Zeichnung

3. März 2022 - 11:24

Die in der Schweiz ansässige Künstlerin Jill Wäber nimmt sich der Beziehung zwischen Mensch und Hund an und bearbeitet das Thema in unterschiedlichen zeichnerischen Techniken und Formaten. Das Ergebnis ihrer intensiven Auseinandersetzung ist im Künstlerhaus S11 an der Schmiedengasse in Solothurn/Schweiz bis zum 5. März 2022 zu sehen.

 

© Jill Wäber

© Jill Wäber

© Jill Wäber

 

Auf den zweiten Blick erkennt man, dass sich neben den Hundeköpfen keine Pfoten, sondern menschliche Hände in verschiedenen Gesten befinden. Sind es nun anthropomorphe Pfoten der Hunde oder sind es menschliche Hände, die den Hunden zur Seite gestellt werden?  In der Tat ein "rätselhafter Moment des Zusammenkommens" (vgl. Vernissagerede von Martin Rohde).

 

© Jill Wäber

© Jill Wäber

© Jill Wäber

 

Zwölf kleinformatige Ölpastell-Zeichnungen drücken das Zusammenspiel von Mensch und Hund aus: Unterschiedliche Hunderassen in unterschiedlichen Bewegungen sind nur als Umriss mit Gesicht präsentiert, die Menschen sind farbenfroh als liegende, umfassende und beschützende Schatten wiedergegeben. Offensichtliche enge Zuneigung wird als Umarmung dargestellt,  Beziehungen werden ausgelotet. Dabei zeigt sich eine gegenseitige Abhängigkeit zwischen Tier und Mensch aber auch eine gewisse Balance.

 

Porträt © Jill Wäber, Foto Hanswerner Bärtschi

Porträt © Jill Wäber

Porträt © Jill Wäber

 

Für die Ausstellung hat die Künstlerin auch ältere Monotypien mit Kreide überarbeitet. Eine Spurensuche für die Betrachtenden, die aus dem Liniengewirr - sie verdichten sich im Innern und verlaufen zu den Rändern - die Form des Hundes erst herauslösen müssen (vgl. ebd.). Auch wenn diese  Porträts nicht mit Ähnlichkeit arbeiten, versucht die Künstlerin Wesenszüge und Bewegung herauszuarbeiten.

 

© Jill Wäber

 

Der maskierte Hund auf rotem Untergrund trägt menschliche Züge. Die charmante Künstlerin präsentiert sich maskenlos.

 

Jill Wäber, Foto Hanspeter Bärtschi

 

Ein Stückchen gezeichnetes Fell!

 

© Jill Wäber, Foto Hanswerner Bärtschi

 

Jill Wäber (*1945 in Schottland) absolvierte von 1963–1967 die Glasgow School of Art. Ende der1960er Jahre hielt sie sich längere Zeit in der Elfenbeinküste und den USA auf. 2004 erhielt sie den sechsmonatigen Gastaufenthalt im Künstleratelier des Kunstvereins Olten in Genua. 2009 und 2011 folgten mehrmonatige Aufenthalte in Jiuquan, China. 1990 erhielt die Künstlerin den Werkjahrbeitrag des Kanton Solothurns und im Jahr 2000 den Preis des Kantons Solothurn für Malerei. In Solothurn, im Kanton und in der größeren Region war sie immer wieder mit Einzel- und Gruppenausstellungen präsent. Jill Wäber lebt und arbeitet in Basel.

Fotoquellen: S11, Solothurner Zeitung

 

Ausstellung, Zeichnung
22. März 2021 - 11:35

© Douglas Wirls

 

Was auf den ersten Blick wie ein Stachelschwein aussieht, ist ein Hund, der sich schüttelt.

 

© Douglas Wirls

 

Rhythmisch wälzen sich die Hunde. Mit schwungvoller Gestik gezeichnet, schütteln sie ihr Fell trocken. Zeichnungen im Fluss bilden Reigen an Hundekörpern, sich gegenseitig belauernd. Sie umkreisen einander abwartend, im Wissen darum, dass die Stimmung gleich umschlagen kann. Es kann laut werden und stürmisch zugehen. Der verwischte Hintergrund, aus dem Stellen frei radiert wurden, verstärkt die Dynamik des Geschehens. Mit fließenden Linien in Kohle, Rötel, Sepia sind seine Arbeiten kraftvoll, wild, dynamisch, aber auch lyrisch zart. Traditionell ist Douglas Wirls in seiner Kenntnis der Anatomie und in seiner genauen Naturbeobachtung.

 

© Douglas Wirls

© Douglas Wirls

© Douglas Wirls

© Douglas Wirls

 

Die Körper füllen den Raum aus, es gibt nichts daneben oder dahinter, und doch gehen die Zeichnungen weit über Hundestudien hinaus. Es gelingt dem Künstler über die Körpersprache der Hunde deren Interaktion und Kommunikation genau zu beschreiben: das gleichzeitige Stattfinden von abwarten, beobachten, auffordern, wegdrängen – ein Ritual des Kräftemessens. Mit Intensität und Sensibilität fängt er die emotionale Essenz einer Situation ein.

 

© Douglas Wirls

 

Der Hund unten gefällt mir besonders gut, obwohl seine Proportionen nicht richtig wirken: Der Kopf - vielleicht ein Dobermann - gehört zu einem sehr kompakten Körper, der Hals erscheint zu kurz. Vielleicht ist der Hund aber auch nur in die Jahre gekommen. Die verwischte Kohle bei der intimen, bis in die verborgenen Einzelheiten vordringenden Darstellung verstärkt einen unbeholfenen, unsicheren Eindruck.

 

© Douglas Wirls

 

Douglas Wirls (*1951 in Cleveland, Ohio/USA) hat in Philadelphia am Tyler College of Fine Art studiert. Er lebt seit mehreren Jahrzehnten in New York, wo er Grafik und Malerei  am Pratt Institute in Brooklyn unterrichtet.

alle Bilder © Douglas Wirls

 

Zeichnung
8. März 2021 - 11:53

Schon vor Jahren ist mir Bärbel Rothhaar mit ihren Bienenprojekten im Internet begegnet. Da diese nicht zu meinem Blogthema passten, blieb es bei der Speicherung eines Links. Manchmal stöbere ich in meiner viele Jahre alten Linksammlung und spüre einzelnen KünstlerInnen nach. Und siehe da: Bei Bärbel Rothhaar habe ich Patti gefunden!

 

Patti, 2015 © Bärbel Rothhaar

 

Das Bild ist aus vordergründig disparaten Elementen zusammengesetzt: formlosen wässrigen Flächen und lasierenden Flächen, die Schatten bilden; konzentrischen Linien, die auf eine Wasserlacke hindeuten; dem Hund und den Pflanzen. Die Wörter, es handelt sich um botanische Begriffe, verweisen auf das Dargestellte: Google erklärt es näher. Eustoma grandiflorum ist der großblütige Prärieenzian, früher als Lisianthus bekannt. Stamina (Mz.), die Staubblätter, sind die Pollen erzeugenden Organe bei zwittrigen oder rein männlichen Blüten der Bedecktsamer. Das Stigma (die Narbe) dient der Aufnahme des männlichen Pollen. Der Stylus (der Griffel) in einer Blüte ist der Teil eines Fruchtblatts oder Stempels, der die Narbe trägt.

Die gelbgrünen Formen sind die Pollen, hoch ästhetische Gebilde, die seit der Erfindung des Mikroskops nicht nur WissenschaftlerInnen, sondern auch KünstlerInnen immer wieder faszinieren.

Patti, ein Whippet, kratzt mit der Pfote im Wasser. Malerischer Zufall und wissenschaftliche Genauigkeit ergänzen einander in dieser auf Braun- und Grüntöne beschränkten Arbeit. Auch wenn ein Teil des Bildrätsels gelöst ist, bleibt die Kombination der Teile in dieser Malerei doch geheimnisvoll und unergründlich.

Bärbel Rothhaar arbeitet oft in Serien, wobei ihre Themen (Natur, Naturwissenschaften und Ökologie) bei unterschiedlichsten Kunstprojekten vorkommen und Querverbindungen mit anderen Werken, wie Skulpturen oder Performances, eingehen.

So bildeten Aspekte von Symbiosen zwischen Lebewesen 2015 den Ausgangspunkt eines Kunstprojekts im Botanischen Museum in Berlin. Auch hier richtete sich der Blick der Künstlerin auf die Pollen der Pflanzen - auf Ihre Rolle in der Symbiose zwischen Pflanzen- und Tierwelt und natürlich auf die enorm wichtige Rolle der Bienen bei der Bestäubung.

 

Patti, 2020 © Bärbel Rothhaar

 

In einem perspektivisch uneindeutigen Raum sitzt Patti auf einem nach vorne geneigten roten Hocker, von dem sie eigentlich herunterrutschen müsste. Den oberen Bildraum nimmt eine Art Brücke ein. Die Verbindung von Innen und Außen bleibt unklar. Auch hier wirkt die Zusammenfügung von Gegensätzen - ornamentalen und informellen Bildteilen - charmant und anziehend.

Unten ein kleines Bild (30 x 40 cm) eines Kojoten, der in einer flachen Kuhle liegt: Drückt er schlafend die bunten Blumen zusammen oder wurde er, der Verstorbene, mit Blumen bekränzt? Ich tendiere zu Letzterem. Vielleicht wurde er von einem Auto angefahren und blieb leblos am Straßenrand liegen. Und die Künstlerin hat ihn malerisch zur Ruhe gebettet.

 

Kojote, 2020 © Bärbel Rothhaar

 

Inzwischen kenne ich die Erzählung hinter "Kojote, 2020". Er lebte in der kalifornischen Mojave-Wüste und war einer der zahlreichen Kojoten in dieser Gegend: Ein räudiges, krankes Tier, das von Nathini, der Tochter der Künstlerin, versorgt wurde. Sie gab ihm gelegentlich Wasser und Futter, das mit Medikamenten gegen Räude gemischt war.

 

An einem Ostersonntag ging das Leben des Kojoten aber dann doch zu Ende und er hat sich dafür die Terrasse ihres Hauses ausgesucht, um dort in der Nacht zu sterben. Das Foto mit den Wüstenblumen ist bei der Kojoten-Beerdigung entstanden und es hat mich so sehr berührt, dass ich es malen wollte. (Bärbel Rothhaar)

 

Beides, sowohl das Bild als auch die Geschichte, berührt auch mich. Ein Kojote, der so großes Vertrauen zu einem Menschen hat, dass er dessen Terrasse als Rückzugsort zum Sterben wählt. Eine Frau, die nicht gleichgültig gegen das Leid eines Tieres ist, ihm im Leben hilft und auch nach dessen Tod seine Würde achtet, indem sie ihn mit Zuneigung zu Grabe trägt. Und eine Künstlerin, die die Erinnerung an "Kojote" festhält.

Hunde kommen auch in Bärbel Rothhaars Arbeiten auf Papier vor, in Mischtechnik oder mit Tusche.

 

Quiet Hour, 2020 © Bärbel Rothhaar

Hund, 2018 © Bärbel Rothhaar

 

Weniger emotional herausfordernd ist eine Serie von Aquarellen auf A4-Papier, die ab Sommer 2020 enstand und Mensch-Tier-Metamorphosen zum Inhalt hat, darunter vier mit Hunden. Der Mensch ist schon so lange mit dem Hund verbunden, dass die beiden Spezies eine große Nähe und gegenseitiges Verstehen entwickelt haben. Ja es kommt sogar zu physiognomisch frappierenden Ähnlichkeiten. Das bringt die Künstlerin mit viel Humor und genauer Beobachtung z.B. bei "Dog Lady" oder "Bulldog Man" zum Ausdruck. Hätte Letzterer andere Ohren, würde ich meinen Onkel erkennen!

 

Bulldog Man, 2020 © Bärbel Rothhaar

Dog Dancer, 2020 © Bärbel Rothhaar

Dog Lady, 2020 © Bärbel Rothhaar

Hundemetamorphose, 2020 © Bärbel Rothhaar

 

 

Bärbel Rothhaar widmet sich in ihrer Arbeit als bildende Künstlerin experimentellen Kunstformen, wie beispielsweise prozesshaften Arbeiten im Bereich Kunst und Natur, u.a. Kunstprojekten mit Bienenvölkern. Sie zeichnet (analog und digital), malt und beschäftigt sich mit Enkaustik, der Malerei mit erhitztem, pigmentiertem Wachs.

In den Jahren der Auseinandersetzung mit Bienen spielten für Bärbel Rothhaar viele Faktoren und Ereignisse eine Rolle, die den künstlerischen Prozess motiviert und in Gang gehalten haben:

Zuerst beschäftigte sie sich mit der überaus vielfältigen Bienensymbolik in allen Kulturen. Ab 1999 begann sie mit lebenden Bienenvölkern zu experimentieren. Sie setzte unterschiedliche Objekte - Zeichnungen, Knochen, Metallobjekte - in die Bienenkästen ein und ließ sie von den Bienen verändern und überbauen. Es ging bei dieser "Wildwuchs" genannten Kooperation um den Dialog ihrer eigenen künstlerischen Intention mit natürlichen Prozessen, die nicht immer kontrollierbar waren.

Einige Methoden ihrer Arbeit näherten sich fast der naturwissenschaftlichen Forschung an, ohne das Gleiche zu sein. Dazu gehören Fragestellungen als Motivation und Ausgangspunkt der Arbeit, Interesse am Prozessualen, aber auch Versuchsreihen und Selbstversuche. In "Sleeping in a Beehive" lebte die Künstlerin einige Wochen mit einem Bienenvolk in ihrer Wohnung.

Näheres über Bärbel Rothhaars Bienenprojekte können Sie auf ihrem Blog oder auf ihrer Homepage nachlesen.

Bärbel Rothhaar (*1957 in Rockenhausen/D) hat Bildende Kunst an der Universität der Künste Berlin studiert und anschließend am Whitney Museum Independent Study Program in New York teilgenommen. Sie erhielt zahlreiche Stipendien, u.a. von der Studienstiftung des Deutschen Volkes, dem DAAD, der Karl-Hofer-Gesellschaft Berlin sowie dem Hanse-Wissenschaftskolleg. Seit 1980 stellt sie im In- und Ausland aus und führt Projekte durch.

 

alle Bilder © Bärbel Rothhaar

 

Malerei, Skulptur, Zeichnung
5. Februar 2021 - 13:43

Dog 1, 2017 © Sabine Moritz

 

Der immer gleiche Hund läuft, sich umschauend, in einer verlassenen Stadt herum. Die Rollläden sind heruntergelassen. Die Geisterstadt ist in unterschiedlichen Abstraktionsgraden gemalt.

Im ersten Bild ist der Hund groß dargestellt, er spiegelt sich in den Wasserlacken, der Umraum ist nur gestisch expressiv bestimmt. Aussehen und inneres Erleben des Hundes scheinen in allen vier Bildern unverändert, nur äußere Stimmungs- und Wetterlagen ändern sich. Im zweiten Bild scheint etwas Ruhe eingekehrt, die Luft ist klarer.

 

Dog 2, 2017 © Sabine Moritz

Ghost Town I, 2016 © Sabine Moritz

 

Ghost Town I und II zeigen fast denselben Bildausschnitt, wobei sich der Hund in der unteren Darstellung nahezu in Farbschlieren auflöst, er noch abstrahierter, entmaterialisierter und düsterer ist.

In dieser expressiveren Variante hat der Hund die gleiche Farbigkeit wie seine Umgebung. Neben dieser kalten Farbgebung bringt die Unschärfe etwas Geheimnisvolles, Lebendiges, aber auch Bedrohliches ins Bild.

Ich habe nach Spuren gesucht, die mir verraten, wieso mich diese Bilder an Asien denken lassen, etwa an ein verlassenes chinesisches oder japanisches Dorf. Welche Spuren habe ich gefunden: Der Bildtitel "Ghost Town" klingt nach einem Thriller aus dem Fernen Osten, einem Eastern. Zeigen sich vielleicht Schriftzeichen im expressiven Duktus? Könnte nicht der blinde Samurai gleich zwischen den Häusern hervortreten?

 

Ghost Town II, 2016 © Sabine Moritz

 

Ganz falsch lag ich mit meiner Spurensuche nicht, denn die Bilder zeigen eine japanische evakuierte Stadt. Die deutsche Künstlerin Sabine Moritz hat die Bilder fünf Jahre nach dem Reaktorunglück von Fokushima nach einem alten Zeitungsfoto gemalt. Da die Einheimischen ihre Tiere zurücklassen mussten, blieb nur der verwaiste Hund im Bild. Die alte Heimat wurde für die ehemaligen BewohnerInnen und die Zurückgelassenen zur Gefahrenzone in dreckigem Katastrophengrau.

 

Dog, 2019 © Sabine Moritz

 

Sabine Moritz malt von Motiven, die ihr wichtig sind, mehrere Versionen, wobei sie den Bildausschnitt unterschiedlich skaliert oder die Bildwirkung durch die Wahl der Farben ändert. Damit dekontextualisiert sie das vorgegebene Motiv. Anstatt den Reaktorunfall zu malen, stellt sie dessen Auswirkungen dar und lässt uns im Unklaren darüber, was passiert ist.

 

Dog, 2017 © Sabine Moritz

 

Die Künstlerin wurde 1969 Quedlinburg in Ostdeutschland geboren und kam 1985 mit 16 Jahren in den Westen. Sie studierte zunächst an der Hochschule für Gestaltung Offenbach, bevor sie in die Kunstakademie Düsseldorf eintrat. Schon während des Studiums begann sie aus dem Gedächtnis zu zeichen, etwa die Plattenbausiedlung Lobeda nahe Jena, wo sie aufgewachsen war. Später zog sie für ihre Bilder auch Familienschnappschüsse, eigene Fotos und Zeitungsquellen zur Ergänzung der Erinnerung heran.

Und um Erinnerung geht es in vielen ihrer Werke: die Erinnerung an Ihren Vater, der bei einem Arbeitsunfall starb, als sie gerade vier Jahre alt war, die Erinnerung an die DDR, die ihr verloren schien und Heimweh verursachte, nachdem die Familie 1985 von Jena nach Darmstadt ausreisen durfte. In ihrer Malerei konkretisieren sich Moritz' Untersuchungen darüber, wie man sich erinnert und wie die Erinnerungen einer ständigen Veränderung und Verzerrung unterzogen sind, ja einem Verblassen anheimfallen. Mit ihren figurativen Bildern malt sie gegen das bevorstehende Vergessen an und erzählt gleichzeitig von persönlichen Erfahrungen, die Teil einer kollektiven Geschichte sind.

 

Ruin, 2017 © Sabine Moritz

Screenshot von Dog I-III, 2012 © Sabine Moritz
Screenshot von Marian Goodman Gallery

 

Ich war in meiner Bildersuche und Internet-Recherche schon weit fortgeschritten, als ich las, dass Sabine Moritz seit 1996 die Ehefrau von Gerhard Richter ist. Zuvor war sie seine Studentin in Düsseldorf. Das hat mich insoferne überrascht, als ich noch nie etwas von dieser großartigen und vielschichtigen Künstlerin gehört hatte.

Vielleicht hatte ich erwartet, dass ihr als Frau des weltberühmten Gerhard Richter viele Türen offen stünden. Doch das Gegenteil scheint hier der Fall zu sein. Vielleicht will niemand in Verdacht geraten, sie aufgrund ihres Ehemanns zu protegieren. Wie anders ist es zu erklären, dass es vergleichsweise wenig mediale Resonanz auf ihre Bilder gibt, obwohl ihre Arbeiten in Deutschland unter anderem in der Kunsthalle Rostock, Kunsthalle Bremerhaven, Von der Heydt Kunsthalle Wuppertal und international in London und Paris ausgestellt wurden. Allerdings ist ihr Werk in einer großen Anzahl von Katalogen präsent.

Bis zum 27. März 2021 zeigt die Galerie Pilar Corrias in London ihre Arbeiten in der Einzelausstellung ‘Mercy’. Neben großformatiger abstrakter Malerei und Zeichnung wird erstmals ihr fotografisches Werk ausgestellt. Sehr umfassend werden ihre Arbeiten auf der Homepage der Galerie gezeigt.

Die Künstlerin lebt und arbeitet in Köln.

Quellen: Marian Goodman Gallery, Galerie Pilar Corrias, Felix Ringel Galerie

alle Bilder © Sabine Moritz

 

Ausstellung, Malerei, Zeichnung
7. Oktober 2020 - 17:29

aus der Serie

 

Hat der kleine Chihuahua etwas gehört oder gerochen, das ihn in der Nacht aufstehen ließ, um in die Dunkelheit zu sehen? Fest steht er da und mutig blickt er ins Ungewisse.

 

aus der Serie Nachts kommen die Füchse, Öl auf Leinwand, 30 x 20 cm, 2018 © C

 

Vielleicht hat er sich weiter vorgewagt, bis zum Vorhang, die Ohren auf Empfang gestellt. Große Augen machen auch die seltsamen Köpfe der grotesken Wandmalerei, die das Interieur aus dem Gewöhnlichen, Vertrauten herausheben, es mit Rätselhaftigkeit erfüllen. Sieht er vielleicht auf die blaue Couch, auf der sein Mensch liegt? Setzt er sich wachend, bewachend und beobachtend dazu?

(…) Wie ein Schatten wandert er durch den Bildraum, wandelt ganz selbstverständlich durch private Räume. Ein kleiner Schoßhund und doch scheint der Betrachter nie so ganz zu wissen, was er im Schilde führt,

schreibt die Künstlerin über den kleinen Hund.

 

aus der Serie

 

Hier hat er sich zusammengerollt, die Augen fragend offen. Findet er keinen Schlaf in der blauen Stunde? Ist er unruhig, überkommt ihn gar die Melancholie ob seiner Grundeinsamkeit? Weder Pfotenbett noch Knochendecke können ihm Geborgenheit geben, Unbeschwertheit und Spiel gehören wie der angeschnittene Fußball der Sphäre des Tages an.

 

aus der Serie Nachts kommen die Füchse, Öl auf Leinwand, 30 x 20 cm, 2018 © C

 

Ich zeige Ihnen nur die Bilder mit Hund, die in Caroline Salfingers Serie "Nachts kommen die Füchse" immer wieder als Motiv auftauchen. Ich habe zu den Bildern eine kleine Geschichte assoziiert. Mit ihrer Serie, die einer Erzählung des niederländischen Autors Cees Nooteboom entlehnt ist, zeigt die Künstlerin allerdings eine bildnerische Narration, die eine Welt erschafft, in der sich Episoden, Ereignisse und Beobachtungen lose aneinanderreihen.

Damit der durch die Nacht des Bewusstseins irrende Geist nicht den Füchsen anheimfällt, passt der Hund in seiner mythologischen Rolle als Grenzgänger und Wächter auf. Er vermittelt zwischen den Welten und führt einen durch die Dunkelheit, sodass man sich nicht in ihr verliert und den eigenen Füchsen ausliefert. Dennoch wird sich nur derjenige, der seinen Hund gut behandelt, auch seine animalischen Bedürfnisse respektiert und ihn nicht mit brutaler Härte zu formen versucht, auf ihn verlassen können.

Lesen Sie hier Caroline Salfingers vollständigen Text zu "Nachts kommen die Füchse".

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aus der Serie Nachts kommen die Füchse, Öl auf Leinwand, 120 x 80 cm, 2018 ©

 

In "Follow me" verflicht die Künstlerin die Thematiken des Kontrollverlusts, der Bewusstseinserweiterung, der ins Unterbewusstsein verdrängten wüsten, animalischen Seite der menschlichen Psyche und des Todes mit Elementen der mesoamerikanischen Mythologie. Sie bezieht sich dabei auf die Arbeit "Untilled" des niederländischen Künstlers Pierre Huyghe, die er 2012 bei der dOCUMENTA (13) gezeigt hat.

Huyghe installierte in der Kasseler Karlsaue eine Anordnung pflanzlicher, mineralischer, tierischer und menschlicher Elemente. Inmitten einer üppigen Flora aus psychoaktiven Pflanzen stapelten sich auf dem schlammigen Boden Betonplatten und andere Baustoffe. Auch eine Betonskulptur fand sich auf dem von zwei Hunden durchstreiften Gelände.

Vielleicht können sie sich an Fotos des weißen Podencos mit dem rechten rosa Vorderbein erinnern, wahrscheinlich eines der meist fotografierten Motive dieser dOCUMENTA.

 

Follow me, Öl auf Leinwand, 100 x 80 cm, 2017

 

Durch den Konsum psychoaktiver Pflanzen wie der Salbeiart Salvia Divinorum oder dem Peyote-Kaktus glaubten die Azteken mit der Götterwelt in Verbindung treten zu können und auf der langen Reise durch die Unterwelt wurde man ihrer Vorstellung nach von einem Hund geführt. (…) Erst mit einem Hund an seiner Seite kam man in der Unterwelt weiter – nur wer dem Instinktiven vertraut, sich vom Animalischen leiten lässt, gelangt in die unteren Schichten des Bewusstseins. Dem Hund zu folgen und damit die Kontrolle abzugeben, hieße sich auf Verdrängtes einzulassen und nur wer sich diesem stellt, kann zur Ruhe kommen. (Caroline Salfinger hier)

 

In Salfingers Paraphrase wird aus dem Podenco ein Chihuahua. Das gefällt mir ganz besonders gut, dass dieser kleine unterschätzte Hund, der aber alle Wesensmerkmale seiner großen Artgenossen hat, zum Führer durch die Unterwelt wird. Wir müssen ihm nur folgen und vertrauen, wir müssen uns ihm nur anvertrauen, wenn wir sein Terrain betreten.

Auch zu diesem Werk können Sie das vollständige Konzept hier nachlesen.

 

© Caroline Salfinger

 

Caroline Salfinger (*1991 in Grieskirchen/Österreich) studierte zwischen 2010 und 2018 Bildende Kunst, Malerei und Grafik sowie Angewandte Kultur- und Kunstwissenschaften an der Kunstuniversität Linz. Sie lebt und arbeitet in Oberösterreich.

alle Bilder © Caroline Salfinger

 

Malerei, Zeichnung
6. Juli 2020 - 12:02

Karl Weschke, Feeding Dog, 1976-77 © The Estate of Karl Weschke

 

Ein Hund steht hinter einem Stück Fleisch, als würde er es bewachen. Es ist Dankoff, der Borsoi des Künstlers Karl Weschke, der in den 1960er und 1970er Jahren eine Reihe von Gemälden mit Pferden oder Hunden malte. Der Künstler selbst hat das Bild als "ein Hund in einer bestimmten Landschaft unter bestimmten Umständen" ('a dog in a particular landscape in a given circumstance' ) beschrieben. Der Hund hat eine symbolische Rolle für ihn übernommen und starke Erinnerungen an bestimmte Ereignisse in seiner Kindheit hervorgerufen. Er symbolisiert einen Kampf ums Überleben, wobei die karge Landschaft ein Gefühl der Abwehr und Isolation verstärkt.

Dankoff steht auf der Klippe beim Haus des Künstlers in Cape Cornwall, einem Ort, der in Weschkes Werk immer wieder auftaucht, z.B.in Feeding Dog von 1976-77.

 

Karl Weschke, Portrait of a Dog, 1975-78 © © The Estate of Karl Weschke 
 

1960 zog der gebürtige Deutsche, der nach der Kriegsgefangenschaft in Großbritannien blieb, in dieses kleine abgelegene Haus. Die umgebende Landschaft war rau und abweisend, öde Moore auf der einen Seite und die Weite des Atlantiks auf der anderen. Der Blick aus seinem Atelier schweifte über den trostlosen Landstrich mit seinen Farnkraut- oder Ginsterkulturen und über den Atlantik. Weschke liebte und respektierte das Meer, sowohl als Taucher als auch als Künstler, und malte es in vielen Stimmungen.

Hier fand Weschke die Nähe zur Natur, die seine Arbeit zweifellos beeinflusst hat. Die selbst auferlegte Isolation von Cape Cornwall hat auch Weschkes Selbstidentifikation als künstlerischen Außenseiter und als Exilanten verstärkt.

Auch oben wird Dankoff gänzlich ohne Sentimentalität gemalt, die Darstellung des Borsoi ist das Ergebnis von Weschkes genauer Beobachtung des Hundes.

Weschkes Landschaften sind trostlose, elementare Orte: bedrohlich oder Angst einflößend, Lebewesen erscheinen marginalisiert und isoliert. Die einsame Präsenz von Figur, Tier oder Baum ist das wiederkehrende Motiv in seinem Werk und suggeriert eine Affinität zum Existenzialismus. Seine Landschaften, das Alltägliche und Mythische artikulieren große einfache Wahrheiten. Individuelles Erleben übersetzt er in Bilder von universeller Bedeutung.

 

Karl Weschke, Dog Dankoff, 1969 © Jonathan Clark & Co
 

Für einen Großteil seines Lebens dominieren Erdfarben seine Malereien, erst seine Reisen nach Ägypten in den 1990er Jahren befreiten Weschkes Sinn für Farbe. Auch Dankoff fügt sich farblich in die hügelige Umgebung ein, die ihn fast zu erdrücken scheint. Der schlanke Borsoi ist monumental, voluminös und mit expressiven Pinselstrichen gemalt.

Karl Weschke (*1925 in Taubenpreskeln/D, gest. 2005 in Cornwall/GB) hat ein bewegendes und bemerkenswertes Leben geführt.

Er wächst in zerrütteten Familienverhältnissen auf, lebt als Straßenkind, wird in die Hitlerjugend aufgenommen und tritt in die Luftwaffe ein. 1945-48 verbringt er in britischer Kriegsgefangenschaft. Er beginnt zu malen und Skulpturen herzustellen. 1949 war er ein Semester lang Kunststudent in St. Martin und beschloss dann, seinen eigenen autodidaktischen Weg zu gehen. Danach lebt er kurz in Spanien und Schweden, bevor er sich 1955 in der Grafschaft Cornwall niederlässt, zuerst in Zennor, ab 1960 in Cape Cornwall. Ab 1958 stellt er in Einzel- und Gruppenausstellungen aus. 1998 erscheint die erste Monographie über sein Werk. Ein Jahr vor seinem Tod findet in seiner Wahlheimat in der Tate St. Ives eine Retrospektive statt und eine breitere Öffentlichkeit wird auf sein Werk aufmerksam. In Deutschland ist er bis heute kaum bekannt.

 

Karl Weschke, Woman and Dog, 1971 ©  © Belgrave St Ives

Karl Weschke, Portrait of Dog Dankoff, c 1975 © Jonathan Clark & Co

 

Im Anschluss noch Links zu ausführlichen und lesenswerten Beschreibungen von Weschkes Leben und Werk:

Independent, The Telegraph, Ben Tufnell, Der Spiegel, johnathan clark fine art

 

Malerei, Zeichnung
9. November 2019 - 11:53

Heute schauen wir uns gemeinsam die Bilder von Nettle Grellier an!

 

© Nettle Grellier

 

In ihren früheren Arbeiten - Stillleben im Übergang zu Interieurs - versammelt Nettle Grellier Menschen und Hunde oft um den Küchentisch oder auf dem Sofa, um deren Beziehung zueinander zu erforschen.

Sie widmet aber nicht nur den Lebewesen viel Aufmerksamkeit, auch die Gegenstände wirken fast beseelt. Die Künstlerin, die vom Stillleben kommt - sie malte Früchte, Gemüse, Küchenutensilien - zeigt uns Dinge, die ihr am Herzen liegen, Keramiken, die Freunde angefertigt haben und Bücher, die ihr wichtig sind. Sie kommen als Referenz ins Bild.

Ergänzt werden Mensch, Tier und Requisiten durch ein Sammelsurium an Texturen und Stoffmustern, gemeinsam dargeboten in verzerrter, aufgeklappter Perspektive und expressiver Farbigkeit. Trotz der Buntheit entstehen verträumte Bilder, die kleine Geschichten vom Zuhause erzählen.

 

© Nettle Grellier

© Nettle Grellier

One about how it won't stop doing that kind of snow that doesn't even settle © N

 

Zwei Menschen und zwei Hunde ins Bild gedrängt; barfüßige Körper füllen die Leinwand aus; ein Gewirr an Armen und Beinen bringt Unruhe in die untere Bildhälfte, während die obere Hälfte durch die Ruhe der berührenden und beschützenden Hände bestimmt ist.

In diesem für Nettle Grellier ganz typischen Bild, wird deutlich, worum es ihr geht: Sie möchte uns Menschen (und Hunde) zeigen, die sich in der Nähe des anderen wohl- und auch sicherfühlen: Freundschaften sollen in einer komplexen, reizüberfluteten, individualisierten Welt ein Gefühl der Sicherheit und Gemeinschaft geben, uns gegen die Turbulenzen in einer zerrütteten Welt wappnen.

Und sie möchte auch, dass wir Betrachter das aus ihren Bildern mitnehmen und in unserem Leben umsetzen. Ihre Bilder sind Handlungsanweisungen, die uns zu Freundlichkeit, Gemeinschaftssinn und gegenseitiger Unterstützung ermutigen sollen.

 

You and you and you and me © Nettle Grellier

Daybed © Nettle Grellier

 

Jedes ihrer Gemälde wird von einem universellen Gefühl bestimmt. Sie beginnt einen Körper in das Skizzenbuch zu zeichnen und dann einen anderen mit ihm zu verbinden, dann weiter zu überarbeiten und Körper hinzuzufügen, bis sie mit der Komposition zufrieden ist.

Bei den Ölbildern beschränkt sie sich entweder auf eine Palette, die sich überwiegend aus fleischigem Pink, Rottönen und erdigem Braun und Grün zusammensetzt. Oder sie wählt eine begrenzte Farbpalette, die den Gefühlen zwischen den Figuren entspricht.

 

Whittling Will could not sit still he whittled and whittled at table © Nettle Gr

The closer you get, 2019 © Nettle Grellier

 

Ein Kreis an Berührungen! Die Menschen berühren sowohl einander als auch die Hunde. Jeder darf da sein und hat Platz, das Miteinanderleben ist entspannt und unangestrengt. Die zarten Gemälde von Nettle Grellier zeigen, wie alle den Raum gleichberechtigt einnehmen können.

 

Give bees a chance, 2019 © Nettle Grellier

Where we went to dance © Nettle Grellier

Drawing © Nettle Grellier

Yeah alright © Nettle Grellier

To do to do © Nettle Grellier

© Nettle Grellier

© Nettle Grellier

Ow, fuck off I love you (an ode to Frida) © Nettle Grellier

 

Nette Grellier erzählt in ihren Bildern Geschichten von Nähe und Intimität und sie erzählt Geschichten vom Zuhause, das immer dort ist, wo uns andere schützend und gütig umgeben.

 

Loves Asleep in Llanrhystud © Nettle Grellier

Drawing © Nettle Grellier

 

Hello and Goodbye!

 

A Picture of Frieda's bedtime routine which involves a lot of wriggling © Nettle

 

Nettle Grellier (*Stroud/ Gloucestershire/GB) - sie kommt aus einer künstlerischen Familie - hat an der Universität Brighton Malerei studiert. 2015 ist sie mit ihrem Freund George Lloyd-Jones in einem umgebauten Lastwagen nach Europa gereist und hat sich auf einem alten Bauernhof in Spanien niedergelassen. 2017 kehrten die beiden mit ihrem geretteten Hund Patata nach England zurück. Hier kam auch die Hündin Frida zur Familie.

 

Quellen: It's Nice That, Young Space, Irina & Silviu

alle Bilder © Nettle Grellier

Malerei, Zeichnung
13. Juni 2019 - 11:50

Rodney van den Beemd arbeitet sehr schnell - wie in einem Fluss - und expressiv, wenn er seine Tusche-Skizzen von Fotos anfertigt. Dabei abstrahiert er stark und setzt sich mit der Frage auseinander, wann die Malerei fertig ist. Soll man daran weiterarbeiten, noch mehr Information hinzufügen, auf die Gefahr hin, dass die Spontaneität und Frische verloren geht?

Während die ähnlichen Grauwerte bei der unteren Arbeit eine Gemeinsamkeit des Paares mit dem Hund erzeugen - gemeinsam gehen sie ins nicht näher bezeichnet Diffuse, wendet sich der klar konturierte Black Dog von seinem menschlichen Begleiter ab. Die starke formale Abgegrenztheit korrespondiert mit seiner Autonomie.

o.T. © Rodney van den Beemd

 

Black Dog © Rodney van den Beemd

 

Und während ein Hund in Bewegung begriffen ist und sich die flächig aufgetragene Tusche nach hinten zur Linie auflöst, steht der andere so kompakt und stabil, dass wir seinen Schatten sehen!

Rodney selbst meint, dass der Schatten nicht dem Hund entspricht und wie der Schatten eines Deutschen Schäferhundes aussieht. Von alleine wäre mir das nicht aufgefallen, aber wenn man genau hinsieht, merkt man, dass der Schatten die Ohren spitzt. Ob er horcht, was sein Schöpfer sagt?

o.T. © Rodney van den Beemd

o.T. © Rodney van den Beemd

 

Ich habe Rodney schon einmal vorgestellt, manchmal schickt er mir nun einen gezeichneten Gruß. Ich glaube ich habe ihn dazu angeregt vermehrt Hunde zu zeichnen. Über beides freue ich mich sehr!

 

alle Bilder © Rodney van den Beemd

 

Malerei, Zeichnung
13. April 2019 - 9:47

Anne Arnold (*1925, Massachusetts/USA) fand eine einzigartige, von modernen und modernistischen Strömungen unabhängige Position in der amerikanischen Skulptur. Sie arbeitete von den 1950er bis 1980er Jahren, also zu einer Zeit als Abstrakter Expressionismus, Minimalismus, Pop Art bestimmend und vorherrschend waren. Obwohl ihre ersten Arbeiten von Konstruktivismus und De Stijl beeinflusst waren, wendet sie sich dann eher volkstümlichen und "primitiven" Traditionen zu, die sie aktualisierte und verjüngte.

 

Dog, 50er Jahre © Anne Arnold
Bild von der Galerie Beth Urdang

 

Dabei hat ihr Werk nichts Manieriertes oder Sentimentales, es ist vielmehr Ausdruck einer Unabhängigkeit, die sich aus einem ausgeprägten Verständnis für die Ressourcen moderner und traditioneller Kunst speist.

Die orange bemalte Katze von 1956 liegt auf dem Rücken. Obwohl sie nahezu ausschließlich aus (Pinien-)Holzquadern besteht, wirkt sie durchaus lebendig, so als würde sie sich gerade strecken.

 

Orange Cat, 1956 © Anne Arnold, Foto James Dee

 

Über drei Jahrzehnte sind (neben Menschen) Katzen, Schweine, Pferde, aber natürlich auch Hunde ihre bevorzugten Motive. Nicht nur mit handwerklicher Meisterschaft, auch mit künstlerischer Sensibilität arbeitet sie die individuelle Persönlichkeit, den schwer erfassbaren belebenden Geist, das Besondere der Tiere heraus. Oft sind sie raffiniert, gewitzt, schrullig und humorvoll dargestellt - immer erscheinen sie intelligent und präsent.

Kommt Ihnen dieser verhangene "Blick" nicht auch bekannt vor? Denken Sie nicht sofort an den Skye-Terrier Sunny, den Alex Katz so oft gemalt hat?
 

Sunny, Skye Terrier, Detail, 1978 © Anne Arnold, Foto James Dee

 

Das Bild zeigt Sunny im hohen Gras sitzend, als wäre er noch kurz zuvor abenteuerlustig durchgestürmt. Erschöpft hängt nun seine rosa Zunge heraus.

 

Sunny Nr. 4, 1971 © Alex Katz

 

Die Keramik-Skulptur stellt tatsächlich Sunny dar, mit dem die Familie Katz in den 1970er Jahren gelebt hat. Akribisch hat Anne Arnold seine überlappenden langen Haarschichten nachempfunden. Obwohl seine Augen unter den Haarsträhnen verborgen sind, scheint er uns nicht nur zu beobachten, sondern auch anzulächeln. Sein muskulöser Körper ruht auf kurzen Beinen.

 

Sunny, Skye Terrier, 1978 © Anne Arnold, Foto James Dee

Willow, Afghane, 1978 © Anne Arnold, Foto James Dee

Willow, Afghane, Detail, 1978 © Anne Arnold, Foto James Dee

Gretchen, Dachshund, 1978, © Anne Arnold, Foto James Dee

 

Ein bemalter Keramikdackel sitzt fest und stabil auf seinen Hinterbeinen, der Schwanz liegt stabilisierend auf dem Boden. Gretchen scheint all ihre Körperspannung für diese schwierige Position zu brauchen, sodass die Vorderbeine schlapp nach unten hängen. Der Kopf mit den bittenden Augen ist nach oben geneigt, die langen Ohren zeigen nach unten. Gretchen möchte Aufmerksamkeit, sie möchte in unsere menschliche Welt eindringen. Dafür setzt sie ihren herzerweichendsten Blick ein. Was für eine unwiderstehliche Hunde-Persönlichkeit!

 

Grip, Bullterrier, 1978 © Anne Arnold, Foto James De

 

Auch Grip, der Bullterrier, will unsere Aufmerksamkeit, er posiert mit gespitzten Ohren, aufrechtem Schwanz und gespanntem Körper, bereit auf die Interaktion mit uns!

 

Monte II, 1988 © Anne Arnold, Foto James Dee

Monte II, Detail, 1988 © Anne Arnold, Foto James Dee

 

Die Körpersprache der Hundeskulpturen ist unverkennbar. Sie scheinen mit dem Betrachter, als Stellvertreter für den menschlichen Partner, eine Beziehung eingehen zu wollen. Anne Arnold zeigt diesen Wunsch nach Aufmerksamkeit, zeigt das Bedürfnis nach Kommunikation - über die Spezies hinweg. Ihre Tiere sind mit einer unvergleichlichen Beredsamkeit ausgestattet, von einer Dringlichkeit besessen, die unsere Aufmerksamkeit verlangt.

Es macht uns menschlich, diesen grundlegenden Wunsch nach Aufmerksamkeit nicht nur anzuerkennen, sondern darin auch das komplexe Potenzial der Tiere zu sehen, Beziehungen zu uns eingehen zu können. In diesem Sinn geht Anne Arnold in ihrem Werk über ästhetische Fragen hinaus, es fordert uns ethisch heraus: Wie gehen wir mit denen um, deren Wohlergehen in unseren Händen liegt?

Anne Arnold verwendet unterschiedlichste Materialien, um ihre lebensgroßen, ja manchmal über-lebensgroßen Tierskulpturen herzustellen. Dabei geht es ihr nicht darum, mit einem speziellen Material oder Herstellungsverfahren wiedererkannt zu werden und jedes Motiv diesem unterzuordnen; sie geht vielmehr vom Tier aus: Welches Material passt speziell zu ihm. Material und Verfahren, die sie wählt, scheinen unausweichlich zu sein.

Können sie sich den traurigen Setterkopf von Lady anders als in bemalter Terrakotta vorstellen?

 

Lady, Englischer Setter, 1978 © Anne Arnold, Foto James Dee

Eliza I, 1968 © Anne Arnold, Foto James Dee

 

Auch in Arnolds Bleistiftzeichnungen zeigt sich ihr Einfühlungsvermögen in die Hundepersönlichkeiten. Während Willows Gesicht detailreich und akribisch ausgeführt wird, um sein nachdenkliches und melancholisches Wesen darzustellen, ist der Strich bei "Dog" expressiv, ja nahezu exzentrisch.

 

Untitled (Willow), 1980 © Anne Arnold, Foto James Dee

Untitled (Willow), 1980 © Anne Arnold, Foto James Dee

Dog, 1980 © Anne Arnold, Foto James Dee

Anne Arnold in ihrem New Yorker Atelier, um 1971 © Alexandre Gallery

 

Die Bilder zum Blogbeitrag stammen von der Homepage der Galerie Alexandre. Dort finden Sie auch biografische Daten zur Künstlerin, die 2014 mit 89 Jahren in New York gestorben ist. Weiters finden Sie eine ausführliche Zusammenstellung von Presse-Berichten. Grundlage für meinen Beitrag bildete vor allem der Essay "Groundbreaker" von John Yau.

 

Skulptur, Zeichnung
10. November 2018 - 11:55

Molecule © Ryan Mrozowski

 

Ein neugierig (an)gespannter Gesichtsausdruck umgibt den Hundekopf. "Was passiert hier?", scheint er zu fragen und mit gespitzten Ohren auf Antwort zu warten. Der skulpturale, fast wie aus Holz geschnitzte Kopf schwebt zusammenhanglos über einem Körper, der von links ins Bild kommt. Der Hals fehlt. Der malerische Schnitt ist sauber ausgeführt, hier tropft kein Blut/keine rote Farbe. Trotzdem beunruhigt das absurde Bild. Zweifellos: Hier wurde einem Hund Gewalt angetan.

Welche Absicht verfolgt Ryan Mrozowski mit diesem und ähnlich irritierenden Bildern? Sicher möchte er unsere Erwartungen durchkreuzen, unsere Vorstellung davon, wie Stillleben, Pflanzen, Tiere auszusehen haben. Durch das Entfernen eines Teiles (des Halses) löst er den inneren und äußeren Zusammenhang (des Hundes), erschwert die Lesbarkeit.

Dabei beobachtet Mrozowski sein Motiv mit einer spielerischen und satirischen Distanz - auch erkennbar am Werktitel: "Molecule". Es liegt wohl im Auge des Betrachters, ob er bestürzt, verunsichert oder bloß erheitert darauf reagiert.

 

Dog, 2012 © Ryan Mrozowski

Dog, 2012 © Ryan Mrozowski

 

Sehen Sie einen gekritzelten Hund, der aus drei übereinander gestapelten Hunden zusammengesetzt ist, oder viele Hunde, die einen Metahund bilden? Und ist das überhaupt ein Unterschied in der Wahrnehmung? Auch bei dieser Zeichnung spielt Mrozowski mit der Lesbarkeit von Bildern.

 

Stacked Dog, 2016 © Ryan Mrozowski

 

Bei seinen neuen Arbeiten untersucht Ryan Mrozowski Serialität und Wiederholung in der Natur anhand der in seinen Bildern verwendeten Kompositionsstrategien. Er konstruiert Bilder, indem er das alltägliche Bildmaterial (Orangen, Tupfen, Vögel, Blumen...) in endlosen Variationen wiederholt und durch eine Reihe hergestellter Interventionen in geheimnisvolles verwandelt. Dabei wendet er die Sprache digitaler Werkzeuge (Ausschneiden, Einfügen, Zuschneiden...) auf den analogen Prozess des Malens an.

Zur Zeit sind seine Arbeiten in der Galerie Simon Lee in London zu sehen.

Ryan Mrozowski (*1981 in Pennsylvania) lebt und arbeitet in Brooklyn/New York. Neben seiner Homepage bieten auch seine Instagram-Seite und Instazu-Seite einen guten Einblick in sein Werk.

alle Bilder © Ryan Mrozowski

 

Malerei, Zeichnung