahresausstellung  präsentieren. Ihre Arbeiten sind im Kunsthaus Interlaken und in der Kunsthalle Bern zu sehen.

Chantale Demierre (*1982 in Biel/Schweiz) hat von 2003-2006 an der Hochschule der Künste Bern Kunst studiert und 2013-2015 ihren Master an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel gemacht. Sie lebt und arbeitet in Nidau.

Quellen zu den Coronaspürhunden: FAZ, ZEITonline, Deutsche Apotheker Zeitung

alle Bilder © Chantale Demierre

 

Ausstellung, Malerei
25. November 2021 - 10:19

Drei Mädchen beugen sich zu einem Hund, der sie freudig begrüßt und an einer der jungen Frauen hochspringt. Ein Mädchen umfasst den Hund mit manieriert gedehnten Armen.

 

Adolf de Haer, Drei Mädchen mit Hund, um 1919 © Adolf de Haer
Adolf de Haer, Drei Mädchen mit Hund, um 1919

 

Das Bild vereint Merkmale des Kubismus und Expressionismus. Expressiv ist die Farbgestaltung, die durch den Komplementärkontrast (gelb-blau) bestimmt wird. Die gelbgrüne Hautfarbe der Mädchen ist lichtdurchflutet, ihr Haar glänzt blau. Kubistisch ist die Zerlegung der Körper und Kleidung in kristalline Dreiecksformen. Der Hintergrund geht in eine flächige rhythmische abstrakte Komposition über. Vieles ähnelt dabei dem Werk der Expressionisten Franz Marc und Ernst Ludwig Kirchner, den Kompositionen Lyonel Feinigers oder erinnert an den Futurismus.

 

Meine Erlebnisse und Visionen suchte ich in ein tektonisches Bildprinzip zu bannen. Mit den primitivsten (geometrischen) Formen baute ich meine Bilder. (Adolf de Haer zit.n.hier)

 

Adolf de Haer, Drei Mädchen mit Hund, Detail, um 1919 © Adolf de Haer
 

Adolf de Haers (*1892 in Düsseldorf/D, gest. 1944 bei Osnabrück/D) bedeutendste Werke datieren zwischen 1919 und 1921, in der Zeit entstanden auch seine großartigen kubistisch-expressiven Holzschnitte, Radierungen und Lithografien. In den nächsten zwei Jahrzehnten nimmt er eine Entwicklung von der Abstraktion zur Gegenständlichkeit. Nach Expressionismus und impressionistischen Tendenzen arbeitet er in einem immer schlichter werdenden Naturalismus der weiblichen Akte und Blumenstillleben. Dieses Spätwerk macht verständlich, warum er als Künstler der zweiten Reihe in Vergessenheit geriet.

Obwohl de Haer schon Mitte der zwanziger Jahre die kubistisch-expressionistische Abstraktion aufgegeben hatte, wird das frühe Werk Adolf de Haers 1937 aus dem Kunstmuseum Düsseldorf von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und als entartet eingestuft. Vielleicht erklärt sich auch dadurch seine späte Hinwendung zu einer sehr gefälligen, konventionellen Malerei: Der Schock der Verfemung von 1937 war möglicherweise zu stark.

Seine "Drei Mädchen mit Hund" sind vom 19. September 2021 bis 23. Januar 2022 im Sauerland-Museum in der Ausstellung "Im Westen viel Neues: Facetten des rheinisch-westfälischen Expressionismus" zu sehen.

Die Ausstellung rückt die vielfältigen Facetten des Expressionismus im Rheinland und in Westfalen in den Mittelpunkt und beleuchtet damit den Westen als ein wichtiges künstlerisches Zentrum neben Berlin und München. Eine neue Generation von Kunstschaffenden empfindet Formzertrümmerungen und leuchtende Farben als passende Ausdrucksmittel für die existentiellen Erfahrungen und Wirren der Zeit.

Unten sehen Sie das Ausstellungsplakat. Aus Sicht der Hundefreunde und -liebhaberinnen gänzlich misslungen, fehlt doch der Hund! Unklar ist nun, worauf die jungen Mädchen blicken, Aussage und Sinn des Werks sind unter der Typografie verloren gegangen.

 

Ausstellungsplakat
Plakat von hier
 

 

Ausstellung, Malerei
25. Februar 2021 - 12:33

Nach und nach werden immer mehr Künstlerinnen wiederentdeckt und mit Werkschauen präsentiert. Eine davon ist Ottilie W. Roederstein, deren strenge Selbstporträts mein Interesse weckten. Da sie auch ein paar Hunde gemalt hat, Grund genug, sie im Blog zu zeigen.

Ottilie W. Roederstein (*1859 in Zürich/Schweiz, gest. 1937 in Hofheim am Taunus/D) widmete ihr ganzes Leben der Kunst.

 

Mein ganzes Interesse war Arbeit und Arbeit. Ihr widmete ich mein ganzes Sein. (Ottilie W. Roederstein)

 

Als freischaffende Malerin gehörte sie zu den erfolgreichsten Künstlerinnen ihrer Zeit. Sie fand nicht nur in der Schweiz und Deutschland großen Zuspruch und Anerkennung für ihre Porträts und Stillleben, sondern auch in Paris, wo sie seit 1883 ihre Gemälde ausstellte. Der Erfolg sicherte ihr finanzielle Unabhängigkeit, sodass sie sich gesellschaftliche Freiräume erobern und sich nach ihrem Lebensentwurf entfalten konnte, was den meisten ihrer Zeitgenossinnen verwehrt war.

Als einzige Künstlerin vertrat sie 1912 die Schweiz bei der "Internationalen Kunstausstellung des Sonderbundes" in Köln - neben männlichen Kollegen wie Ferdinand Hodler und Giovanni Giacometti. Trotz ihrer einst internationalen Wertschätzung ist Roederstein fast unmittelbar nach ihrem Tod in Vergessenheit geraten.

In ihrem umfangreichen, in thematischer und stilistischer Hinsicht vielfältigem Œuvre spiegeln sich die modernen Entwicklungen des europäischen Kunstgeschehens, wobei sich Ottilie W. Roederstein zeitlebens im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne bewegte und nie zur künstlerischen Avantgarde gehörte.

Ein Jahr nach ihrem Tod wurden ihr 1938 in Erinnerung an ihr künstlerisches Vermächtnis und an ihr unermüdliches Engagement als Mittlerin zwischen der Schweiz und Deutschland in Frankfurt, Zürich und Bern Gedenkausstellungen ausgerichtet.

Durch die Zäsur des Zweiten Weltkriegs und die allgemeine Fokussierung des Kunstbetriebs auf abstrakte Malerei geriet Roedersteins Werk jedoch in Vergessenheit. Nun, nach über 80 Jahren, ist ihr Werk in einer monografische Werkschau im Kunsthaus Zürich wiederzuentdecken.

 

Ottilie W Roederstein, Jeanne Smith mit Hund, 1889

 

Roederstein, die gegen den Widerstand ihrer gutbürgerlichen Familie Künstlerin wurde, musste sich ihren Lebensunterhalt als freischaffende Künstlerin selbst verdienen. Dementsprechend arbeitete sie gezielt für den Kunstmarkt und hielt sich in ihren frühen Jahren an die malerischen Konventionen und Erwartungen des jeweiligen Auftragsumfeldes. Sie bediente den Geschmack des bürgerlichen Publikums, das ihre Bilder kaufen sollte.

Dies zeigt sich zu Beginn ihrer Karriere durch den Einsatz einer dunkeltonigen Farbpalette sowie durch die Wahl ihrer Bildsujets: den Porträts und Stillleben.

Im Porträt der "Jeanne Smith mit Hund" von 1889 sehen wir ein melancholisches Damenbildnis in altmeisterlichen Hell-Dunkel-Inszenierung. Der Setter wird an der kurzen Leine gehalten und scheint sich gegen den ausgeübten Druck zu stemmen. Im Gegensatz zu dem seelenvollen Blick von Jeanne sieht er uns missmutig und unwirsch an.

In ihrem späteren Werk nahm Roederstein zunehmend Elemente anderen Kunstrichtungen auf. Auch die Temperamalerei, die sie ab 1910 (wieder) einsetzte, übte einen Einfluss auf ihren Stil aus, bevor sie in den 1920er-Jahren zu der ihr eigenen sachlich-nüchternen Bildsprache fand.

 

Ottilie W. Roederstein, Elisabeth H. Winterhalter mit Schäferhund, 1912

 

1912 entstand das Gemälde "Elisabeth H. Winterhalter mit Schäferhund". Es stellt Roedersteins Lebenspartnerin - eine Gynäkologin und erste deutsche Chirurgin - dar, mit der sich die Künstlerin 1909 im ländlichen Hofheim am Taunus niedergelassen hatte. Roederstein und Winterhalter unterstützten sich gegenseitig, stießen in traditionell Männern vorbehaltene Disziplinen vor und machten in Kunst und Medizin Karriere.

Im Porträt sind schon Nüchternheit und Realismus angedeutet; die Künstlerin sollte sich später mehr und mehr dem Stil der Neuen Sachlichkeit nähern. Sowohl die Temperamalerei als auch die intensive Beschäftigung mit der italienischen Zeichenkunst der Renaissance erzeugten einen plastischen und fast linearen Stil in heller getrübter Farbigkeit. Allerdings greift Roederstein nicht auf die Idealisierung der Renaissance zurück. Ohne jede Idealisierung hat sie nicht nur sich in zahlreichen Selbstporträts, sondern auch die Erscheinung ihrer Freundin gemalt. Die Dargestellte schaut ihre BetrachterInnen skeptisch, kritisch, ja mit nahezu abschätzigem Blick an.

Dem ergebenen Schäferhund wird nicht so viel (künstlerische) Aufmerksamkeit zuteil, sein Kopf ist flächig-expressiv gestaltet und hat mit der schlichten Kleidung und dem einfachen Hintergrund malerisch mehr gemeinsam als mit Elisabeths Gesicht.

 

Ottilie W. Roederstein, Zwillinge mit Wolf und Peitsche, 1916

 

Die "Zwillinge mit Wolf und Peitsche" von 1916 sind sorgfältig durchkomponiert, sie bilden eine Dreiecksform, wobei das Kleid des rechten Mädchens wegsteht, um den symmetrischen Aufbau nicht zu gefährden. Peitsche und Federn verstärken die Vertikalität. Während das rechte Kind durch seinen abwesenden Gesichtsausdruck und seine unsichere Handhaltung auffällt, ist der kritische Blick ihrer Schwester direkt zum Betrachtenden gerichtet. Auch der schmale "Wolf" schaut ernst. Mit der monochromen Farbgestaltung ist Roederstein hier auf der sicheren Seite.

Sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz war Roederstein eine feste Größe im Kulturbetrieb. Die vielbeschäftigte Porträtmalerin förderte durch Ankäufe für ihre eigene Sammlung andere Kunstschaffende, unterstützte Ausstellungen moderner französischer und Schweizer Kunst und setzte sich für deren Verbreitung ein.

Bis zum 5. April 2021 ist sie im Kunsthaus Zürich zu sehen, dann kommt die Ausstellung unter dem Titel "Frei schaffend" ins Staedel Museum nach Frankfurt am Main (zu sehen vom 19. Mai bis zum 5. September 2021).

Quellen: Wikipedia, Kunsthaus Zürich, Staedel Musem, ARTinWORDS

Fotos von hier

 

Ausstellung, Malerei
5. Februar 2021 - 13:43

Dog 1, 2017 © Sabine Moritz

 

Der immer gleiche Hund läuft, sich umschauend, in einer verlassenen Stadt herum. Die Rollläden sind heruntergelassen. Die Geisterstadt ist in unterschiedlichen Abstraktionsgraden gemalt.

Im ersten Bild ist der Hund groß dargestellt, er spiegelt sich in den Wasserlacken, der Umraum ist nur gestisch expressiv bestimmt. Aussehen und inneres Erleben des Hundes scheinen in allen vier Bildern unverändert, nur äußere Stimmungs- und Wetterlagen ändern sich. Im zweiten Bild scheint etwas Ruhe eingekehrt, die Luft ist klarer.

 

Dog 2, 2017 © Sabine Moritz

Ghost Town I, 2016 © Sabine Moritz

 

Ghost Town I und II zeigen fast denselben Bildausschnitt, wobei sich der Hund in der unteren Darstellung nahezu in Farbschlieren auflöst, er noch abstrahierter, entmaterialisierter und düsterer ist.

In dieser expressiveren Variante hat der Hund die gleiche Farbigkeit wie seine Umgebung. Neben dieser kalten Farbgebung bringt die Unschärfe etwas Geheimnisvolles, Lebendiges, aber auch Bedrohliches ins Bild.

Ich habe nach Spuren gesucht, die mir verraten, wieso mich diese Bilder an Asien denken lassen, etwa an ein verlassenes chinesisches oder japanisches Dorf. Welche Spuren habe ich gefunden: Der Bildtitel "Ghost Town" klingt nach einem Thriller aus dem Fernen Osten, einem Eastern. Zeigen sich vielleicht Schriftzeichen im expressiven Duktus? Könnte nicht der blinde Samurai gleich zwischen den Häusern hervortreten?

 

Ghost Town II, 2016 © Sabine Moritz

 

Ganz falsch lag ich mit meiner Spurensuche nicht, denn die Bilder zeigen eine japanische evakuierte Stadt. Die deutsche Künstlerin Sabine Moritz hat die Bilder fünf Jahre nach dem Reaktorunglück von Fokushima nach einem alten Zeitungsfoto gemalt. Da die Einheimischen ihre Tiere zurücklassen mussten, blieb nur der verwaiste Hund im Bild. Die alte Heimat wurde für die ehemaligen BewohnerInnen und die Zurückgelassenen zur Gefahrenzone in dreckigem Katastrophengrau.

 

Dog, 2019 © Sabine Moritz

 

Sabine Moritz malt von Motiven, die ihr wichtig sind, mehrere Versionen, wobei sie den Bildausschnitt unterschiedlich skaliert oder die Bildwirkung durch die Wahl der Farben ändert. Damit dekontextualisiert sie das vorgegebene Motiv. Anstatt den Reaktorunfall zu malen, stellt sie dessen Auswirkungen dar und lässt uns im Unklaren darüber, was passiert ist.

 

Dog, 2017 © Sabine Moritz

 

Die Künstlerin wurde 1969 Quedlinburg in Ostdeutschland geboren und kam 1985 mit 16 Jahren in den Westen. Sie studierte zunächst an der Hochschule für Gestaltung Offenbach, bevor sie in die Kunstakademie Düsseldorf eintrat. Schon während des Studiums begann sie aus dem Gedächtnis zu zeichen, etwa die Plattenbausiedlung Lobeda nahe Jena, wo sie aufgewachsen war. Später zog sie für ihre Bilder auch Familienschnappschüsse, eigene Fotos und Zeitungsquellen zur Ergänzung der Erinnerung heran.

Und um Erinnerung geht es in vielen ihrer Werke: die Erinnerung an Ihren Vater, der bei einem Arbeitsunfall starb, als sie gerade vier Jahre alt war, die Erinnerung an die DDR, die ihr verloren schien und Heimweh verursachte, nachdem die Familie 1985 von Jena nach Darmstadt ausreisen durfte. In ihrer Malerei konkretisieren sich Moritz' Untersuchungen darüber, wie man sich erinnert und wie die Erinnerungen einer ständigen Veränderung und Verzerrung unterzogen sind, ja einem Verblassen anheimfallen. Mit ihren figurativen Bildern malt sie gegen das bevorstehende Vergessen an und erzählt gleichzeitig von persönlichen Erfahrungen, die Teil einer kollektiven Geschichte sind.

 

Ruin, 2017 © Sabine Moritz

Screenshot von Dog I-III, 2012 © Sabine Moritz
Screenshot von Marian Goodman Gallery

 

Ich war in meiner Bildersuche und Internet-Recherche schon weit fortgeschritten, als ich las, dass Sabine Moritz seit 1996 die Ehefrau von Gerhard Richter ist. Zuvor war sie seine Studentin in Düsseldorf. Das hat mich insoferne überrascht, als ich noch nie etwas von dieser großartigen und vielschichtigen Künstlerin gehört hatte.

Vielleicht hatte ich erwartet, dass ihr als Frau des weltberühmten Gerhard Richter viele Türen offen stünden. Doch das Gegenteil scheint hier der Fall zu sein. Vielleicht will niemand in Verdacht geraten, sie aufgrund ihres Ehemanns zu protegieren. Wie anders ist es zu erklären, dass es vergleichsweise wenig mediale Resonanz auf ihre Bilder gibt, obwohl ihre Arbeiten in Deutschland unter anderem in der Kunsthalle Rostock, Kunsthalle Bremerhaven, Von der Heydt Kunsthalle Wuppertal und international in London und Paris ausgestellt wurden. Allerdings ist ihr Werk in einer großen Anzahl von Katalogen präsent.

Bis zum 27. März 2021 zeigt die Galerie Pilar Corrias in London ihre Arbeiten in der Einzelausstellung ‘Mercy’. Neben großformatiger abstrakter Malerei und Zeichnung wird erstmals ihr fotografisches Werk ausgestellt. Sehr umfassend werden ihre Arbeiten auf der Homepage der Galerie gezeigt.

Die Künstlerin lebt und arbeitet in Köln.

Quellen: Marian Goodman Gallery, Galerie Pilar Corrias, Felix Ringel Galerie

alle Bilder © Sabine Moritz

 

Ausstellung, Malerei, Zeichnung
15. Februar 2020 - 15:06

Wie ein tollpatschiger Welpe mit noch überdimensionierten Beinen und Pfoten schaut mich der orange-rosa-beigefarbene Hund fragend und ein bisschen traurig an.

 

aus der Serie Old Baggy Root, 2018/19 © Megan Rooney

 

Doch je länger ich in das Gesicht mit den ausdrucksstarken Augen sehe, desto zweifelnder und verzweifelter wird sein wässriger Blick.

Der Hund unten sieht aus als käme er gerade ins Bild, den Betrachter bemerkend und anblickend, noch bevor sein durchscheinender Körper ganz getrocknet ist.

 

aus der Serie Old Baggy Root, 2018/19 © Megan Rooney

 

Beide Bilder - ohne nennenswerte Vorzeichnung spontan und verfließend ausgeführt - stammen von der kanadischen Künstlerin Megan Rooney. Immer wiederkehrend ist das Motiv des menschlichen und tierischen Kopfes und Körpers, in den alle individuellen Erfahrungen unwiderruflich eingeschrieben sind.

Erzeugen die vorherrschende Palette von blassen, warmen Farbtönen sowie die schwebenden Motive eine spielerische Leichtigkeit (vgl. Felix Kucher) oder überwiegt das Gefühl der Verletzlichkeit und Versehrtheit der Körper dieser eigentümlichen menschlichen und tierischen Individuen? (vgl. Presseinfo Ausstellung Düsseldorf)

 

Old Baggy Root, 2018/19 © Megan Rooney

Old Baggy Root, 2018/19 © Megan Rooney

 

Auch ihre großformatigen Wandmalereien sind durch eine schnelle rhythmische Herangehensweise gekennzeichnet. Dabei verfolgt die Künstlerin oft keinen genauen Plan, sondern geht ohne Vorzeichnung oder Modell vor, beim Malrozess das volle Risiko eingehend. Megan Rooney sagt selbst, dass der Akt der Malerei etwas sei, das Energie freisetzt und es ein Glück sei, malen zu können.

Die aufstrebende Künstlerin arbeitet medienübergreifend mit Malerei, Installation, Performance, Tanz und Sprache. In ihrer künstlerischen Praxis bewältigt sie die gesamte Bandbreite von kleinformatiger intimer figurativer Malerei bis hin zu monumentaler abstrakter Malerei. Sie geht meist auf den zu gestaltenden Ausstellungsort ein und verknüpft die einzelnen Malereien und Objekte zu raumgreifenden Gesamtinszenierungen.

Zurzeit werden mehrere Porträts im Kunsthaus Kollitsch (Klagenfurt/A) sowie großformatige ungegenständliche Arbeiten im Ausstellungsraum Salts (Birsfelden/CH) gezeigt, im Juli 2020 wird eine Einzelpräsentationen im Salzburger Kunstverein (A) zu sehen sein, für die Megan Rooney als Artist-in-Residence den Großen Saal sowie die Ringgalerie gestaltet.

Megan Rooney (*1985, Kapstadt/Südafrika) hat an der University of Toronto und am Goldsmith College in London studiert. Sie lebt und arbeitet seit über zehn Jahren in London.

alle Bilder © Megan Rooney

 

Ausstellung, Installation, Malerei
20. Januar 2020 - 20:37

Eine Ausstellung, die genau zum Thema meines Blogs passt, findet zur Zeit im Bayerischen Nationalmuseum statt: "Treue Freunde - Hunde und Menschen".

Leider habe ich sie (noch) nicht gesehen, allerdings schon einen begeisterten Bericht meiner Freundin Mignon Dobler erhalten (ich habe ihre Hunde Polly und Lise gemalt). Ich muss leider mit Presseberichten und -fotos das Auslangen finden. Auf die Ausstellung aufmerksam gemacht hat mich übrigens Susanne Boecker, die immer wieder an mich denkt, wenn es Hund-und-Kunst-Relevantes gibt!

Mehr als 200 Werke der bildenden Kunst und Alltagskultur werden in zwölf Kapiteln präsentiert und spüren den vielfältigen Aspekten der Hund-Mensch-Beziehung nach. Die Darstellung dieser Beziehung spannt sich von der Antike (ägyptischen Hunde-Mumie) bis zum zeitgenössischen Hunderoboter, von der Kunst zur Kulturgeschichte, von adeligen Hundehalterinnen (Queen) bis zu Adeligen des Humors (Loriot).

In einzelnen Abschnitten werden unter anderem Partnerschaft, Statussymbole, Helfer, Hundeliebe, Hundekult, Trendsetter, Spielereien und Bösartigkeiten thematisiert. Im Kapitel Hundefreundschaft geht es um Prominente mit Hund und nicht - wie von mir fälschlicherweise vermutet - um Hunde und ihre (Hunde)Freunde und Freundinnen.

Der Anlass für die Ausstellung (als ob es eines Anlasses bedürfte!) ist übrigens die vor 100 Jahren erfolgte Erstveröffentlichung von Thomas Manns "Herr und Hund", einem Porträt seines Hühnerhund-Mischlings Bauschan.

Ein paar Exponate:

 

Richard Dodd Widdasnach dem Original von Alfred Dedreux, Armer Hund und reicher
Richard Dodd Widdas nach dem Original von Alfred Dedreux, Armer Hund und reicher Hund,
Kingston upon Hull, um 1850/60 © Städtisches Museum Überlingen

Johann Georg Waxschlunger (?), Dogge mit Welpe, München, Anfang 18. Jh. © Baye
Johann Georg Waxschlunger (?), Dogge mit Welpe, München, Anfang 18. Jh.
© Bayerisches Nationalmuseum

Hans Schöpfer der Ältere, Gabriel Ridler, München, 1532 © Bayerisches Nationalmu
Hans Schöpfer der Ältere, Gabriel Ridler, München, 1532
© Bayerisches Nationalmuseum, Foto Bastian Krack

Hofnarr der Familie Fugger-Nordendorf mit zwei Hunden, Süddeutschland, 1. Hälfte
Hofnarr der Familie Fugger-Nordendorf mit zwei Hunden, Süddeutschland, 1. Hälfte 17. Jh
© Privatbesitz, Süddeutschland

Lieblingshund König Ludwig I., München, um 1850 © Bayerisches Nationalmuseum, Fo
Lieblingshund König Ludwig I., München, um 1850
© Bayerisches Nationalmuseum, Foto Bastian Krack

Nadin Rüfenacht, Nature Morte, Burgdorf/Schweiz, 2005 © Sammlung Würth, Foto Phi
Nadin Rüfenacht, Nature Morte, Burgdorf/Schweiz, 2005
© Sammlung Würth, Foto Philipp Schönborn, München

Ferdinand von Keller, Selene, Karlsruhe, 1886 © Kunkel Fine Art, München
Ferdinand von Keller, Selene, Karlsruhe, 1886 © Kunkel Fine Art, München

Thomas Theodor Heine, Siegfried, Dießen am Ammersee, 1921 © Print & Coffee
Thomas Theodor Heine, Siegfried, Dießen am Ammersee, 1921 © Print & Coffee

Ferdinand Georg Waldmüller, Waldmüllers Sohn Ferdinand mit Hund, Wien, 1836 © Ba
Ferdinand Georg Waldmüller, Waldmüllers Sohn Ferdinand mit Hund, Wien, 1836
© Bayerische Staatsgemäldesammlungen

 

Heute habe ich endlich meinen Katalog zur Ausstellung (Deutscher Kunstverlag, 320 Seiten, 262 Abb., ISBN: 978-3422981089) bekommen, einen umfangreichen Wegweiser durch die Vielfalt der Mensch-Hund-Beziehung zum Staunen und Schmökern. Sicher kein Ersatz für einen Ausstellungsbesuch, aber trotzdem mehr als ein Trostpflaster!

Hedy hat schon entschieden, wer zuerst reinschauen darf!

 

Hedy nimmt sich den Ausstellungskatalog © Petra Hartl

Hedy schmökert im Ausstellungskatalog © Petra Hartl

Hedy schmökert im Ausstellungskatalog © Petra Hartl

Zu viel Text, Hedy fallen die Augen zu! © Petra Hartl

 

Die Sonderausstellung "Treue Freunde - Hunde und Menschen" ist im Bayerischen Nationalmuseum noch bis zum bis 19. April 2020 zu sehen, jeweils Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr sowie Donnerstag bis 20 Uhr.

 

4. November 2019 - 10:22

Als begleitende Veranstaltung zur Biennale zeigt die Fondazione Querini Stampalia die erste große Jörg-Immendorff-Ausstellung in Italien: Ichich, Ichihr, Ichwir / We All Have to Die.

Dabei handelt es sich nicht um eine Retrospektive, sondern um eine Präsentation seines Spätwerks, in dem er sich mit der Rolle des Künstlers in Gesellschaft und Geschichte auseinandersetzt.

Ab 1998 - Immendorf erfährt von seiner ALS-Erkrankung - ist sein Werk weniger erzählend oder politisch motiviert. Er nimmt vielmehr vermehrt Anleihen bei der Renaissance. Dahinter steht einerseits ein ganz grundlegendes Interesse an der Kunstgeschichte, das ihn seine gesamte Schaffensphase hindurch begleitete. Er musste aber auch eine Methode finden, die es ihm ermöglichte, seine Arbeit trotz seiner sich verschlimmernden Nervenkrankheit, die ihn immer mehr bewegungsunfähig machte, fortzuführen.

Immendorff konzipiert nun die Bilder: Er malt quasi mit dem Kopf und nicht mehr mit den Händen; beschreibt seinen Assistenten, wie die Werke auszusehen haben. Diese müssen die Anweisungen dann ausführen. Hierfür eignet sich logischerweise ein Zurückgreifen auf das bereits bestehende Repertoire der Kunstgeschichte.

 

Jörg Immendorff, Malsand, 2006, Foto Petra Hartl

Jörg Immendorff, Malsand, 2006, Detail, Foto Petra Hartl

Jörg Immendorff, Malsand, 2006, Detail, Foto Petra Hartl

 

Vor monochrome Hintergründe setzt Immendorff geheimnisvolle Figuren, die zu einer eigenen Ikonographie führen. Auch bei "Malsand" sind die sitzende und dahinter stehende Figur vor einem monochrom schwarzen Hintergrund und einer schwarzen felsigen Landschaft zu sehen.

Der Hund erinnert mich ein bisschen an den Windhund von Dürer, der auch in Dürers "Der heilige Eustachius" vorkommt, vielleicht ist "Malsand" von ihm inspiriert.

 

Albrecht Dürer,  A greyhound, um 1500, Royal Collection Trust
Albrecht Dürer,  A greyhound, um 1500, Royal Collection Trust

 

Albrecht Dürer,  Der heilige Eustachius, ca. 1501, Staedel Museum
Albrecht Dürer,  Der heilige Eustachius, ca. 1501, Staedel Museum

 

Jörg Immendorff (1945-2007) war einer der wichtigsten deutschen Künstler der Nachkriegszeit. Seine Arbeiten werden seit Mitte der 1960er Jahre international ausgestellt. Er nahm 1972 und 1982 an der Documenta teil, 1976 an der Biennale Venedig. Er lebte und arbeitete in Düsseldorf und Hamburg.

Die Immendorff-Ausstellung in der Fondazione Querini Stampalia ist noch bis zum 24. November 2019 zu sehen.

 

Ausstellung, Malerei
28. Oktober 2019 - 10:25

Valentin de Boulogne, Fröhliche Gesellschaft mit Wahrsagerin (die fünf Sinne), 1

 

Wieso schiebt sich in diesem großen Bild, das Valentin de Boulogne kurz vor seinem Tod fertiggestellt hat, eine Hundeschnauze ins Bild? Und wieso hängt es in der Caravaggio & Bernini-Ausstellung im KHM?

Die zweite Frage ist leicht beantwortet: Valentin de Boulogne zählt zu den Nachfolgern Caravaggios, die sein Themenrepertoire weiterentwickelt und sein Werk zum Ausgangspunkt für eigene Schöpfungen verwendet haben. Schon Caravaggio hat sich mehrmals mit dem Thema der Wahrsagerin, die einem Soldaten die Hand liest, beschäftigt.

 

Valentin de Boulogne, Fröhliche Gesellschaft mit Wahrsagerin (die fünf Sinne)

 

Valentin de Boulogne verwendet die für ihn typischen Personen aus dem Wahrsager-, Wachstuben- und Musikantenmilieu, ganz dem Wunsch des Auftraggebers entsprechend, der dieses Figurenrepertoire im Gemälde verwirklicht sehen wollte. Es wird musiziert, zwei Männer sind in eine Rauferei verwickelt, ein Mädchen versucht eine Geldbörse zu stehlen und eine Wahrsagerin liest einem jungen Mann aus der Hand. Allen Protagonisten gemeinsam ist, dass sie an die Wahrnehmung des Betrachters appellieren. Das Gemälde "Fröhliche Gesellschaft mit Wahrsagerin" trägt auch den Titel "Die fünf Sinne", da es auch als Allegorie auf die Sinne verstanden wird.

An Sinnesmodalitäten sind vertreten: der Tastsinn in der Handleseszene, der Gehörsinn durch die Musikanten, der Geschmackssinn durch das Weintrinken und der Sehsinn durch die intensiven Blicke einerseits und den blinden Musiker am Rand. Und hier kommt auch wieder der Hund ins Geschehen. Als Darstellung des Geruchssinns bringt sich der Hundekopf ins Spiel.

Valentin de Boulogne verbindet eine Allegorie der Sinne mit den verschiedenen aus dem eigenen Oeuvre bekannten Figuren und Szenen zu einer Meditation über das Leben. Wunderbar, dass auch ein Hund daran teilnimmt.

Quellen: Booklet zur Caravaggio & Bernini-Ausstellung im KHM, Liechtenstein. The Princely Collections

 

Ausstellung, Malerei