Fotografie

15. April 2012 - 10:02

Steve John, Within the wind
Foto © Steve John, via Odapark

 

Ganz bezaubernd finde ich das Foto dieser beiden Windhunde, nicht zuletzt durch die wunderbare Farbstimmung, die es vermittelt. Und Farbe ist auch das Thema des britischen Künstlers Steve John. Das Foto ist bis 1. Mai 2012 im Odapark Zentrum für zeitgenössische Kunst Venray (centrum voor hedendaagse kunst) in den Niederlande ausgestellt. "Naturfotografie mit dem Handy" könnte der deutsche Untertitel zur iPhone Art Exhibition "Love the one you´re with" sein. Sie haben richtig gelesen: iPhone Art. In dieser internationalen Ausstellung snd nur Fotos zu sehen, die mit Mobiltelefonen entstanden sind. Die Arbeiten werden als Ausdrucke, aber auch am iPhone und iPad gezeigt. iPhonography nennt Steve John diese Art der Fotografie.

Ausschlaggebend für die intensive Auseinandersetzung mit dem iPhone und seinen Möglichkeiten war eine Armverletzung, die Steve John am Malen in seinem Atelier in Bath hinderte. Er musste Pinsel und Farbe mit dem Finger auf dem Touchscreen tauschen. Inzwischen arbeitet er hauptsächlich mit dem iPhone und nützt dessen Potenzial voll aus. Er fotografiert nicht nur, sondern "malt" auch mit dem iPhone unter Zuhilfenahme unterschiedlichster Apps. Nichts wird am Computer und seiner Software nachbearbeitet! Da das iPhone schon seit 2008 Steve Johns künstlerisches Werkzeug ist, gilt er als ein Pionier der iPhoneography und der iPhone Art.

 

Steve John, Contact
Foto © Steve John, via Escape Into Life

Auf Steve Johns Blog könne Sie ein Videoplayback eines iPhone Paintings sehen und auch Fotos vor und nach der Bearbeitung mit  verschiedenen Apps. Auf seiner Homepage finden Sie auch noch dieses witzige Hundefoto.

Wenn Sie mehr über Steve John und seinen künstlerischen Prozess erfahren wollen, geben ein paar Blogs Auskunft, deren Links Sie auf seiner About-Seite finden.
 

Ausstellung, Fotografie
30. März 2012 - 14:37

Albrecht Tübke, Serie Dalliendorf

 

Ein Gruppenfoto bildet die Ausnahme im Werk des Deutschen Albrecht Tübke, der der jüngeren Generation der künstlerischen Fotografen angehört. Der dokumentarische Porträtfotograf kehrte für die Fotoserie "Dalliendorf" von 2000 in sein Heimatdorf zurück.

Während des letzten Jahrzehnts fotografierte Tübke mehrere Porträtserien: Einerseits in ländlicher Umgebung wie in Dalliendorf oder im toskanischen Pulica, andererseits im urbanen Bereich (Citiziens, Donna).

 

Albrecht Tübke, Serie Bolgheri

Albrecht Tübke, Serie Bolgheri

Albrecht Tübke, Serie Pulica

Albrecht Tübke, Serie Pulica

 

Tübke geht es um das "Wesen" der Person, das durchaus auch künstlich sein kann. Er lenkt den Blick auf den Einzelnen mit seiner künstlerisch kreierten Oberfläche und - vor allem in den urbanen Serien - modischen Inszenierung. Die ausgewählten Passanten dürfen für die Kamera posieren und sich in eigener Kleidung in Szene setzen. Dabei kann das persönliche Styling und dessen öffentliche Präsentation die Identität verstärken oder verbergen und maskieren.

 

Albrecht Tübke, Walther Collection

 

Ich habe nur die wenigen Bilder mit Hund ausgewählt, doch auch für sie gilt der frontale Blick der Porträtierten in die Kamera. Tübke dokumentiert ohne zu werten und ohne Interesse an gesellschaftlichen Studien. Seine Art die Menschen einzufangen ist auch unabhängig von deren Alter oder Geschlecht. Gemeinsam ist allen allerdings ihre "Präsenz", mit der sie der Kamera begegnen.

 

Albrecht Tübke, Serie Citizien

Albrecht Tübke, Serie Donna

 

Die Serie Donna, die in italienischen Städten aufgenommen wurde, zeigt auch deutlich den Einfluss der Mode - und der Schönheitschirurgie - in der italienischen Gesellschaft. Wie kann man sich noch inszenieren, wie kann man seine Persönlichkeit unter den städtischen Stereotypen und den modischen Tribes der westlichen Gesellschaft herausstreichen? Der Hund wird zum modischen Accessoire, die Bekleidungsbranche für den urbanen Hund boomt.

Das letzte Bild ist auch deshalb interessant, da es uns Auskunft über das moderne Mensch-Tier-Verhältnis gibt. Nichts spricht dagegen, dass die Frau ihren kleinen Hund wirklich gerne hat und nur das Beste für ihn will. Niemals würde sie eine Jacke aus Chihuahua-Fell anziehen oder Chihuahua-Brust auf Rucola-Salatbett essen. Gleichzeitig findet sie allerdings nichts dabei, einen Pelzmantel zu tragen, für den -zig Tiere unter grausamsten Bedingungen leben und sterben mussten.

Tübkes Bild scheint mir - ohne dass er diese Aussage beabsichtigt hätte - wie die Illustration zu Melanie Joys Buch "Why We Love Dogs, Eat Pigs, and Wear Cows". Am 12. März hatte ich in Wien Gelegenheit einen Vortrag der Amerikanerin zu hören, der genau diese Problematik behandelte. Eine ihrer Präsentationen vom Februar 2012 in englischer Sprache finden Sie auch auf youtube.

alle Fotos © Albrecht Tübke

Für die Freunde der Fotografie schreibt Albrecht Tübke seit kurzem auch den Blog Albrecht Tübke-Photography.

 

27. März 2012 - 9:10

Keith Arnatt, Notes from Jo, 1990-1994, © Keith Arnett

 

Was Sie hier sehen, ist nicht die fotografierte Verschriftlichung einer Hundeschelte, was im Hund und Kunst-Blog ja durchaus vorstellbar wäre, sondern eine fotografierte und vergrößerte Notiz von Frau Arnatt.

Keith Arnatt stellte aus einer Auswahl dieser Notizen, die seine Frau an ihn geschrieben hatte, bevor sie 1996 an einer Krebserkrankung starb, eine Foto-Serie zusammen. Isoliert und ohne zeitliche und räumliche Einordnung wirken diese Notizzettel surreal; das Wissen um den Tod seiner Frau macht daraus ergreifende Erinnerungsstücke eines gemeinsamen Lebens.

In dieser Arbeit der 1990er Jahre spürt man noch den konzeptuellen Ansatz, mit dem der 1930 geborene Arnatt immer arbeitete und der es so schwierig macht, ihn in der Fotografiegeschichte einzuordnen.

Als Konzeptkünstler, dem es ja "naturgemäß" um das Konzept, die Idee geht, wollte er das Kunstwerk und konsequenterweise sich selbst 1969 zum Verschwinden bringen. Die Fotos dieser programmatischen Aktion - er gräbt sich immer mehr in die Erde ein - "Self Burial" - wurden im WDR ohne zeitgleiche Erklärung gesendet. Aus heutiger Sicht bemerkenswert ist die Rolle des Fernsehens als Vermittlungsmedium für Avantgardekunst und nicht als Teil einer Verblödungsmaschinerie.

 

Keith Arnatt, Self Burial, 1969

 

Arnatt war also anfangs ein Konzeptkünstler, der das Medium Fotografie verwendete und wandelte sich zum Fotografen, der konzeptuell dachte. Als Fotograf blieb ihm die Bekanntheit großteils verwehrt - er verkaufte wenig und arbeitet Zeit seines Lebens als Lehrer.

Arnett, der 2008 in Wales starb, arbeitete vorwiegend in Serien. Die Frage nach der Identität war eines seiner Themen, das auch "Walking the Dog" von 1976-1979 bestimmt. Womit ich endlich bei unserem gemeinsamen Interesse angelangt wäre: dem Hund und seiner Beziehung zum Menschen.

 

Keith Arnatt, Walking the Dog  1976-79, © The estate of Keith Arnatt

Keith Arnatt, Walking the Dog  1976-79, 1© The estate of Keith Arnatt

Keith Arnatt, Walking the Dog  1976-79, © The estate of Keith Arnatt

Keith Arnatt, Walking the Dog  1976-79, © The estate of Keith Arnatt

Keith Arnatt, Walking the Dog  1976-79, © The estate of Keith Arnatt

Keith Arnatt, Walking the Dog  1976-79, © The estate of Keith Arnatt

Keith Arnatt, Walking the Dog  1976-79, © The estate of Keith Arnatt

Keith Arnatt, Walking the Dog  1976-79, © The estate of Keith Arnatt

Keith Arnatt, Walking the Dog  1976-79, © The estate of Keith Arnatt

Keith Arnatt, Walking the Dog  1976-79, © The estate of Keith Arnatt

Keith Arnatt, Walking the Dog  1976-79, © The estate of Keith Arnatt

Keith Arnatt, Walking the Dog  1976-79, © The estate of Keith Arnatt

Keith Arnatt, Walking the Dog  1976-79, © The estate of Keith Arnatt

Keith Arnatt, Walking the Dog  1976-79, © The estate of Keith Arnatt

 

Sicher versuchten Sie auch sofort die Ähnlichkeit zwischen Hund und Halter zu erkennen. Besonders die Mundpartien finde ich oft überraschend übereinstimmend. Jeder, der seinen Hund fotografiert, weiß, wie schwer es ist, dessen Aufmerksamkeit zu erreichen und zu halten; ihn dazu zu bringen, in die Kamera zu schauen. Da das Rufen des Namens oft nicht ausreichte, hat Arnatt durch Bellen und Knurren das Interesse der Hunde erweckt Bei manchen Fotos sieht man richtig, wie sie die Ohren spitzen und den Kopf fragend und neugierig schief legen.

Arnatts Fotografien wirken witzig, charmant, berührend. Niemals machen sie sich über ihren Gegenstand lustig.

Die ganze Foto-Serie "Walking the Dog" können Sie in der Tate Collection genießen.

Mehr zu Keith Arnatt bei Galerie Maureen Paley.

alle Fotografien © Keith Arnatt Estate

 

Fotografie
7. März 2012 - 16:14

Martin Creed, Work 748

Martin Creed, Work 1094

Martin Creed, Work No. 1095

 

Was wie ein kleines Musikvideo daherkommt, ist ein ausgewachsenes Stück Kunst. Kommt es doch vom Konzeptkünstler Martin Creed, der beides ist - bildender Künstler und Bandleader - und der beides gleich wichtig und ernst nimmt.

 

 

Sparky, ein Chihuahua, und Orson, ein irischer Wolfshund, repräsentieren im Video Thinking und Not Thinking. In einem Interview vergleicht Creed das Denken mit dem Versuch wichtig zu sein, was zu dem kleinen Sparky passt, und das Nicht-Denken mit dem eher ungeschickten Orson. Die beiden kommen ins Bild und verlassen das Bild, ganz so wie es der Liedtext und der eingängige Beat vorgeben.

Creed stieß in Los Angeles zufällig auf die Hunde und fand, dass sie wie ein Ready-made, wie eine Skulptur aussahen. Da Creed immer wieder mit Gegensätzen gearbeitet hatte (Licht an/aus, schwarz/weiß ...) und die Hunde größenmäßig an den beiden Enden der Rasseskala standen, nahm er Filmmaterial mit ihnen auf. Erst als er den Song hatte, fügte er Lied und Film zusammen und fertigte dieses stimmige Werk.

 

Martin Creed, Cover, 2011

 

 

Martin Creed, Inlay, 2011

 

 

Der in Glasgow aufgewachsene Künstler verwendet eine Vielzahl von Medien für seine Kunst: Malerei, Film, Video, Skulptur, Installation usw. Seit 1987 nummeriert er seine Kunstwerke, Thinking/Not Thinking ist Nummer 1090. 2001 gewann er - nicht unumstritten - den Turner-Preis mit einer sehr minimalistischen Idee: Das Licht in einem leeren Raum geht an und aus. Seine gesamte Kunst ist im minimalistischen und konzeptuellen Bereich angesiedelt und als Kunst schwer verständlich. Für viele Kritiker thematisiert Creed das Lächerliche in der zeitgenössischen Kunst, für andere zeigt er den lächerlichen Zustand, den die zeitgenössische Kunst erreicht hat. Sein Werk Nummer 88 z.B. ist ein zum Ball zerknülltes A4 Blatt (natürlich "künstlerisch" zusammengeknüllt und in einer von Creed selbst entworfenen Verpackung in geschredderten Papierstreifen aufgehoben).

 

Martin Creed, Work No. 88, A sheet of A4 paper crumpled into a ball, 1995

Martin Creed, Work No. 88, A sheet of A4 paper crumpled into a ball, 1995
Martin Creed: Work No. 88,
A sheet of A4 paper crumpled into a ball, 1995

 

Sparky, der kleine Hund ist inzwischen tot. Orson setzte sich auf ihn und brach ihm ein Bein. Bei der Operation kam es zu Komplikationen. Seit ich das gelesen habe, kann ich mir das Video nicht mehr unbeschwert anschauen. Musste hier ein Hund sterben, weil ein Mensch mit einem skurrilen Hundepärchen leben wollte?

 

Die CD & DVD können Sie (ebenso wie das zerknüllte Papier) im Online-Shop auf Martin Creeds Homepage erwerben.

 

alle Bilder © Martin Creed

 

 

Fotografie, Film, Musik, Video
1. März 2012 - 11:59

Zur Zeit findet eine große Werkschau der britischen Künstlerin Zarina Bhimji in der Londoner Whitechapel Gallery statt. Die Künstlerin hatte schon bei der Documenta 11 (2002) ausgestellt und war für den Turner-Preis der Tate Gallery (2007) nominiert worden.

Zarina Bhimji wurde 1963 in Uganda geboren, ihre Eltern waren indischer Abstammung. 1974 verließen sie gemeinsam die ostafrikanische Heimat, zwei Jahre nachdem Idi Amin begonnen hatte, Inder und andere Asiaten, die seit der britischen Kolonialzeit dort lebten, aus Uganda zu vertreiben. Bhimji beschäftigt sich in ihrem Werk - großformatigen Fotoinstallationen und Film - mit Vertreibung, Migration, Exil.

Sie findet auf Grund eines wunderbaren Fotos Eingang in meinen Blog, das mich jedesmal aufs Neue berührt, wenn ich es sehe: Rado Watch, Such Western Precision (2006), Teil der Werkgruppe Love (1998 – 2006).

 

Zarina Bhimji, Rado Watch, Such Western Precision, 2006
Zarina Bhimji, Rado Watch, Such Western Precision, 2006; © Zarina Bhimji

 

Seit ich Bhimjis Beschreibung dieser Fotoserie gelesen habe, weiß ich, dass mein Gefühl mit ihrer Absicht übereinstimmt: Schönheit und Zärtlichkeit auszudrücken.

I work in a way where information and research become a crucial starting point in my work. This allows me to put certain myths and realities to the test.

It is important the work expresses beauty and tenderness. The spaces have special atmosphere and the space around it has an intense beauty. It is sad and has a subdued air about it. For me the earth was coming off its hinges.

A landscape mediated through a solitary individual. A little sunlight and big sky with the edges of plantain trees and the puffy clouds bring thunder, lightning and brief, pounding rain. The atmosphere of weeping sky. I need to understand large scale betrayal, grief, love, violence, spirituality.

Hauptdarsteller ihrer Kunst sind meist verlassenen Orte, Räume, architektonische Oberflächen, unbewohnt und menschenleer. Bhimji ist die Forscherin und Archäologin dieser Orte, die nichts Konkretes preisgeben, deren Schönheit die Gewalt überlagert, der sie ausgesetzt waren.

Rado Watch bildet insofern eine Ausnahme, als es eine Geschichte erzählt: Der Hund liegt auf der Veranda eines Regierungsgebäudes, durch das Schild assistant quartermaster definiert, Überbleibsel britischer Bürokratie und Verwaltung.

Das Zitat Bhimjis "A photograph cannot give you concrete information" habe ich vom Blog Africa is a country.

Vom 1. Juni bis 2. September 2012 stellt Bhimji im Kunstmuseum Bern aus.

 

Fotografie, Film, Installation
23. Februar 2012 - 19:43

Maddie 1

 

Schon auf den ersten Blick unwiderstehlich und charmant erscheinen die Fotos von Maddie, einem Coonhound. Ich will sie Ihnen auf keinen Fall vorenthalten: Deshalb mache ich es mir diesmal einfach und schließe mich der Verbreitung der Fotos an, die seit Wochen in den Internetblogs kursieren. Ich bin auf iGNANT auf Humphrey Theron und seinen geschickten Hund gestoßen, der auf allen möglichen Objekten balanciert.

 

Theron, der in Atlanta beheimatet ist, hat eine Website mit seinen kommerziellen Arbeiten, Maddie allerdings hat ihre eigene: Maddie the Coonhound: a super serious project about dogs and physics. Diese Website müssen Sie auf alle Fälle anschauen, geschätzte 50 Aufnahmen von Maddie finden sie dort, ich konnte mich kaum entscheiden.

 

Mir gefällt auch die Farbstimmung der Bilder, die Blässe erzeugt eine leichte Retro-Anmuntung.

 

 

Maddie 2

Maddie 3

Maddie 4

 

Die Aufnahmen sind in ganz Amerika entstanden, Theron reist wegen eines anderen Fotoprojektes durch die Bundesstaaten. Ist für europäische Augen der Anblick der Holzschilder in den waldreichen, schneebedeckten Landschaften nicht schon exotisch? Ich muss immer an Twin Peaks denken.

 

 

Maddie 5

Maddie 6

Maddie 7

Maddie 8

Maddie 9

 

Ein leises unangenehmes Gefühl kann ich beim Anblick solcher Aufnahmen dennoch nicht unterdrücken. Ist Maddie mit Freude bei der Sache? Das Gähnen ist ein jedenfalls ein deutliches Beschwichtigungssignal - ganz geheuer sind der gehorsamen Maddie ihre waghalsigen Fototermine sicher nicht!

 

alle Fotos © Humphrey Theron

 

Fotografie
23. Februar 2012 - 11:26

Erst seit wenigen Jahren wird der inzwischen 88 Jahre alte Saul Leiter und sein Werk in all seiner Bedeutung gewürdigt. Mir war er bisher gänzlich unbekannt. Der New Yorker Maler und Fotograf nimmt Zeit seines Lebens die New Yorker East Side auf (und lebt dort auch seit über 65 Jahren). Als Fotograf ist er nicht nur ein Meister der Straßenfotografie, sondern vor allem ein Pionier der Farbfotografie. Er verwendete schon in den 1940er Jahren den Farbfilm und durchbrach damit die Vorherrschaft der Schwarz-Weiß-Fotografen, lange bevor die "New Color Photography" in den 1970er Jahren bekannt wurde.

Saul Leiter hat einen Hang zur Abstraktion und zur Flächigkeit. Glücklicherweise hat er mindestens ein Foto mit Hund aufgenommen, an dem man diese formale Herangehensweise erkennt.

 

 

Saul Leiter, Dog in Doorway, 1962
© Saul Leiter, Dog in Doorway, 1962

 

Bis 15. April 2012 findet eine große Retrospektive mit über 400 Arbeiten in den Hamburger Deichtorhallen statt. Aus diesem Anlass erscheint auch eine Monographie im Kehrer Verlag.

 

Saul Leiter Buchcover im Kehrer-Verlag
© Kehrer-Verlag

 

Haus der Photographie / Deichtorhallen Hamburg. Saul Leiter – Retrospektive. Leineneinband mit Banderole, 296 Seiten, ISBN 978-3-86828-258-0
 
Ausstellung, Buch, Fotografie
22. Januar 2012 - 17:39

Arnold Corey, Crazy the dog and finnmark boulder, 2008

 

Ein charmantes Foto - der anmutige Hund balanciert würdevoll und formvollendet auf einem Stein – farblich eingepasst in den Hintergrund einer kargen arktischen Landschaft: Mich hat dieses Foto so angesprochen, dass ich die Printausgabe des Temp Magazins #2 bestellt habe und seit ein paar Tagen in Händen halte. Vielleicht, so war meine Hoffnung, fänden sich noch mehr Aufnahmen dieses Fotografen darin.

 

Das Temp Magazin ist ein Web-to-Print-Magazin, die Leser der Online-Ausgabe bestimmen durch Voting die Inhalte der Print-Ausgabe mit. 40 Künstler, Fotografen, Designer und Typografen erhielten für ihre Arbeiten die meisten Stimmen der User und schafften es von der Temp Website ins gedruckte Magazin.

 

 

TEMP MAGAZIN, Cover, 2011
© Temp Magazin

 

Corey Arnold heißt der Fotograf des Titelbildes, der tatsächlich im Inneren eine Bildstrecke hat, zum Thema Fish-Work. Corey ist ein alaskischer Berufsfischer, der jährlich zwei bis drei Monate beim kommerziellen Fischfang in Alsaka und Europa arbeitet und die restliche Zeit des Jahres unter anderem mit Reisen und Ausstellen seiner Fotografien bestreitet. Sein Lebenswerk bzw. Dauerprojekt ist das fotografische Darstellen des weltweiten Fischfangs.

 

 

Arnold Corey, Loneliness 2, 2008
"Loslassen!" würde der Fisch wohl schreien, könnte er...

Arnold Corey, Loneliness, 2008
... und "verpiss dich".

 

Eine Wekgruppe zeigt Fischer, die in liebevoller zärtlicher Inszenierung ihre toten Opfer umarmen. Für mich sind diese Darstellungen an Obszönität kaum zu überbierten, erst töten, dann liebkosen, dazu noch ein unverständlicher Titel wie "Loneliness". Corey selbst beschreibt sein Werk als Auslotung und Untersuchung der Mensch-Tier-Beziehung in der modernen Welt. Die Untersuchung eines Mannes, der schon seinen ersten Fisch fing, als er noch eine Windelhose trug und der das Fischen als identitätsstiftend beschreibt! Ich kritisiere an dieser Stelle nicht primär das Töten, sondern die pervertierte Inszenierung der Tiere, die noch nach ihrem Tod missbraucht werden.

Unten ein paar weitere Hundebilder Coreys:

 

Arnold Corey, Crazy and Camilla, 2008

Arnold Corey, Escaping Finnmark, 2008

Arnold Corey, Pure Seine Guardian, 2010

Arnold Corey, Dog Hopping, 2008
alle Fotos (mit Ausnahme des Temp Magazin Covers)  © Arnold Corey

 

2011 erschien bei Nazareli Press das Buch "Corey Arnold, Fish-Work: The Bering Sea". Zahlreiche Besprechungen gaben näheren Einblick in Coreys Arbeit (z.B. GoSee und derFreitag) und gingen auch auf die Problematik der Hochseefischerei ein, wie z.B. die NZZOnline. Im Blog my love for you. finden sie ein längeres Interview mit Corey.

 

Buch, Fotografie
16. Januar 2012 - 2:12

Gleichzeitig sind in Wien zwei Ausstellungen großer Magnum-Fotografen zu sehen: Robert Capa im Collegium Hungaricum und Henri Cartier-Bresson im Kunsthaus Wien. Magnum Photos, eine Foto- und Fotografenagentur, wurde am 27. April 1947 unter anderem von Robert Capa und Henri Cartier-Bresson in Paris gegründet. Auslöser zur Gründung einer Agentur war ihr Wunsch, die Rechte über die eigenen Bilder gegenüber den großen Magazinen und Agenturen besser sichern zu können.

Capa war vor allem ein Kriegsfotograf, dessen Ruhm auf den Aufnahmen aus dem spanischen Bürgerkrieg gründete. 2008 tauchten Tausende unveröffentlichte Bürgerkriegs-Negative in Mexiko auf, die fast 70 Jahre als verschollen galten. Auch Capa starb 1954 in Vietnam in dem Glauben, dass sie vernichtet seien.

Auch in Kriegszeiten begleitet der Hund den Menschen, weshalb sich der eine oder andere Hund auf Capas Fotos findet. Das erste zeigt seine Lebensgefährin Gerda Taro in Paris:

 

Robert Capa, Gerda Taro mit einem Hund in Paris, etwa 1935-1936
Robert Capa: Gerda Taro mit einem
Hund in Paris, etwa 1935-1936, © International Center of Photography/New York

Robert Capa, Truman Capote hält einen Hund in Italien, 1953
Robert Capa: Truman Capote hält einen Hund, Italien, 1953

 

 

 

Robert Capa, Bombardiertes Barcelona, 1939
Robert Capa: Bombardiertes Barcelona, 1939, © International Center of Photography/New York
Eine Frau und ein Hund suchen Schutz vor einem Luftangriff.

Robert Capa, Flüchtling, 15.1.1939
Robert Capa: Flüchtling, 15.1.1939. Eine Frau flüchtet mit ihrem Hund, nachdem ihr Sohn und Mann im Krieg getötet worden waren.

Robert Capa, Soldat mit Hund im Helm, Tunesien, März -April 1943
Robert Capa: Soldat mit Hund im Helm, Tunesien, März -April 1943

 

Henri Cartier-Bresson, der ursprünglich Malerei studiert hatte, wandte sich in den 1930er Jahren der Fotografie zu. Er reiste unter anderem durch Europa, mehrmals nach Amerika, nach Indien, Pakistan und in die Sowjetunion und verbrachte dort jeweils längere Zeit, sodass er sich auch nicht als Reisefotograf verstand, sondern als Beobachter unterschiedlichster Menschen und Kulturen. Obwohl für ihn das Auslösen im 'entscheidenden Augenblick' wichtig war, kam dem Bildaufbau eine wesentliche Bedeutung zu.

 

Henri Cartier-Bresson, William Faulkner, 1947
Henri Cartier-Bresson: William Faulkner, 1947, © Magnum Photos

Henri Cartier-Bresson, Mexiko, 1963
Henri Cartier-Bresson: Mexiko, 1963, © Magnum Photos

Henri Cartier-Bresson: Auberviliers, 1971
Henri Cartier-Bresson: Auberviliers, 1971

Henri Cartier-Bresson, Frankreich, 1953
Henri Cartier-Bresson, Frankreich, 1953

Henri Cartier-Bresson, Frankreich/Paris, 1956
Henri Cartier-Bresson: Frankreich/Paris, 1956

Henri Cartier-Bresson, Österreich/Wien, 1953
Henri Cartier-Bresson: Österreich/Wien, 1955

 

Auf der Magnum Homepage finden Sie annähernd 100 Fotos mit Hunden, ich habe nur diese wenigen ausgesucht, um zu zeigen, wie formal streng komponiert jede Aufnahme ist und wie selbstverständlich und gelassen Cartier-Bresson die Nähe zwischen Hunden und Menschen darstellt.

 

Ausstellung, Fotografie
23. Dezember 2011 - 10:15

Mohamed Bourouissa, La Butte, 2007

 

Wieso sitzt der Hund auf einem Menschen, vielleicht auf seinem Menschen?

Was auf den ersten Blick rätselhaft und absurd erscheint, ist vielleicht die ironische Inszenierung der Thematik "Junger Macho mit Immigrationshintergrund und sein Kampfhund". Beide machen einen freundlichen entspannten Eindruck, der Hund scheint jedenfalls Gefallen an der gestellten Szene zu finden. Wenn man ein bisschen über den Künstler gelesen hat, liegt diese Vermutung nahe, denn der junge algerisch-französische und in Paris lebende Künstler Mohamed Bourouissa demontiert in seinen gemäldeartig konzipierten Fotografien gängige Klischees.

In seiner Fotoserie "Périphériques", die zwischen 2004 und 2008 entstand, liegt sein Augenmerk besonders auf den französischen Vorstädten, den Bewohnern - oft Zuwanderer - und deren Alltag. Dabei sind die Fotografien keine dokumentarischen Aufnahmen oder Teile einer Fotoreportage, sondern in aufwändiger Inszenierung der Realität nachgestellt. Bourouissa nimmt sich viel Zeit für die Auswahl der Standorte und der Protagonisten. Er entwirft Szenen voller Trostlosigkeit, latenter Aggression, Langeweile. Die soziale Problematik der Vorstädte liegt den Fotografien zwar inhaltlich zugrunde, Bourouissas Ansatz ist aber ein künstlerischer, die Bandlieus werden zum konzeptuellen Kunstobjekt. (vgl.dazu "Künstler hautnah")

 

Mohamed Bourouissa, La morsure, 2007

 

"La butte", der Hügel, heißt das oberste Bild mit Hund, und es nimmt für mich innerhalb der 25 Fotografien starken Serie insofern eine Sonderstellung ein, als die Situation sehr absurd, surreal und auch auf den ersten Blick inszeniert erscheint. Auch der Bildtitel gibt wohl absichtlich keine Erklärung. Die zweite Aufnahme heißt: "La morsure" - der Biss.

Wenn sie mehr über seine Arbeitsweise und Kunstform, die er als "emotionale Geometrie" bezeichnet, wissen wollen, empfehle ich ein Interview von seen.by

Bis zum 30. Dezember sind Arbeiten von Mohamed Bourouissa bei der Gruppenausstellung "Momentaufnahmen einer Generation" in der Wentrup Gallery Berlin zu sehen.

 

Ausstellung, Fotografie